LANDTAG STEIERMARK
XV. GESETZGEBUNGSPERIODE


EZ/OZ: 1993/1

Selbstständiger Antrag von Abgeordneten (§ 21 GeoLT)

eingebracht am 25.03.2008, 09:39:07


Landtagsabgeordnete(r): Walter Kröpfl (SPÖ), Karl Petinger (SPÖ), Werner Breithuber (SPÖ), Klaus Konrad (SPÖ), Ewald Persch (SPÖ), Klaus Zenz (SPÖ), Barbara Gross, Ursula Lackner (SPÖ), Ilse Reinprecht (SPÖ), Martina Schröck (SPÖ), Johannes Schwarz (SPÖ), Waltraud Bachmaier-Geltewa (SPÖ)
Fraktion(en): SPÖ
Zuständiger Ausschuss: -
Regierungsmitglied(er): Kristina Edlinger-Ploder (ÖVP), Franz Voves

Betreff:
Revision des "Trans-European transport network" (TEN-T)

Im Jahr 2004 entschied die Europäische Union nach Jahren der Vorbereitung und unzähligen bi- und multilateralen Gesprächen, bei denen von vielen europäischen Ländern massiv geschickt und erfolgreich Lobbying für ihre eigenen Projekte betrieben werden konnte,  in einem Verhandlungsverfahren zwischen Parlament und Rat am 29. April (Entscheidung Nr. 884/2004/EG zur Änderung der Entscheidung Nr. 1692/96/EG) darüber, welche 30 europäischen grenzüberschreitenden Verkehrsprojekte in das neue "TEN-T" aufgenommen werden.

Leider findet sich kein steirisches Verkehrsprojekt darunter, obwohl im Europäischen Parlament am 11. 3. 2004 ein Etappenerfolg erreicht werden konnte: Von MEP Swoboda und weiteren Abgeordneten wurden zum Vorschlag  der Kommission die Abänderungsanträge eingebracht, die
- die Erweiterung des Vorhabens Nr. 6 "Eisenbahnverbindung Lyon-Trieste/Koper-Ljubljana-Budapest-ukrainische Grenze" um den Abschnitt "Ljubljana-Maribor-Graz-Budapest"  (Abänderungsantrag Nr. 19) sowie
- neu das Vorhaben 29b mit der Strecke "Prag-Linz-Graz-Maribor-Ljubljana-Zagreb" und der Strecke "Wien-Semmering-Graz-Ljubljana/Villach-Koper/Triest" (Abänderungsantrag Nr. 26) forderten. Beide Anträge wurden mehrheitlich angenommen, fanden jedoch keine Zustimmung im Rat, wodurch sie nicht in Rechtskraft erwachsen sind.

Es ist evident, dass die politische Verantwortung für dieses Versagen, steirische Interessen nicht durchsetzen zu können, die Personen zu tragen haben, die sich damals in Bund und Land in den politischen Führungpositionen befunden haben und die für die Verkehrspolitik zuständig waren. Am europäischen politischen Parkett wurde unprofessionell agiert. Professionelles Lobbying, wie es notwendig gewesen und von anderen Staaten auch erfolgreich betrieben wurde, wurde unterlassen bzw. nur halbherzig betrieben.

Dies zeigte unter anderem auch der Besuch einer Delegation des SPÖ-Landtagsklubs im Mai 2003 bei Karel van Miert, dem Leiter der High-level-group zur Vorbereitung der Revision der TEN-T. Van Miert erklärte der Delegation zwar "zwischen den Zeilen" aber inhaltlich sehr offen, dass es von Seiten Österreichs und der Bundesregierung kaum Bemühungen gegeben hat, steirische Schienenprojekte in Stellung zu bringen, und dass während der gesamten Dauer der Arbeit der High-level-group seit 2001 keine Vertreterin/kein Vertreter der Steiermärkischen Landesregierung bei ihm persönlich vorstellig geworden ist. Die Delegation des SPÖ-Landtagsklubs war die erste politische Abordnung der Steiermark, die sich direkt und persönlich bei ihm um die Aufnahme steirischer Schienenprojekte in das neue TEN-T bemühte. Und er meinte schließlich, es sei, wenn eine vielfache Anzahl an Wünschen nach Aufnahme in das TEN-T-Netz vorliege als Projekte endgültig aufgenommen werden können, relativ einfach, jene auszuscheiden, für die kein politisch von allen Seiten gemeinsam getragener Druck aus den Mitgliedsstaaten kommt.

Die schon damals seitens des SPÖ-Landtagsklubs mehrfach dringend eingeforderten Initiativen, als Land Steiermark selbst bei den zuständigen EU-Stellen aktiv zu werden, wurden seitens der damaligen Landtagsmehrheit von ÖVP und FPÖ abgeschmettert (z.B. Entschliessungsanträge vom 8.4. und 28.10.2003 oder Antrag EZ 1723/1 vom 10.2.2004).

Nun steht eine neuerliche Revision des TEN-T  bevor. Ab dem Jahr 2009 soll mit den Arbeiten dazu begonnen werden. Jetzt ist ein guter Zeitpunkt, um auf beamteter sowie auf politischer Ebene zu versuchen, die Steiermark betreffende transeuropäische Schienenwege, wie den baltisch-adriatischen Korridor mit Semmering-Basis-Tunnel und Koralmtunnel in dem neu zu gestaltenden TEN-T zu verankern.

Für einen Erfolg ist ein Schulterschluss aller politischen Kräfte des Landes, der Sozialpartner und Interessensorganisationen sowie Einigkeit zwischen Land und Bund erforderlich. Ebenso ist auf der Ebene der dafür einzusetzenden BeamtInnen und externen Fachleute ein professionelles Management ihrer fachlichen Arbeit eine Grundvoraussetzung für den Erfolg. Politische Uneinigkeit und unprofessionelle Arbeit würden dieses Vorhaben von Beginn an zum Scheitern verurteilen. Unabdingbar ist ein massives Lobbying bei allen entscheidenden Stellen und Personen, auf allen Ebenen der Verwaltung und Politik, bei möglichen Partnern für unsere Interessen sowie bei potentiellen Gegnern.

Die Vorteile einer Aufnahme von steirischen Schienenprojekten in das TEN-T für Beschäftigung und Wirtschaftswachstum liegen auf der Hand:
  • Arbeitsplätze werden bei den Baumaßnahmen, im Zulieferbereich und in weiterer Folge durch den Betrieb der Verkehrswege entstehen und gesichert.
  • Wo es Verkehrswege gibt, siedeln sich Betriebe an und es entstehen Arbeitsplätze. Den Beweis dazu findet man z.B in der jüngeren Vergangenheit entlang der A9 Pyhrnautobahn südlich von Graz und bei den Autobahnabfahrten.
  • Wo es Verkehrswege gibt, entwickelt sich Wohlstand. Die Beweise dazu liefert die Geschichte, wo Reichtum und Wohlstand entlang der alten Handelswege und z.B. in den Hafenstädten entstand.
  • Schienen-Hochleistungsstrecken durch die Steiermark verbessern die Erreichbarkeit der internationalen Märkte und stärken damit die Konkurrenzfähigkeit der Steiermark im globalen Wettbewerb.
  • Die Aufnahme eines Schienenweges in das TEN-T würde es in Kombination mit der sich ebenfalls in Überarbeitung befindlichen Wegekostenrichtlinie ermöglichen, auf alpenquerenden Straßenwegen Mautzuschläge, sogenannte "mark-up`s" in einer Höhe von bis zu 15% einzuheben und zur Finanzierung des alpenquerenden Schienenausbaus zu verwenden. Dieses Modell wird beim Bau des Brenner-Basis-Tunnels zur teilweisen Finanzierung verwendet. Diese "mark-up`s" sind allerdings nur möglich, wenn der Schienenweg als Teil des TEN-T ausgewiesen ist.
  • Innerstaatliche, aus welchen Gründen auch immer motivierte, mögliche Verzögerungen der Bauvorhaben würden zumindest erschwert, da sich die Entwicklung im Blickpunkt der internationalen Öffentlichkeit befinden würde.

Die Chancen auf einen Erfolg sind, wenn man sich die Entwicklung der TEN-T-Schienenprojekte bei unseren Nachbarn ansieht, gar nicht so schlecht. Die Verwirklichung der "vorrangigen Achse Nr. 6" (frührer Korridor V) "Lyon - Trieste - Divaca/Koper - Ljubljana - Maribor - Budapest - ukrainische Grenze" macht nicht jene Fortschritte, die sich die EU erwartet. In dem im Jahr 2006 von der früheren Verkehrskommissarin Loyola de Palacio in ihrer Funktion als Koordinatorin für die vorrangige Achse Nr. 6 veröffentlichten Zwischenbericht über dessen Fortschritte finden sich entsprechende Formulierungen. Rund um den Abschnitt bei Divaca scheint es massive geologische Probleme bei der Durchquerung des Karstgebietes zu geben und für den Abschnitt Ljubljana weiter nach Ungarn sind kaum Aktivitäten erkennbar. De Palacio hat bereits öffentlich über eine "Verlegung" des Korridors V nach Norden durch Kärnten und die Steiermark nachgedacht. In der Kleinen Zeitung vom 3.11.2006 wird unter dem Titel "EU liebäugelt mit dem Koralmtunnel" (u.a.) berichtet: "In Brüssel sind jetzt massive Zweifel aufgetaucht, ob das ehrgeizige EU-Vorhaben einer hochleistungsfähigen Bahnstrecke quer durch Slowenien in absehbarer Zeit realisiert wird. Stattdessen könnte eine Ausweichroute durch Südösterreich errichtet werden. In jenem Bericht, der der Kleinen Zeitung vorliegt, wird "befürchtet", dass das drei Milliarden Euro teure Vorhaben einer Hochgeschwindigkeitsstrecke durch Slowenien auch 2020 noch Zukunftsmusik sein könnte. Bis 2020 dürfte nur der Abschnitt Koper bis Laibach fertig sein. Der weitere Verlauf nach Budapest bleibt das Nadelöhr. Slowenien und Ungarn wollen nur die einspurige Strecke elektrifizieren und einige Bahnübergänge beseitigen. Das sei zwar ideal für Bummelzüge, für eine Hochgeschwindigkeitsverbindung allerdings nicht ausreichend, folgert der Bericht. Um die Anbindung Osteuropas an Italien, Südfrankreich und Spanien sicher zu stellen, hat Loyola de Palacio eine Ausweichroute über "Tarvis-Villach-Graz" in die Diskussion eingebracht".

Im Interesse einer langfristigen positiven Entwicklung der steirischen Wirtschaft, der Beschäftigung und des Wohlstandes im Land, ist es daher jetzt an der Zeit, mit koordinierten Arbeiten auf allen Ebenen zu beginnen, um im Zuge der bevorstehenden Revision des TEN-T die Verankerung steirischer Schienenverbindungen, wie vor allem des baltisch-adriatischen Schienenverkehrsweges mit Semmering-Basis-Tunnel und Koralmtunnel in das dann überarbeitete neue TEN-T zu erreichen. 

Es wird daher der

Antrag

gestellt:

Der Landtag wolle beschließen:


1) Der Landtag Steiermark bekennt sich

- im Wissen um die Bedeutung des Ausbaues der steirischen Verkehrswege für die Entwicklung von Wirtschaft, Beschäftigung und Wohlstand in der Steiermark,

- mit dem Ziel der Verlagerung des Verkehrs von der Straße auf die Schiene,

- im Bewußtsein der innerstaatlichen Bedeutung für die Sicherstellung eines raschen Ausbaues der Schienen-Infrastruktur sowie

- unter Berücksichtigung des Schutzes von Menschen und Natur vor mit dem Bau und Betrieb von Schienenwegen verbundenen Umwelteinwirkungen

zum Ausbau der steirischen Schienenwege für Fern- und Nahverkehr und
zu allen Bemühungen, die Aufnahme steirischer Schienenwege, wie
  • vor allem des baltisch-adriatischen Schienenweges (als Verlängerung der vorrangigen Achsen Nr. 23 Gdansk-Warszawa-Brno/Bratislava-Wien und Nr. 27 Warszawa-Kaunas-Riga-Tallinn-Helsinki nach Norden an die Ostsee),
  • der Koralmbahn und in Verlängerung der Ostbahn Richtung Ungarn als Verlagerung eines Teils der "Vorrangigen Achse Nr. 6" (früher Korridor V) Trieste-Divaca/Koper-Ljubljana-Budapest nach Norden durch Kärnten und Steiermark sowie
  • der Phyrn-Schienenstrecke mit Bosrucktunnel (als Anbindung an die vorrangige Achse Nr. 22 Athina-Sofia-Budapest-Wien-Prag-Nürnberg/Dresden)
sowie die Aufnahme dieser Projekte in das zur Überarbeitung anstehende "Trans-European transport network" (TEN-T) zu erreichen.

2) Die Steiermärkische Landesregierung wird aufgefordert

a) an die österreichische Bundesregierung sowie die Sozialpartner heranzutreten,
 
aa) sich mit allen Kräften für die Verankerung steirischer Schienenwege, wie
  • vor allem des baltisch-adriatischen Schienenweges mit Semmering-Basistunnel und Koramtunnel,
  • der Koralmbahn und in Verlängerunger der Ostbahn in Richtung Ungarn sowie
  • der Phyrn-Schienenstrecke mit Bosrucktunnel

in das zur Überarbeitung anstehende "Trans-European transport network" einzusetzen,

ab) zur Erreichung dieses Zieles bei allen entscheidenden Stellen der Europäischen Union auf den Ebenen Verwaltung und Politik entsprechend professionelles Lobbying zu betreiben,

ac) Kontakte mit möglichen Partnern in anderen Mitgliedsstaaten zur Durchsetzung dieser Interessen zu knüpfen und zu pflegen sowie Kontakte zu potentiellen Gegnern aufzunehmen, um rechtzeitig mögliche Vorbehalte und Ablehnung zu vermeiden bzw. abzubauen und

ad) gemeinsam ein professionell agierendes Team von BeamtInnen und externen ExpertInnen zur Erreichung dieses Zieles zusammenzustellen, sowie

b) zur Erreichung dieses Zieles in Abstimmung mit der Verwaltungsebene und der politschen Ebene des Bundes, in Koordination mit den politischen VertreterInnen Österreichs in der EU, sowie in Koordination mit den Aktivitäten der Sozialpartner-Organisationen

ba) eigenständig Initiativen bei allen entscheidenden Stellen der Europäischen Union zu setzen,

bb) eigenständig Kontakte mit möglichen Partnern in anderen Mitgliedsstaaten sowie mit potentiellen Gegnern aufzunehmen,

bc) eine Auswahl der seitens der Steiermark für die gemeinsame Arbeitsgruppe mit dem Bund zu nominierenden Beamten und Experten vorzunehmen,

bd) diesem Team die für eine erfolgreiche Arbeit notwendige Unterstützung mit Infrastruktur und Finanzen zur Verfügung zu stellen, und

c) dem Landtag Steiermark bis längstens Ende September dieses Jahres über das bis dahin Erreichte und die weiteren geplanten Schritte zu informieren.


Unterschrift(en):
Walter Kröpfl (SPÖ), Karl Petinger (SPÖ), Werner Breithuber (SPÖ), Klaus Konrad (SPÖ), Ewald Persch (SPÖ), Klaus Zenz (SPÖ), Barbara Gross, Ursula Lackner (SPÖ), Ilse Reinprecht (SPÖ), Martina Schröck (SPÖ), Johannes Schwarz (SPÖ), Waltraud Bachmaier-Geltewa (SPÖ)