LANDTAG STEIERMARK
XV. GESETZGEBUNGSPERIODE


EZ/OZ: 2068/1

Selbstständiger Antrag von Abgeordneten (§ 21 GeoLT)

eingebracht am 16.04.2008, 08:52:38


Landtagsabgeordnete(r): Gabriele Kolar (SPÖ), Ursula Lackner (SPÖ), Johannes Schwarz (SPÖ), Detlef Gruber (SPÖ), Andrea Gessl-Ranftl (SPÖ), Gerhard Rupp (SPÖ), Waltraud Bachmaier-Geltewa (SPÖ), Walter Kröpfl (SPÖ), Wolfgang Böhmer (SPÖ), Ewald Persch (SPÖ), Martina Schröck (SPÖ), Klaus Zenz (SPÖ)
Fraktion(en): SPÖ
Zuständiger Ausschuss: -
Regierungsmitglied(er): Helmut Hirt

Betreff:
Einrichtung einer Drogentherapeutischen Anlaufstelle (DTA) als Pilotprojekt in Graz

Es gibt verschiedenste Formen von Suchtmitteln und deren Konsum sowie verschiedene Formen und Stadien von Suchterkrankungen. Grundsätzlich läuft jeder Mensch, der Suchtmittel zu sich nimmt, Gefahr von diesen abhängig zu werden. Bei den meisten Menschen bleibt es jedoch beim "Probierkonsum". Die Grenze zwischen Genuss und Abhängigkeit wird leicht überschritten. Gesellschaft und Politik sind gefordert, dieser drohenden Grenzüberschreitung couragiert und mit Augenmass zu begegnen. Es geht darum eine kluge Balance zu finden, um jedem/r Einzelnen die Verantwortung für den Konsum von Suchtmitteln zu geben und ihn/sie gleichzeitig nicht sorglos dem Sog der Abhängigkeit zu überlassen.

Die Europäische Union hält unter anderem in ihrer Drogenstrategie für den Zeitraum 2005 bis 2012 Folgendes fest:

"Ziel der Drogenstrategie ist es, das Wohl der Gesellschaft und des Einzelnen zu wahren und zu steigern, die Volksgesundheit zu schützen, der Öffentlichkeit ein hohes Maß an Sicherheit zu bieten und das Drogenproblem mit einem ausgewogenen, integrierten Konzept anzugehen. Die EU ist bestrebt, ein hohes Maß an Gesundheitsschutz, Wohlergehen und sozialem Zusammenhalt zu garantieren, indem sie die Maßnahmen der Mitgliedsstaaten zur Vermeidung bzw. Verringerung des Drogenkonsums, der Drogenabhängigkeit sowie der drogenbedingten Gesundheitsschäden und Risiken für die Gesellschaft ergänzt.
Eine Verbesserung des Zugangs zu Leistungen zur Prävention und Behandlung von HIV/AIDS, Hepatitis, sonstigen Infektionen, Krankheiten, drogenbedingten Gesundheitsschäden und sozialen Problemen, wird angestrebt."
 
Zusätzlich zu den bereits bestehenden Beratungs- und Betreuungsangeboten in der Steiermark gibt es als weitere Möglichkeit Konzepte zur Errichtung einer so genannten "Drogentherapeutischen Anlaufstelle" in Graz. Für eine bestimmte und klar definierte Gruppe von Drogenabhängigen könnte auf diese Weise ein niederschwelliger Zugang zu einer medizinischen, sozialarbeiterischen und psychosozialen Betreuung erleichtert werden.
 
Derzeit gibt es in der EU (Deutschland, Luxemburg, Spanien, Niederlande etc.) und in der Schweiz 75 Konsumräume, wobei aus allen Studien und Evaluierungen (z. B. jene Studie zu Konsumräumen vom renommierten Wiener Suchtforscher Alfred Springer, die im Auftrag des Fonds Soziales Wien vom Ludwig Boltzmann Institut 2003 erstellt wurde) hervorgeht, dass die Einrichtungen von den Zielpersonen angenommen werden und eine gute Auslastung vorliegt. Die Möglichkeit steriles Besteck zur Verfügung zu haben, gute Beratungsangebote vor Ort zu erhalten und einen sozialen Treffpunkt zu haben, werden dabei als Gründe für die Annahme der Konsumräume bei den Betroffenen genannt. Zudem können über den niederschwelligen Konsumraum KlientInnen erreicht werden, die sonst keine Behandlung bekommen.

Die Einrichtung einer Drogentherapeutischen Anlaufstelle ist eine Möglichkeit zur Erweiterung des Drogenhilfesystems, um Schwerstabhängigen Überlebenshilfe zu geben, schadensbegrenzend zu wirken und ausstiegsfördernd tätig zu werden. Es wird die soziale Belastung und gesundheitliche Gefährdung von AnrainerInnen verringert und Schwerstabhängigen die notwendige Hilfe für einen Weg zurück in ein menschenwürdiges Leben ermöglicht.
 
Wichtig für das gute Funktionieren einer solchen Anlaufstelle ist eine gute Kooperation zwischen ExpertInnen, Politik, AnrainerInnen, den involvierten Behörden und natürlich auch der Exekutive. Es hat sich in anderen Ländern gezeigt, dass beispielsweise alle Beteiligten den Austausch in regelmäßigen Informationsrunden begrüßen. Die Erfahrungen von Einrichtungen in anderen Ländern zeigen auch, dass die Kooperation mit lokalen Behörden und der Polizei durchwegs positiv ist (So haben z. B. in Hannover 98% der Befragten keine negative Erfahrung mit den AnrainerInnen gemacht, 94% der NutzerInnen zudem gute Erfahrungen mit der Polizei angeführt) und zur gesellschaftlichen Integration der Süchtigen beiträgt.

Nach Schätzungen ist im Großraum Graz derzeit mit etwa 1.500 bis 2.000 DrogenkonsumentInnen zu rechnen, die regelmäßig intravenös Drogen konsumieren. Diese Konsumvorgänge passieren, wie aus Spritzenfunden, Berichten und Befragungen hervorgeht, teils im öffentlichen, teils im privaten Raum unter unhygienischen und damit unter riskanten Bedingungen.

Es liegt nun ein sehr ambitioniertes Konzept des Drogenkoordinators der Stadt Graz vor, das hier einen weiteren Schritt setzen will.

Aus Evaluationsberichten in anderen Ländern mit derartigen Einrichtungen geht hervor, dass Konsumräume nicht "isoliert" arbeiten sollten, sondern in eine möglichst umfassende - niederschwellige Suchthilfe integriert sein sollten.
  
Im Kontaktladen und Streetwork im Drogenbereich, Orpheumgasse 8(http://streetwork.caritas-graz.at) werden derzeit Bedürfnisse der Abhängigen rund um das Konsumgeschehen, wie Spritzentausch, medizinische, drogenkonsumationsbezogene und soziale Beratung, Körperpflege, Essen, u. a. m., abgedeckt. Der Kontaktladen bietet außerdem schon bisher niederschwellige Angebote (Spritzentausch, Ausstiegshilfen, ärztliche Hilfen, Konsumberatungen usw.), die Mitarbeiter haben bereits Erfahrungen mit der Zielgruppe und auch die notwendigen Raumressourcen sind vorhanden.

Zielgruppe sollen jene Menschen sein, die eine Abhängigkeit von illegalisierten Substanzen und Medikamenten (vorrangig Substitutionsmedikamente und Benzodiazepine) entwickelt haben und vorrangig ein intravenöses Konsummuster aufweisen. GelegenheitskonsumtInnen oder erstmalige DrogenkonsumentInnen werden ausgeschlossen.

Als Ziele einer Drogentherapeutischen Anlaufstelle sind in diesem Konzept vor allem der Bereich Gesundheitsförderung und verbesserter Zugang zu medizinischer Behandlung und Weitervermittlung, die Notfallprophylaxe und die Entlastung des öffentlichen Raums definiert.  

Da die Implantierung dieser Drogentherapeutischen Anlaufstelle einen weiteren innovativen Schritt einer verantwortungsbewussten steirischen Drogenpolitik darstellt und keine vergleichbaren Projekte in Österreich bekannt sind, soll diese Anlaufstelle als Pilotprojekt im Sinn des Konzeptes in der Stadt Graz umgesetzt werden.

Es wird daher der

Antrag

gestellt:

Der Landtag wolle beschließen:

1.      Der Landtag Steiermark bekennt sich zur Umsetzung des Konzeptes einer Drogentherapeutischen Anlaufstelle in Graz unter folgenden Voraussetzungen:
  • Gewährleistung einer sofort einsatzfähigen medizinischen Notfallversorgung\;
  • medizinische Beratung und Hilfe zum Zweck der Risikominimierung beim Verbrauch der von Abhängigen mitgeführten Betäubungsmittel\;
  • Vermittlung von weiterführenden und ausstiegsorientierten Angeboten der Beratung und Therapie\;
  • erforderliche Formen der Zusammenarbeit mit den für die öffentliche Sicherheit und Ordnung zuständigen örtlichen Behörden, um Straftaten einerseits  zu verhindern und andererseits das gegenseitige Problembewusstsein zu verbessern\;
  • wissenschaftliche Begleitung des Projektes sowie
  • Vorlage eines Berichtes an den Landtag über die Dokumentation und Evaluation der Arbeit in der Drogentherapeutischen Anlaufstelle nach einer einjährigen Pilotphase.

2.      Die Steiermärkische Landesregierung wird aufgefordert zu prüfen, in welchem  Ausmaß das Pilotprojekt "Drogentherapeutische Anlaufstelle in Graz" seitens des Landes unterstützt werden kann und dem Landtag darüber zu berichten.


Unterschrift(en):
Gabriele Kolar (SPÖ), Ursula Lackner (SPÖ), Johannes Schwarz (SPÖ), Detlef Gruber (SPÖ), Andrea Gessl-Ranftl (SPÖ), Gerhard Rupp (SPÖ), Waltraud Bachmaier-Geltewa (SPÖ), Walter Kröpfl (SPÖ), Wolfgang Böhmer (SPÖ), Ewald Persch (SPÖ), Martina Schröck (SPÖ), Klaus Zenz (SPÖ)