LANDTAG STEIERMARK
XV. GESETZGEBUNGSPERIODE


EZ/OZ: 2028/1

Selbstständiger Antrag von Abgeordneten (§ 21 GeoLT)

eingebracht am 02.04.2008, 10:36:54


Landtagsabgeordnete(r): Ingrid Lechner-Sonnek (Grüne), Edith Zitz (Grüne), Lambert Schönleitner (Grüne)
Fraktion(en): Grüne
Zuständiger Ausschuss: -
Regierungsmitglied(er): Franz Voves

Betreff:
Ausschluss aus dem Gemeinderat: Verfassungskonforme Novellierung von § 59 Abs. 6 GemO

§ 59 Abs. 6 der Steiermärkischen Gemeindeordnung 1967 (GemO) lautet: "Der Gemeinderat kann bei Tagesordnungspunkten, die nicht öffentlich behandelt werden, außerdem die Vertraulichkeit der Beratung und Beschlussfassung beschließen. Dieses Recht steht auch dem Gemeindevorstand und den Ausschüssen zu. Wer diese Vertraulichkeit verletzt, kann vom Gemeinderat mit Zwei-Drittel-Mehrheit von der Teilnahme an den weiteren Sitzungen des Gemeinderates, des Gemeindevorstandes oder der Ausschüsse bis zu drei Monaten ausgeschlossen werden."

Mit Beschluss des Gemeinderates der Marktgemeinde Thal vom 30.1.2008 und einem darauf beruhenden Schreiben des Bürgermeisters vom 31.1.2008 wurden die GemeinderätInnen der Grünen, darunter auch der Gemeindekassier, gemäß § 59 Abs 6 GemO für die Dauer von drei Monaten, das ist der Zeitraum vom 1.2.2008 bis 1.5.2008, von den Sitzungen des Gemeinderates, des Gemeindevorstandes und sämtlicher Ausschüsse ausgeschlossen.

Durch diesen Beschluss des Gemeinderates und das als Bescheid zu qualifizierendes Schreiben des Bürgermeisters den Bescheid wurden die GemeinderätInnen in ihrem subjektiven Recht auf Mandatsausübung verletzt. Nach herrschender Lehre und Judikatur erschöpft sich das passive Wahlrecht eines Gemeinderatsmitgliedes nicht im Recht, gewählt zu werden, es schließt vielmehr auch das Recht ein, das Amt ungehindert auszuüben (vgl bspw VfSlg 3169/1957, 15.266/1998).

Zudem kollidiert der Ausschluss aus dem Gemeinderat mit anderen Bestimmungen der GemO. Der aus dem Gemeinderat ausgeschlossene Gemeindekassier ist gemeinsam mit dem Bürgermeister als Rechnungsleger gemäß § 88 Abs. 4 GemO verantwortlich für die ordnungsgemäße, d.h. auch fristgerechte Erstellung des Rechnungsabschlusses 2007. Dieser ist gemäß § 89 Abs. 6 GemO spätestens vier Monate nach Ablauf des Haushaltsjahres der Aufsichtsbehörde vorzulegen. Unter Berücksichtigung der im § 89 Abs. 5 festgelegten 14-tägigen öffentlichen Kundmachungsfrist ist der entsprechende Endbeschluss im Gemeinderat also spätestens am 17.4.2008, d.h. ca. 14 Tage vor Ablauf des Ausschlusses aus Gemeindevorstand und Gemeinderat, zu fassen. Ohne die Möglichkeit der Stellungnahme zum Rechnungsabschluss im Prüfungsausschuss, ohne die Möglichkeit der Teilnahme an der Vorberatung im Gemeindevorstand und ohne die Möglichkeit, dem Gemeinderat zum Zahlenwerk des Haushaltsjahres 2007 Rede und Antwort stehen zu können, kann der Gemeindekassier weder der Vorlage des Rechnungsabschlusses zustimmen noch seine diesbezüglich notwendige Unterschrift leisten. Da die GemO keinerlei Regelwerk kennt, den Rechnungsabschluss gemeinsam mit dem Gemeindekassier aus den Gremien auszuschließen und eine Beschlussfassung zeitlich nach hinten zu verschieben, kollidiert die Sanktionsbestimmung im § 59 Abs. 6 GemO mit den verfassungsmäßig gebotenen übergeordneten Interesse an einem ordnungsgemäßen Vollzug der gesetzlich vorgesehenen kommunalen Aufgabenerfüllung.

Es sei noch angemerkt, dass im konkreten Fall zu prüfen ist, ob der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt wurde. Der für den Ausschluss aus dem Gemeinderat, dem Gemeindevorstand und aller Ausschüsse vorgebrachte Grund eines Bruches der Vertraulichkeit beinhaltet die bloße Wiedergabe eines Abstimmungsergebnisses im Gemeinderat, die überdies nicht einer bestimmten Person der Fraktion zugeordnet werden konnte und folglich die gesamte Fraktion ausgeschlossen wurde. Es stellt sich die Frage, ob überhaupt ein Vertraulichkeitsbruch vorliegt, wenn keinerlei inhaltliche Fakten (etwa datenschutzrelevante Fakten oder solche, die einen Nachteil für eine Partei oder die Kommune erwarten lassen) wiedergegeben wurden. Selbst wenn man eine Verletzung der Vertraulichkeit annimmt, so ist die Sanktion mit Sicherheit überschießend. Eine teleologische Interptretation von § 59 Abs. 6 GemO legt nahe, dass sich der Ausschluss auf das jeweilige Organ beziehen soll, in dem die Verletzung der Vertraulichkeit stattgefunden hat. Indem der Gemeinderat der Marktgemeinde Thal die gesamte Fraktion sowohl von den Sitzungen des Gemeinderates, des Gemeindevorstandes und sämtlicher Ausschüsse in Ausschöpfung des höchstzulässigen Zeitraumes von drei Monaten ausgeschlossen hat, verletzt die verhängte Sanktion den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.

Aus den angeführten Gründen soll die Sanktion des Ausschlusses aus dem Gemeinderat, dem Gemeindevorstand und den Ausschüssen ersatzlos gestrichen werden. Die Mitglieder des Gemeinderates unterliegen ohnehin den datenschutzrechtlichen Bestimmungen und sind auch zivilrechtlich haftbar, sodass darüber hinausgehende Sanktionen weder notwendig, noch demokratiepolitisch vertretbar sind. Überdies dürfte die Sanktion auch verfassungswidrig sein.

Das Recht auf Teilnahme an den Sitzungen ist Ausfluss des verfassungsgesetzlich gewährleisteten passiven Wahlrechts jedes Gemeinderatsmitgliedes und darf aufgrund der verfassungsgesetzlichen Homogenitätsverpflichtung, die bezüglich der Sicherung gemeinsamer bundesverfassungsrechtlicher Grundmerkmale der Wahlordnung für den Nationalrat, die Landtage und die Gemeinderäte besteht, durch den Landesgesetzgeber nicht enger gestaltet werden als letztlich für den Nationalrat (vgl Art. 95 Abs. 2, Art. 117 Abs. 2 B-VG). Der VfGH versteht in seiner Judikatur den Begriff der "Wahlordnung" in einem weiteren Sinn als alle gesetzlichen Regelungen, die die Bedingungen des aktiven und passiven Wahlrechtes festsetzen (vgl VfSlg 6106/1969). Daher sind die Vorschriften über die Mandatsausübung im Gemeinderat an den Bedingungen zu messen, den Verfassung und Gesetz für die Ausübung des Mandates im Nationalrat bestimmen. Finden sich demnach weder in den wahlrechtlichen noch in den geschäftsordnungsrechtlichen Bestimmungen betreffend die Ausübung der Mitgliedschaft im Nationalrat eine Bestimmung, die eine Sistierung des Mandates für die Dauer eines bestimmten Sachverhaltes oder den Ausschluss von einzelnen Sitzungen des Vertretungskörpers aus bestimmten Gründen erlaubt, dann ist auch der Ausschluss eines Mitgliedes des Gemeinderates von der Teilnahme an Gemeinderatssitzungen aus den genannten Gründen unzulässig. Da der Ausschluss von der Sitzung als Disziplinarmittel nach der Geschäftsordnung des Nationalrates nicht vorgesehen ist, werden durch die GemO Bedingungen des zum passiven Wahlrechts zählenden Rechts auf Mandatsausübung entgegen den Vorschriften der Art. 95 Abs. 2 und Art. 117 Abs. 2 B-VG zu eng gezogen und sind deshalb verfassungswidrig. Ein darauf basierender tatsächlicher Ausschluss aus der Sitzung verletzt Gemeinderätinnen in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten passiven Wahlrecht (vgl VfSlg 6106 und 6110/1969).

Es wird daher der

Antrag

gestellt:

Der Landtag wolle beschließen:

Gesetz vom     , mit dem § 59 des Gesetzes vom 14. Juni 1967, LGBl. Nr. 115, mit dem für die Gemeinden des Landes Steiermark mit Ausnahme der Städte mit eigenem Statut eine Gemeindeordnung erlassen wird (Steiermärkische Gemeindeordnung 1967 - GemO), novelliert wird.

Der Steiermärkische Landtag hat beschlossen:
 
Artikel I
 
Die Steiermärkische Gemeindeordnung 1967, LGBl. Nr. 115/1967, in der Fassung LGBl. Nr. 49/2004, wird wie folgt geändert:
 
1. § 59 Abs. 6 dritter Satz entfällt.
Artikel II
 
Dieses Gesetz tritt mit dem auf seine Kundmachung folgenden Monatsersten in Kraft.


Unterschrift(en):
Ingrid Lechner-Sonnek (Grüne), Edith Zitz (Grüne), Lambert Schönleitner (Grüne)