LANDTAG STEIERMARK
XV. GESETZGEBUNGSPERIODE


TOP 14

EZ/OZ 704/8

Schriftlicher Bericht

Ausschuss: Gesundheit

Betreff:
Generelles Werbeverbot für alkoholische Getränke und Tabakerzeugnisse.


zu:


EZ/OZ 704/8

Schriftlicher Bericht

Ausschuss: Gesundheit

Betreff:
Generelles Werbeverbot für alkoholische Getränke und Tabakerzeugnisse


zu:


  • 704/1, Generelles Werbeverbot für alkoholische Getränke und Tabakerzeugnisse (Selbstständiger Antrag)


Der Ausschuss "Gesundheit" hat in seinen Sitzungen vom 12.09.2006 und 17.04.2007 über den oben angeführten Gegenstand die Beratungen durchgeführt.

Mit Beschluss des Ausschusses für Gesundheit und Sport vom 12. September 2006 wurde die Steiermärkische Landesregierung ersucht, eine Stellungnahme gemäß §30 GeoLT zum Antrag der Abgeordneten Maga. Lackner, Schwarz, Zenz, Kröpfl und Maga. Drin. Schröck betreffend Generelles Werbeverbot für alkoholische Getränke und Tabakerzeugnisse (Einl.Zahl 704/1) abzugeben.

Eine Stellungnahme und eine Mitteilung liegen nun vor, die Folgendes zum Inhalt haben:

Mitteilung LR Dr. Christian Buchmann:
Die Abteilung 14 - Wirtschaft und Innovation sieht keine Zuständigkeit, da es sich um keine gewerberechtliche Angelegenheit handelt.

Stellungnahme LR Mag. Herlmut Hirt:
Zu diesem Antrag hat die Fachabteilung 8 B, Suchtkoordination, zusätzlich auch fachliche Stellungnahmen der Steirischen Gesellschaft für Suchtfragen und der Tabakkoordinationsstelle vorgelegt, die in diesen Bericht mit eingeflossen sind:

Alkohol

1. Verbote, Werbung und damit Werbeverbote sind in einem komplexen Feld angesiedelt, in dem kulturelle, wirtschaftliche, juridische usw. Aspekte hineinspielen. Diese Aspekte müssen für ernsthafte politische Entscheidungen und Strategien berücksichtigt werden (ein Beispiel dafür ist die Aufhebung des Werbeverbotes in Schweden 2003\; 24 Jahre nach seiner Einführung auf Grund der EU - Rechtsprechung).

2. In Fachkreisen gibt es keine eindeutige Haltung zum Werbeverbot als präventive Maßnahme. Das derzeitige Standardwerk der internationalen Alkoholpolitik BABOR et al.(2003) lässt "zwar viel Sympathie für radikale Einschränkungen der Alkoholwerbung"  durchklingen. Das Mittel der Wahl (wie Zugangskontrolle, Steuererhöhung, verkehrsbezogene Maßnahmen) ist es jedoch hier nicht, da die Wirksamkeit als gering eingeschätzt wird. Außerdem bezieht sich der Ansatz darauf, den generellen Alkoholkonsum zu senken. Dieser Ansatz wird von österreichischen Autoren für die bei uns vorherrschende Trinkkultur als ineffizient gesehen.

3. In der kritischen Auseinandersetzung mit den Vorschlägen von BABOR et. al. und den Rückschlüssen auf die österreichische Alkoholpolitik verweisen die namhaften heimischen ExpertInnen zum Thema Werbebeschränkungen darauf, dass das Rundfunkgesetz bereits Beschränkungen vorsieht, die allerdings in der Praxis ohne Wirkung bleiben. Die Integration von Alkoholkonsum in das Gesellschaftsleben und dessen öffentliche Zurschaustellung unterläuft ebenfalls jegliche Beschränkung von Werbung im engeren Sinn.

4. Ein Werbeverbot steht in keinem Zusammenhang zum gesundheitspolitischen Ziel des verantwortungsbewussten Umgangs mit Alkohol (und eben nicht der Abstinenz). Beschränkungen sind dort angebracht, wo etwa offensiv für maßlosen und / oder riskanten Konsum oder an Jugendliche und Kinder (Happy Hour- Binge Drinking,…) als AdressatInnen usw. geworben wird.

5. Die steirischen ExpertInnen vertreten den Standpunkt, dass Bewusstseinsbildung durch öffentliche Diskussion und wissenschaftliche Auseinandersetzung langfristig nachhaltigere Verbesserungen bringt. Drogenpolitik sollte einem Plan folgen und nicht aus kurzfristigen Einzelaktionen bestehen.

Themen dieser Diskussion können und müssen (im Sinn von Punkt 4) auch Werbebotschaften sein, die unmittelbar im Verweis auf die psychoaktive Wirkung bestehen ("... lustig samma", " ... bist a Kaiser"). Dies sollte auch für andere Produkte, vor allem jener der Pharmaindustrie (z. B. Schmerzmittel) gelten.

Die Wirksamkeit genereller Werbeverbote für Tabakerzeugnisse:
Die übergeordneten Zielsetzungen in der Tabakprävention liegen in der Verringerung der Zahl derer, die zu rauchen beginnen, in der Erhöhung der Zahl derer die zu rauchen aufhören und dem Schutz der Menschen vor Passivrauch.

Neben den entsprechend notwendigen Handlungen auf Seiten des Angebotes (illegaler Handel, Verfügbarkeit für Jugendliche, Tabakanbausubventionen) sind im Rahmen effektiver Tabakkontrolle aber auch Maßnahmen auf Seiten der Nachfrage, hier bei Preis und Besteuerung, Passivrauchen,  Information, Schulung und Schärfung des öffentlichen Bewusstseins, RaucherInnenentwöhnungshilfen, Produktkontrolle und VerbraucherInneninformation und bei Werbung, Verkaufsförderung und Sponsortätigkeit notwendig. Gerade Interventionen im Bereich der Werbung tragen nachweislich zu einer Reduktion des Tabakkonsums, insbesondere unter Jugendlichen, bei.

Ein vollständiges, für alle Formen direkter und indirekter Werbung und für alle Medien geltendes Verbot ist ein wesentlicher Faktor, der den Ausstieg aus dem Tabakkonsum fördern, aber auch den (neuerlichen) Beginn verhindern kann. Zahlreiche wissenschaftliche Studien kommen darüber hinaus zum Ergebnis, dass Zigarettenwerbung einerseits den Einstieg Jugendlicher in den Tabakkonsum, andererseits aber auch den Übergang zum regelmäßigen und gewohnheitsmäßigen Rauchen fördert.

Der Tabakkonsum ist ein sozial erlerntes Verhalten und wird zumeist bereits im Kindes- und Jugendalter erworben. Ungefähr 80% (in Österreich über 90%) aller erwachsenen RaucherInnen beginnen vor dem 18. Lebensjahr, das durchschnittliche Einstiegsalter liegt mit 14 Jahren
jedoch weit darunter. Entgegen der Annahmen ist der Einfluss der Tabakwerbung wesentlich größer, als jener der Peergroup oder jener rauchender Familienmitglieder. Die derzeit bestehenden Werbeverbote und -begrenzungen führten dazu, dass die Tabakindustrie ihre Marketingmethoden weiterentwickelt hat und "Nichtraucher-Jugendaufklärungsprogramme", aber gleichzeitig das Rauchen durch indirekte Werbeformen, die sich hauptsächlich an Jugendliche richten, fördert.

Ein Verbot der direkten und indirekten Werbung trägt nicht nur zur Reduzierung des Tabakkonsums bei, sondern lässt das Rauchen vor allem unter Jugendlichen als sozial weniger wünschenswertes Verhalten erscheinen und führt dazu, dass Nichtrauchen zunehmend zur akzeptierten Norm wird.

Zusätzlich zu diesen fachlichen Äußerungen wurden auch die rechtlichen Aspekte sowohl im nationalen als auch im EU-Bereich im Hinblick auf die Möglichkeiten von Werbeverboten durch die nationale Gesetzgebung überprüft und werden diese nach Einholung von Stellungnahmen der Fachabteilung 1 F - Verfassungsdienst und Zentrale Rechtsdienste bzw. der Fachabteilung 1 E - Europa und Außenbeziehungen wie folgt dargestellt:

Aus europarechtlicher Sicht:
Es sind in beiden Bereichen weitgehende Werbeverbote europarechtlich zulässig. Für den Bereich Tabakwerbung gibt es eine eigene Richtlinie über Werbeverbote, darüber hinausgehende Verbote dürften auf keine europarechtlichen Hindernisse stoßen.

Der Bereich Alkoholwerbung ist diffiziler. Hierzu gibt es keinen eigenen Rechtsakt, allerdings Orientierungen in Form von Urteilen des Europäischen Gerichtshofs. Demnach sind Werbeverbote zulässig, wenn sie in nachvollziehbarer Weise dem Gesundheitsschutz dienen und nicht unverhältnismäßig sind.

Erläuterungen:

1. Werbeverbot für Tabakerzeugnisse

Für diesen Bereich gibt es eine zentrale europarechtliche Rechtsquelle - die Richtlinie "2003/33/EG zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über Werbung und Sponsoring zugunsten von Tabakerzeugnissen."
Diese Richtlinie wurde in Österreich umgesetzt mit der Novelle zum Tabakgesetz 2004. Mit dieser Bestimmung wird Werbung für Tabakprodukte in den Bereichen
a) Presse und anderen gedruckten Veröffentlichungen,
b) im Hörfunk,
c) über Dienste der Informationsgesellschaft und
d) durch Sponsoring in Verbindung mit Tabakerzeugnissen, einschließlich der kostenlosen Verteilung von Tabakerzeugnissen
grundsätzlich verboten (ausgenommen sind etwa Tabak-Fachzeitschriften).
Darüber hinaus verbietet die Richtlinie "89/552/EWG zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Ausübung der Fernsehtätigkeit" Fernsehwerbung für Tabakerzeugnisse. Darüber hinaus gehende Verbote für Werbung sind aus europarechtlicher Sicht grundsätzlich zulässig.

In der "Empfehlung des Rates vom 2. Dezember 2002 zur Prävention des Rauchens und für
Maßnahmen zur gezielteren Eindämmung des Tabakkonsums", ABl. Nr. L 22 vom 25.1.2003 fordert der Rat die Mitgliedstaaten sogar dazu auf, "jede (…) Form von Reklame, Sponsoring oder von Praktiken, mit denen direkt oder indirekt für Tabakerzeugnisse geworben wird" zu verbieten (Pkt. 2 f). Genannt werden hierin insbesondere Werbung durch Plakatwände oder Kinowerbung, die Verbreitung von Werbeartikeln, etc.
Daher lässt sich für den Bereich des Werbeverbots für Tabakerzeugnisse festhalten, dass weitergehende Maßnahmen im Werbeverbot - solange diese in- und ausländische Unternehmen und Produkte in gleicher Weise betreffen - jedenfalls möglich sind.

2. Werbeverbot für alkoholische Getränke

Für die Werbung im Bereich alkoholischer Getränke gibt es keine eigene europäische Rechtsgrundlage. Allerdings regelt die oben schon angesprochene Richtlinie 89/552/EWG auch die Fernsehwerbung für alkoholische Getränke.
Die EU setzt in diesem Bereich vorwiegend auf Selbstregulierung. Ziel auf EU-Ebene ist es, mit Vertretern aus einer Reihe von Sektoren (Gaststätten, Einzelhändler, Hersteller, Medien, Werbung) einen Verhaltenskodex für die Werbung zu vereinbaren, der auf einzelstaatlicher und auf EU-Ebene implementiert werden kann. Zu diesem Zweck wurde im Herbst des letzten Jahres ein Konsultationsprozess in Gang gesetzt (initiiert durch die Kommissionsmitteilung "Eine EU-Strategiezur Unterstützung der Mitgliedstaaten bei der Verringerung alkoholbedingter Schäden"). Daneben gibt es allerdings auch die Möglichkeit, auf staatlicher Ebene Werbeverbote festzulegen.
 
Derartige Verbotsregelungen einzelner Mitgliedstaaten sind bereits Gegenstand von Urteilen des Europäischen Gerichtshofes1 gewesen. Die Ergebnisse der Judikatur können im Überblick wie folgt zusammengefasst werden:
Da es keine grundsätzliche europarechtliche Harmonisierung im Bereich der Alkoholwerbung gibt, sind einzelstaatliche Maßnahmen mit dem Zweck Gesundheitsschutz grundsätzlich zulässig. Entscheidend ist dabei, dass es zu keinerlei Ungleichbehandlung zwischen in- und ausländischer Produktion kommt und dass die Maßnahme nicht "unverhältnismäßig" ist (es ist also zu prüfen und zu begründen, ob es nicht ausreichend wäre, ein Werbeverbot nur für hochprozentige alkoholische Getränke einzuführen, Werbeverbote nur in Schulnähe einzuführen etc.). Allerdings gesteht der EuGH den Mitgliedstaaten in diesem Bereich ein weites Ermessen zu, so dass ein auch weitgehendes Verbot der Alkoholwerbung, wenn es aus Gründen des Gesundheitsschutzes untermauert werden kann, zulässig ist.

Aus nationaler Sicht:
Die Möglichkeit, im Bereich "generelles Werbeverbot für alkoholische Getränke und Tabakerzeugnisse" nationale Gesetze zu erlassen oder einschlägig bestehende Regelungen zu verändern, hängt von mehreren Faktoren ab.

Auch kommerzielle Werbung ist vom Schutzbereich des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Grundrechts auf Freiheit der Meinungsäußerung umfasst (Art. 17 Staatsgrundgesetz 1867 über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger und Artikel 10 Europäische Menschenrechtskonvention). Dieses Grundrecht steht unter Gesetzesvorbehalt, d.h. dass Einschränkungen durch Gesetze getroffen werden müssen und nur zulässig sind, soweit dies zur Wahrung der in Art. 10 Abs. 2 MRK aufgezählten öffentlichen Interessen in einer demokratischen Gesellschaft notwendig ist.

In der österreichischen Rechtsordnung gibt es entsprechend den unterschiedlichen Schutzzwecken im Sinn des Art. 10 Abs. 2 MRK viele und sehr unterschiedliche gesetzliche Werbeeinschränkungen, die über die ganze Rechtsordnung verstreut sind. Überwiegend handelt es sich dabei um Bundesgesetze, es gibt aber auch landesgesetzliche Beschränkungen.

Werbeverbote lassen sich nicht generell einem bestimmten Kompetenztatbestand zuordnen. Ob dem Bund oder den Ländern die Gesetzgebungskompetenz zukommt, hängt davon ab, um welchen Schutzzweck es sich handelt. Bei einem generellen Werbeverbot für gesundheitsschädliche Produkte wie alkoholische Getränke und Tabakerzeugnisse ist wohl davon auszugehen, dass der in Art. 10 Abs. 2 MRK genannte Schutz der Gesundheit bezweckt wird. Das Gesundheitswesen ist nach Art. 10 Abs. 1 Z. 12 B-VG in Gesetzgebung und Vollziehung Bundessache.

Aus dem Gesagten folgt, dass gesetzliche Regelungen, mit denen ein generelles Werbeverbot für alkoholische Getränke und Tabakerzeugnisse verhängt wird, nur vom Bund erlassen und abgeändert werden können, soweit sie dem Schutz der Gesundheit dienen.

Zusammenfassend kann somit festgestellt werden, dass in beiden Bereichen Werbeverbote möglich und zulässig sind, die ebenso in beiden Bereichen nur vom Bund erlassen bzw. abgeändert werden können, soweit sie dem Schutz der Gesundheit dienen.

Angesichts der dargestellten fachlichen Äußerungen erscheint es zweckmäßig, ein entsprechendes Ersuchen an die Bundesregierung zu richten, um ein generelles Werbeverbot für Tabakerzeugnisse umzusetzen. Von der Forderung nach einem Werbeverbot für alkoholische Getränke sollte der fachlichen Äußerung folgend zugunsten zielführenderer Maßnahmen Abstand genommen werden.

Es wird daher der

Antrag

gestellt:

Der Landtag wolle beschließen:

Der Bericht des Ausschusses für Gesundheit zum Antrag, Einl.Zahl 704/1, der Abgeordneten Maga. Lackner, Schwarz, Zenz, Kröpfl und Maga. Drin. Schröck, betreffend ein generelles Werbeverbot für alkoholische Getränke und Tabakerzeugnisse, wird zur Kenntnis genommen.