EZ/OZ: 2034/1
Regierungsvorlage
eingebracht am 03.04.2008, 00:00:00
Geschäftszahl(en): LAD-05.00-778/2006-8
Zuständiger Ausschuss: -
Regierungsmitglied(er): Franz Voves
Betreff:
Beschluss Nr. 768, Einl.Zahl 873/14, vom 18. September 2007 betreffend Maßnahmen im Bereich schlagender Verbindungen
Der Landtag Steiermark hat mit Beschluss Nr. 768, Einl.Zahl 873/14, vom 18. September 2007 die Steiermärkische Landesregierung aufgefordert,
a) in ihrem eigenen Zuständigkeitsbereich im rechtlichen und faktischen Umgang mit schlagenden Verbindungen folgende Punkte umzusetzen und dem Landtag Steiermark darüber zu berichten sowie
b) an die Bundesregierung mit dem dringenden Ersuchen heranzutreten, im rechtlichen und faktischen Umgang mit schlagenden Verbindungen folgende Punkte umzusetzen und dem Landtag Steiermark darüber zu berichten:
1. Für den umfassenden Themenbereich Verbot schlagender Verbindungen sind Verantwortlichkeiten festzulegen und budgetäre Vorsorgemaßnahmen zu treffen\; gefordert sind dazu Verantwortliche auf allen Ebenen, von der kommunalen Ebene bis zur Europäischen Union.
2. Eine umfassende humanistische Bildung der Kinder und Jugendlichen ist anzustreben.
3. In Unterrichtsfächern wie Politische Bildung, Geschichte und Sozialkunde, Sachunterricht, Soziales Lernen etc. sind menschenrechtliche Wertbilder zu vermitteln, die den Respekt vor der/dem Anderen als höchstes Gut beachten.
4. Ein Überblick über die Thematik in Form von Dokumentationen, Studien, wissenschaftlichen Broschüren erscheint notwendig.
5. Demokratieverständnis, Toleranz und Respekt sind vermehrt zu schulen.
6. Interkulturelle Jugendarbeit ist vermehrt anzubieten (muttersprachliche JugendarbeiterInnen, Ausbildung).
7. Organisationen mit Schwerpunkt Integration und MigrantInnenbetreuung sind in diese Thematik miteinzubeziehen.
8. Alternative erlebnisorientierte Freizeitaktivitäten sind vermehrt anzubieten.
9. Regionale (demokratie-, respekt-, toleranzfördernde) Projekte sind zu unterstützen.
10. Reflexion von eigenen Vorurteilen, Auseinandersetzung mit der eigenen Identität und Gruppenzugehörigkeit, sowie ein differenziertes Verständnis von Vielfalt und einen Einblick in die Grundlagen des Gleichbehandlungsgesetzes sind (in Seminaren und/oder Workshops) zu vermitteln.
11. Maßnahmen, die die Würde einzelner Menschen und/oder Personengruppen verletzen, sind abzulehnen.
12. Im Einklang mit der Schutzwürdigkeit von Kindern und Jugendlichen ist ein Verbot der Mitgliederrekrutierung unter Minderjährigen für schlagende Burschenschaften zu prüfen und gegebenenfalls umzusetzen.
13. Ausstiegshilfen für Mitglieder in schlagenden Burschenschaften sind anzubieten.
14. Eine vermehrte Sensibilisierung von KulturveranstalterInnen in Bezug auf radikale Musikgruppen und Musiktexte ist anzustreben.
15. Seminare und Schulungen (Bewusstseinsbildung und/oder Handlungsoptionen im Umgang mit rechten oder gewaltbereiten Jugendlichen) für MultiplikatorInnen, Eltern und Gemeindeverantwortliche sind vermehrt anzubieten.
16. Eine Vernetzung von verschiedensten Einrichtungen (Schule, Eltern, außerschulische Jugendarbeit, Exekutive, Soziales) ist anzustreben\;
17. Gezielte, demokratiefördernde Allianzen mit großen Organisationen sind umzusetzen.
18. Die Vorbildwirkung der "erziehenden Generation" muss bewusst gemacht werden.
19. Ein abgestimmtes, gemeinsames Vorgehen ist punktuellen, vereinzelten Maßnahmen vorzuziehen.
Dieser Landtagsbeschluss wurde Herrn Landeshauptmann Mag. Voves, Frau Landesrätin Dr. Vollath, Herrn Erstem Landeshauptmannstellvertreter Schützenhöfer, Herrn Zweitem Landeshauptmannstellvertreter Dr. Flecker und Frau Landesrätin Mag. Edlinger-Ploder zur weiteren Veranlassung übermittelt.
Dazu wird Folgendes mitgeteilt:
Mit Schreiben der Landesamtsdirektion vom 25. Oktober 2007 an die Büros der oa. Regierungsmitglieder wurde ersucht, der Aufforderung des Landtages Steiermark gemäß lit. a) des oa. Landtagsbeschlusses hinsichtlich der Umsetzung der Punkte 1. - 19. und der Berichterstattung an den Landtag Steiermark für den jeweiligen Zuständigkeitsbereich eines jeden angesprochenen Ressorts gesondert zu entsprechen.
In Entsprechung von lit. b) des oa. Landtagsbeschlusses wurde von der Landesregierung am 5. November 2007 der Beschluss gefasst, ein Schreiben an Herrn Bundeskanzler Dr. Alfred Gusenbauer zu richten.
Bundeskanzler Dr. Gusenbauer hat mit Schreiben vom 20. Februar 2008 mitgeteilt, dass sich auf Grundlage der bei den zuständigen Bundesministerien eingeholten Stellungnahmen nachfolgende Antwort ergibt:
"Was den Bereich der schulischen Bildung und Ausbildung betrifft, ist zunächst festzuhalten, dass bereits im "Zielparagrafen" des § 2 des Schulorganisationsgesetzes über die Aufgabe der österreichischen Schule festgeschrieben ist, die jungen Menschen in der Schule zu selbständigem Urteil und sozialem Verständnis zu führen. Sie sollen befähigt werden, dem politischen und weltanschaulichen Denken anderer aufgeschlossen gegenüberzustehen sowie am Wirtschaft- und Kulturleben Österreichs, Europas und der Welt Anteil zu nehmen und in Freiheits- und Friedensliebe an den gemeinsamen Aufgaben der Menschheit mitwirken. Dialogfähigkeit und demokratisches Engagement als Beitrag zur Stabilität pluralistischer und demokratischer Gesellschaften gehören zu den unverzichtbaren Kompetenzen, die in der Schule vermittelt werden sollen. Damit trägt der Unterricht der politischen Bildung aktiv zu einer den Menschenrechten verpflichteten Demokratie bei.
Neben den durch die schulrechtlichen Bestimmungen gegebenen formalen Rahmenbedingungen wird die demokratische Mitwirkung an der Gesellschaft sowie die Respektierung und Förderung der Menschenrechte als durchgängige Zielsetzung des Unterrichtsprinzips "Politische Bildung" und Inhalt der einschlägigen Unterrichtsgegenstände vom Bundesministerium für Unterreicht, Kunst und Kultur gemeinsam mit seinen Serviceeinrichtungen durch ein umfangreiches Serviceangebot für Lehrkräfte unterstützt (siehe www.politik-lernen.at und www.politische-bildung.schule.at).
Um die demokratiepolitische Bildung weiterzuentwickeln und noch stärker zu fördern, wird 2007/2008 mit der Demokratie-Initiative der österreichischen Bundesregierung (siehe www.entscheidend-bist-du.at) ein starker Akzent für die politische Bildung gesetzt. Alle Entscheidungsträger, die Schulpartner sowie die Akteure der politischen Bildung ebenso wie die Medien sind eingeladen und aufgefordert, diese Initiative in ihrem Bereich zu unterstützen und weiter zu tragen. Die Initiative umfasst bundesweite Informations- und Beteiligungsangebote, Maßnahmen zur Professionalisierung der Lehrkräfte und Bewusstseinsbildungsmaßnahmen (etwa im Rahmen der "Aktionstage Politische Bildung"). Darüber hinaus ermöglicht die Initiative auch die Förderung einzelner Schulprojekte (siehe www.politik-lernen.at/fonds), die z.B. die kritische Auseinandersetzung mit dem Thema "schlagende Verbindungen" zum Gegenstand haben können.
In den Lehrplänen der allgemein bildenden und berufsbildenden Schulen wird durchgängig (als "Querschnittsmaterie" und konkret in einzelnen Unterrichtsgegenständen) das Hinführen der Schülerinnen und Schüler insbesondere zu Demokratieverständnis, Toleranz, Kritikfähigkeit, sozialem Engagement und Eigenverantwortlichkeit festgeschrieben, beginnend mit dem allgemeinen Bildungsziel, welches die Hinführung zu Weltoffenheit und Toleranz unter Wahrung der Werte der Demokratie verankert sowie die Mitwirkung am öffentlichen Geschehen und die Bereitschaft zur Mit- und Selbstbestimmung in der Demokratie als Ziel festlegt, über die an die Lehrerinnen und Lehrer gerichteten allgemeinen didaktischen Grundsätze, welche diesem Ziel förderliche Methoden und Möglichkeiten der Unterrichtsgestaltung fordern, bis hin zu den entsprechenden Themenfeldern bzw. Schwerpunkten einzelner Unterrichtsgegenstände. Diese sind vor allem in "Geschichte und Sozialkunde/Politische Bildung" (AHS) sowie z.B. in "Geschichte und Politische Bildung", "Geschichte und Kultur" sowie in "Politische Bildung und Recht" (BMS, BMHS) verankert, aber auch in den diversen Sprachgegenständen.
Je nach Schulart bzw. Schulform und regionalen Gegebenheiten werden an vielen Standorten einschlägige Projekte durchgeführt, beispielhaft zu geschichtlichen, sozialen oder interkulturellen Themenstellungen. Der Themenbereich "Interkulturelles Lernen" ist seit den frühen Neunziger Jahren des vorigen Jahrhunderts als Unterrichtsprinzip in den Lehrplänen der allgemein bildenden Pflichtschulen und der allgemein bildenden höheren Schulen verankert.
Um die Lehrerinnen und Lehrer bei der praktischen Umsetzung dieses Unterrichtsprinzips zu unterstützen, werden seitens des Bundesministeriums für Unterricht, Kunst und Kultur auf Wunsch Workshops für Multiplikatoren abgehalten sowie entsprechende Fortbildungsveranstaltungen mit gestaltet.
Darüber hinaus wurde im Jahr 2005 die Website www.projekte-interkulturell.at eingerichtet, um good-practice-Beispiele zu dokumentieren und Lehrkräfte zur Verwirklichung ähnlicher Vorhaben zu ermutigen. Die bereits zwei Mal durchgeführte Ausschreibung "Interkulturalität und Mehrsprachigkeit - eine Chance!", an der sich zahlreiche Schulen beteiligten, unterstützt die von einer Fachjury ausgewählten Konzepte mit einem Betrag von bis zu 700 Euro. Die Projektberichte werden ebenfalls auf der genannten Website veröffentlicht.
Im Bereich der Kultur sei auf die Rolle der Bundesmuseen als außerschulische Bildungseinrichtungen hingewiesen. Im Zuge der derzeit stattfindenden Diskussion um eine Präzisierung der Aufgaben der Bundesmuseen soll verstärkt auf die Vermittlungsprogramme speziell für Kinder und Jugendliche eingegangen werden, um den jungen Menschen auf diese Weise in Ergänzung zum Schulunterricht ein umfassendes Bild von den kulturellen Werten unserer Gesellschaft vermitteln zu können.
Das Bundesministerium für Gesundheit, Familie und Jugend hat für die Jahre 2007 und 2008 "Chancengleichheit" als einen der drei Schwerpunkte zur Jugendförderung gesetzt. Durch diese Schwerpunktsetzung sollen im "Europäischen Jahr des interkulturellen Dialogs" (2008) die im "Europäischen Jahr der Chancengleichheit für alle" (2007) begonnenen Initiativen fortgeführt und vertieft werden.
Gezielte demokratiefördernde Projekte und Maßnahmen werden in enger Kooperation mit anderen Behörden bzw. relevanten Organisationen entwickelt und durchgeführt, wie mit den Landesjugendreferaten der Bundesländer, dem Netzwerk der offenen Jugendarbeit, den Jugendinformationsstellen der Bundesländer, mit der Österreichischen Bundesjugendvertretung und/oder mit entsprechenden Organisationen mit Schwerpunkt Integration. Ausbildungen und Schulungen, wie z.B. Berufsorientierungscoaching speziell für jugendliche Migranten und Modellprojekte mit Schwerpunkt Integration wurden und werden in Kooperation mit den relevanten Einrichtungen durchgeführt (z.B. Projekt "Fatima" - Mädchenqualifizierungsoffensive für junge Muslime).
Auf dem nationalen Jugendportal, www.jugendinfo.at, finden sich zahlreiche Informationen zum Thema Antidiskriminierung, Gleichbehandlung, Chancengleichheit, usw.
Im Rahmen der vom Bundesministerium für Gesundheit, Familie und Jugend eingerichteten Plattform gegen die Gewalt setzen sich Vernetzungsträger mit dem Thema "Jugend und Gewalt" auseinander und berücksichtigen dabei die soziodemographischen Faktoren von Jugendlichen - insbesondere von Geschlecht, ethnischer Herkunft (Migrationshintergrund), Alter und sozialer Herkunft.
Zum einen widmet sich die Tätigkeit im Rahmen der Plattform der Analyse, Bewertung und Interpretation von Ursachen und Auswirkungen von Gewalt im Kontext von Jugend, zum anderen geht es um die Entwicklung von Maßnahmen und Umsetzung derselben - meist in Form von Projekten - sowohl regional als auch national.
Ziel der Bestrebungen sind themenbezogene Informationsvermittlung und Aufklärung, Sensibilisierung und Bewusstseinsbildung und allgemeine Meinungsbildung. Mittel zur Zielerreichung bilden unter anderem: Schaffung, Ausbau und Betreuung von Vernetzungsstrukturen, Durchführung von Fortbildungsveranstaltungen und die Initiierung von Forschung. Zielgruppe der Vernetzungsaktivität und daraus resultierender Projekte sind Jugendliche, Menschen, die mit Jugendlichen arbeiten, Multiplikatoren, allgemeine Öffentlichkeit und die Politik.
Zur Umsetzung des EU-Weißbruchs Jugend wurde im Rahmen eines strukturierten Dialogs eine Strategiegruppe ins Leben gerufen, in der die relevanten Basis-Netzwerke, so etwa auch die Bundesjugendvertretung (BJV), Mitglied sind.
Das EU-Programm "Jugend in Aktion" leistet einen wichtigen Beitrag zur Bekämpfung und Verhinderung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit. Für den Zeitraum 2007-2013 ist es EU-weit mit 885 Millionen Euro dotiert. Das neue Programm wird in Österreich von einer Nationalagentur, dem Interkulturellen Zentrum, implementiert und umgesetzt. Mit den fünf Aktionslinien werden Begegnungen von Jugendgruppen, der Europäische Freiwilligendienst, Kooperationen mit Drittstaaten und der restlichen Welt, Trainings für Jugendleiter und Multiplikatoren, sowie der Dialog zwischen Jugendlichen und Entscheidungsträgern auf europäischer, nationaler und lokaler Ebene gefördert. Neben der Förderung einer europäischen Bürgerschaft unter den Jugendlichen Europas, soll das Programm zur Stärkung sozialer Kohäsion, zur Toleranz und gegenseitigem Verständnis und zum Abbau von Diskriminierungen jeglicher Art beitragen. Jugendliche werden eingeladen, aktiv an den Prozessen der Zivilgesellschaft teilzunehmen. "Jugend in Aktion" ist somit ein wichtiges Instrument zur Unterstützung der Jugendpolitik Europas. In Österreich wurden 2007 in fünf Antragsrunden mehr als 270 Projekte eingereicht, wovon 189 gefördert wurden.
Ein allfälliges Verbot schlagender Verbindungen ist jedoch im Hinblick auf die verfassungsrechtlich garantierte Vereinsfreiheit nur in Ausnahmefällen möglich, etwa wenn der Verein gegen strafgesetzliche und verbotsgesetzliche Bestimmungen verstößt. Auch allfällige jugendschutzrechtliche Bestimmungen, deren Erlassung im Übrigen Landessache ist, dürfen nur unter Beachtung dieses Grundrechts getroffen werden."
Beschluss der Steiermärkischen Landesregierung vom 31. März 2008.
Es wird daher der
Antrag
gestellt:
Der Landtag wolle beschließen:
Der Bericht der Steiermärkischen Landesregierung zu lit. b) des Landtagsbeschlusses Nr. 768, Einl.Zahl 873/14, betreffend Maßnahmen im Bereich schlagender Verbindungen wird zur Kenntnis genommen.