LANDTAG STEIERMARK
XV. GESETZGEBUNGSPERIODE


EZ/OZ: 678/1

Selbstständiger Antrag von Abgeordneten (§ 21 GeoLT)

eingebracht am 24.07.2006, 09:53:54


Landtagsabgeordnete(r): Peter Hagenauer (Grüne), Edith Zitz (Grüne), Ingrid Lechner-Sonnek (Grüne)
Fraktion(en): Grüne
Zuständiger Ausschuss: -
Regierungsmitglied(er): Manfred Wegscheider

Betreff:
Kostenintensive und rechtswidrige Abfallverwertung in den Bezirken Graz Umgebung und Weiz

Steigende Wohnnebenkosten haben in den letzten Jahren in vielen Familien zu einem ernsthaften Armutsrisiko geführt. Die stark gestiegenen Kosten der Abfallentsorgung sind dabei ein wesentlicher Aspekt.

Deshalb ist es völlig unverständlich, dass in zwei steirischen Bezirken Einsparungspotentiale nicht genutzt werden, die überdies gesetzlich vorgeschrieben sind. Gegen die Bestimmungen des Steirischen Abfallwirtschaftsgesetzes (StAWG 2004) belasten die Abfallwirtschaftsverbände Graz-Umgebung und Weiz ihre Bevölkerung durch mangelnde Zusammenarbeit und die problematischen Vergaben der Abfallverwertung. Ebenso unverständlich ist es, dass die Landesregierung als Aufsichtsbehörde der Gemeinden und für die Abfallwirtschaft zuständige Behörde diesem Treiben tatenlos zusieht. 

Aufgrund des STAWG 2004 obliegt die Sammlung des Abfalls den Gemeinden, die Verwertung aber gemäß § 6 Abs. 2 und § 14 Abs. 6 den Verbänden. Mit dieser Bestimmung korreliert der im § 12 Abs. 1 geregelte Eigentumsübergang: Mit dem Verladen auf ein Fahrzeug der öffentlichen Abfuhr geht das Eigentum am Abfall auf den jeweiligen Abfallwirtschaftsverband über. Das bedeutet, dass der in den Gemeinden gesammelte Müll - sobald er im Abfallwirtschaftszentrum abgegeben oder haushaltsnah auf ein kommunales Sammelfahrzeug verladen wurde - ex lege den Verband gehört und dieser verpflichtet ist, eine gemeinsame Ausschreibung und Vergabe der Verwertung zu organisieren.

Während 15 der 17 steirischen Abfallwirtschaftsverbände den gesetzlichen Auftrag erfüllen, halten sich die Bezirke Graz Umgebung und Weiz nicht daran. Dies schadet den privaten Haushalten und verursacht Kosten, weil eine einzelne Gemeinde für die Verwertung und Entsorgung des Mülls einen wesentlich ungünstigeren Marktpreis erzielen wird als der Abfallwirtschaftsverband aufgrund einer gemeinsamen Ausschreibung des Abfalls aller Verbandsgemeinden.
Zu dieser gemeinsamen Ausschreibung ist es in den zwei Bezirken aus mehreren Gründen nicht gekommen: Einzelnen Bürgermeistern wird von den Entsorgern suggeriert, sie hätten besonders günstige Konditionen erhalten bzw. ausverhandelt. Die Weigerung des Dachverbandes Steirischer Abfallwirtschaftsverbände, die detailgenaue Version der steiermarkweiten Preisvergleichsstudie zu veröffentlichen, tut ihr Übriges dazu, um einzelne Gemeindevertretungen in diesem Glauben zu belassen. 
Ein besonderes Problem im Bezirk Graz Umgebung stellt die Gemeinde Frohnleiten dar, die eine eigene Restmülldeponie unterhält und dort natürlich zu besonders günstigen Kosten entsorgen kann und darauf nicht verzichten will.

Zum Vorteil einzelner weniger Gemeinden und zum Nachteil der Gesamtheit der Gemeinden verzichten die beiden Abfallwirtschaftsverbände darauf, die gemeinsame Verwertung gesetzeskonform zu organisieren. Um das Jahr 2000 war zwar das Bewußtsein zumindest im Abfallwirtschaftsverband Graz Umgebung soweit, dass man die Gemeinden aufforderte, mit ihren Entsorgen nur mehr sehr kurzfristige Verträge einzugehen, um dann in einigen Jahren frei von vertraglichen Bindungen die Abfallmengen auf breiter Basis gemeinsam vermarkten zu können. Die Gemeinden hielten sich aber nur teilweise an dieses Ersuchen. Nach wie vor haben einzelne Gemeinden bis in das Jahr 2013 laufende Langzeitverträge mit ihren Entsorgern.

Auch nach dem Inkraftreten des StAWG 2004 unterblieb der entschiedene Versuch der beiden Verbände, die nunmehr gesetzlich verpflichtende gemeinsame Abfallverwertung durchzusetzen: Vom  neu eingeführten Eigentumsvorbehalt des Verbandes an dem in den Gemeinden gesammelten Müll wird bis jetzt keinen Gebrauch gemacht. Die Verbände sehen weitgehend untätig zu, wie die einzelnen Kommunen das Eigentum des Verbandes auf eigene Faust vermarkten. Als zahmen Versuch hat der Verbandsvorstand Graz Umgebung am 8. März 2006 lediglich beschlossen, künftig alle ein bis zwei Jahre die Gemeinden einzuladen, freiwillig an einer gemeinsamen Ausschreibung teilzunehmen. Ein wohl untauglicher Versuch: Warum soll eine freiwillige gemeinsame Ausschreibung in Hinkunft funktionieren, wenn sie bisher nicht funktioniert hat. Auch entspricht es nicht dem Sinn und Zweck des STAWG 2004, dass die Einhaltung einer rechtlichen Bestimmung der freiwilligen Beteiligung der Gemeinden überlassen wird. 

Noch immer werden zahlreiche Argumente bemüht, um die kostenintensive Müllverwertung der jeweiligen einzelnen Gemeinden zu legitimieren.
  • Die Gemeinden hätten aufrechte zivilrechtliche Einzelverträge, die den Eigentumsvorbehalt des Gesetzes rechtsunwirksam machen. Etliche dieser Bestandverträge dürften rechtlich angreifbar sein, weil sie entweder dem STAWG 2004 oder dem Vergabegesetz nicht entsprechen (Einzelne Gemeinden haben mit ihrem traditionellen Entsorger einfach abseits des Vergaberechtes immer wieder verlängert).
  • Die verbindliche gemeinsame Vorgehensweise müsse schon an den verständlichen Eigeninteressen der Stadtgemeinde Frohnleiten scheitern. Das "Frohnleiten-Argument" kann man aber auch umdrehen. Wenn die Gemeinde Frohnleiten ihre kostengünstige Entsorgung aufrechterhalten will, müsste sie einem verbandsweiten Rest- und Sperrmüll-Entsorgungsunternehmen nur jene Verwertungs- und Deponiekosten bieten, die sie sich derzeit selbst gewährt.
  • Die Schwierigkeiten einer gemeinsamen kostengünstigen Abfallverwertung seien im Bezirk Graz Umgebung größer, weil keine eigene Massenabfalldeponie vorhanden ist. Aber auch andere Verbände (z.B. Schladming, Liezen, Murau oder Deutschlandsberg) haben keine eigenen Deponien und die gemeinsame Verwertung trotzdem zustande gebracht.
  • Der Durchschnitt der Einheitspreise liege trotz der kommunalen Einzelvergaben ohnehin im Schnitt der Verbände. Mit der Beibehaltung der bisherigen zersplitterten Vergabepraxis begibt man sich aber jeder Chance, jene Preisspielräume nach unten auszureizen, die in der abfallwirtschaftlichen Benchmark-Studie 2004 jedenfalls nachweisbar gegeben sind.
  • Ausschreibungsversuche seien schon gemacht worden, die Anbote der beiden eingeladenen Anbieter aber nahezu ident gewesen. Da der Markt nicht funktioniere, brächte eine gemeinsame Ausschreibung keine Vorteile. Die Abfallmenge des Gesamtverbandes müsste jedoch nach dem neuen Vergaberecht europaweit ausgeschrieben werden, sodass die Chance wesentlich größer ist, dass ein Preisbrecher anbietet, der sich im Kreis der steirischen Abfallwirtschaftsfirmen nicht finden lässt. Sollte jedoch der Verdacht von Preisabsprachen gegeben sein, ist dies der Staatsanwaltschaft anzuzeigen und jedenfalls eine öffentliche Debatte zu führen. Ein rechtlich fragwürdiges "Marktversagen" im Vorhinein hinzunehmen, kann keine Alternative zu einer Ausschreibung sein.
  • Die bisherige und zukünftig geplante Vorgehensweise des Verbandes sei ja gesetzeskonform, weil es im StAWG heiße, dass sich die Verbände mehrerer Entsorger bedienen können. Diese Interpretation widerspricht jedoch klar dem Sinn und Zweck des STAWG. Die Verwendung des Plurals im Gesetzestext soll keinesfalls dazu führen, dass ein ohnmächtiger Verband zusieht, wie sich jede Gemeinde selbst einen eigenen Abfallverwerter sucht und die Verbandsidee ad absurdum führt.
Die Landesregierung bzw. die beiden Gemeindereferenten LH Mag. Voves und LHStv. Schützenhöfer sowie der zuständige Müllreferent Seitinger dürfen nicht mehr länger zusehen. Es kann nicht so sein, dass eine Regelung, die in 15 steirischen Bezirken und Abfallwirtschaftsverbänden für gut befunden wird, für zwei Bezirke nicht durchführbar sein sollte.

Folgende Schritte sind zu setzen:
  • In jenen Verbänden, die nach wie vor durch Einzelausschreibungen der Verwertung durch die Gemeinden Jahr für Jahr eine teurere Müllverwertung als notwendig zu verantworten haben, ist bis 1.7.2007 der vom Gesetzgeber angepeilte organisations- und kosteneffiziente Zustand herbeizuführen.
  • Dazu sind die Gemeinden aufzufordern, allenfalls bestehende Einzelverträge mit den Entsorgern per 30.6.2007 zu kündigen.
  • Die Bestandsverträge von Gemeinden, die sich weigern, dies zu tun, sind auf ihre Rechtmäßigkeit hin zu prüfen. Bei gegebenen Rechtsmängeln (Vergaberecht, Widerspruch zum STAWG) hat der Verband seinen "Eigentumsvorbehalt" am Abfall geltend zu machen.

Es wird daher der

Antrag

gestellt:

Der Landtag wolle beschließen:

Die Steiermärkische Landesregierung wird aufgefordert, dafür Sorge zu tragen, dass alle steirischen Abfallwirtschaftsverbände eine kostengünstige und den gesetzlichen Bestimmungen entsprechende Müllverwertung gewährleisten, und zu diesem Zwecke folgende Maßnahmen durchzusetzen:
  • Die Abfallwirtschaftsverbände Graz Umgebung und Weiz haben das STAWG 2004 einzuhalten und bis zum 1.7.2007 einen rechtskonformen Zustand herzustellen. 
  • Die Gemeinden der beiden Verbände sind aufzufordern, bestehende Einzelverträge mit den Entsorgern per 30.6.2007 zu kündigen.
  • Die Bestandsverträge von Gemeinden, die sich weigern, dies zu tun, sind auf ihre Rechtmäßigkeit hin zu prüfen. Bei gegebenen Rechtsmängeln (Vergaberecht, Widerspruch zum STAWG) hat der Verband seinen "Eigentumsvorbehalt" am Abfall geltend zu machen.


Unterschrift(en):
Peter Hagenauer (Grüne), Edith Zitz (Grüne), Ingrid Lechner-Sonnek (Grüne)