LANDTAG STEIERMARK
XV. GESETZGEBUNGSPERIODE


EZ/OZ: 983/1

Selbstständiger Antrag von Abgeordneten (§ 21 GeoLT)

eingebracht am 28.12.2006, 10:53:26


Landtagsabgeordnete(r): Claudia Klimt-Weithaler (KPÖ), Renate Pacher (KPÖ), Werner Murgg (KPÖ), Ernest Kaltenegger (KPÖ)
Fraktion(en): KPÖ
Zuständiger Ausschuss: -
Regierungsmitglied(er): Bettina Vollath

Betreff:
Geschlechtssensible Pädagogik

"Buben spielen mit Autos und erlernen später einen technischen Beruf. Mädchen spielen mit Puppen und werden Friseurin oder ergreifen einen Sozialberuf." Ein Blick in die Kinderzimmer zeigt, wie stark Kinder von den traditionellen Klischees ihrer Mütter und Väter immer noch geprägt sind. "Mädchen raufen nicht und Buben weinen nicht" - sind ebenfalls bekannte Erziehungsmuster. Solange dieses Rollenverhalten nicht aufgebrochen wird, kann sich die Chancengleichheit von Männern und Frauen nur schwer durchsetzen.

Geschlechtssensible Pädagogik ermöglicht und unterstützt eine Erweiterung von Handlungsspielräumen jenseits von Geschlechterrollenklischees. Die Qualität von Bildung und von pädagogischen Prozessen misst sich unter anderem an der gleichberechtigten Teilhabe aller Beteiligten. Qualitätsstandards, die die Geschlechtszugehörigkeit der AkteurInnen und die Rahmenbedingungen der Institution nicht berücksichtigen, blenden einen entscheidenden Wirkfaktor von Bildungsprozessen aus.

Geschlechtssensible Pädagogik stellt die Frage, wo sich in Bildungsmaßnahmen Gestaltungen finden, die bestehende Geschlechterverhältnisse stabilisieren - und wo und wie eine kritische Auseinandersetzung stattfinden kann, die Veränderung ermöglicht.

Für geschlechts- bzw. gender-sensibles Arbeiten sind Strukturmerkmale geschlechts­spezifischer Sozialisationsprozesse, die Wahl der Bildungsmittel, räumliche Vorgaben, die Sprache und viele andere Faktoren relevant - am bedeutsamsten ist jedoch: Gleichstellung beginnt bei den PädagogInnen.

Im Mai 2006 hat in Graz zu der Thematik Geschlechtssensible Pädagogik in Kinderbetreuungseinrichtungen und Volksschulen ein Kongress unter dem Titel "Tausche Puppe gegen Auto und umgekehrt", den das Land Steiermark mitfinanziert hat, stattgefunden. Namhafte ExpertInnen haben dazu referiert, die TeilnehmerInnen haben unter anderem einen Ideenkatalog erarbeitet, der folgendes beinhaltet:

  • Eine Analyse aller steirischen Kinderbetreuungseinrichtungen bezüglich des derzeitigen Stellenwerts und Einsatzes geschlechtssensibler Pädagogik durch externe Expertinnen
  • Die Verwirklichung von Modellkindergärten und -volksschulen
  • Die Verankerung und Umsetzung der geschlechtssensiblen Pädagogik in den Lehrplan der pädagogischen Ausbildungen (Kindergarten, Tagesmütter/-väter, Volksschulen etc.) und Fortbildung als verpflichtender Bestandteil
  • Netzwerkarbeit und Lobbyarbeit durch eine Netzknoten-Organisation
  • Quotenregelung bei der Personalbesetzung in Kinderbetreuungseinrichtungen und Volksschulen

Um diese Ideen auch verwirklichen zu können, ist eine Unterstützung nach dem top-down-Prinzip notwendig.

Es wird daher der

Antrag

gestellt:

Der Landtag wolle beschließen:

Die Steiermärkische Landesregierung wird aufgefordert:

  1. Eine Analyse aller steirischen Kinderbetreuungseinrichtungen bezüglich des derzeitigen Stellenwerts und Einsatzes geschlechtssensibler Pädagogik durch externe Expertinnen (z.B. durch den Verein EfEU - Verein zur Erarbeitung feministischer Erziehungs- und Unterrichtsmodelle) in Auftrag zu geben,
  2. finanzielle Mittel zur Verfügung zu stellen, damit wie in Wien (Kindertagesheimstätte fun &\; care, Lernwerkstatt Brigittenau)  und Oberösterreich (Kindergarten Römerstraße), auch in der Steiermark ein Modellkindergarten bzw. eine Modellvolksschule verwirklicht werden kann,
  3. zu veranlassen, dass geschlechtssensible Pädagogik in den Lehrplan der pädagogischen Ausbildungen (Kindergarten, Tagesmütter/-väter, Volksschulen etc.) verankert und umgesetzt wird, indem sie

    a)    an die Bundesregierung bzw. das zuständige Bundesministerium für Unterricht mit der Forderung herantritt, geschlechtssensible Pädagogik in den Lehrplan der Bundesbildungsanstalten für Kindergartenpädagogik zu verankern sowie im Lehrplantext zu den "Bildungs- und Lehraufgaben", dem Lehrstoff und den "Didaktischen Grundsätzen" der einzelnen Unterrichtsgegenstände die Themen "Gleichberechtigung von Frauen und Männern" und "Chancengleichheit" explizit anzuführen, damit nicht nur im Rahmenlehrplan Möglichkeiten zur Thematisierung gegeben sind, und

    b)    an den Landesschulrat für Steiermark mit dem Ersuchen herantritt zu prüfen, inwieweit es möglich ist, in allen steirischen Bundesbildungsanstalten für Kindergartenpädagogik von der Möglichkeit der autonomen Lehrplanerstellung Gebrauch zu machen und Geschlechtssensible Pädagogik als Unterrichtsfach einzuführen,
  4. eine Empfehlung an alle Trägervereine, die die Ausbildung zur Tagesmutter/Kinderbetreuerin bzw. zum Tagesvater/ Kinderbetreuer anbieten, abzugeben, geschlechtssensible Pädagogik in deren Lehrpläne aufzunehmen,
  5. geschlechtssensible Pädagogik als Bildungs- und Erziehungsziel in das Steiermärkische Kinderbetreuungsgesetz aufzunehmen.


Unterschrift(en):
Claudia Klimt-Weithaler (KPÖ), Renate Pacher (KPÖ), Werner Murgg (KPÖ), Ernest Kaltenegger (KPÖ)