LANDTAG STEIERMARK
XV. GESETZGEBUNGSPERIODE


EZ/OZ: 2020/1

Selbstständiger Antrag von Abgeordneten (§ 21 GeoLT)

eingebracht am 27.03.2008, 17:05:03


Landtagsabgeordnete(r): Karl Petinger (SPÖ), Ewald Persch (SPÖ), Gerald Schmid (SPÖ), Werner Breithuber (SPÖ), Klaus Konrad (SPÖ), Walter Kröpfl (SPÖ)
Fraktion(en): SPÖ
Zuständiger Ausschuss: -
Regierungsmitglied(er): Kristina Edlinger-Ploder (ÖVP)

Betreff:
Einführung einer "flächendeckenden" fahrleistungsabhängigen LKW-Maut in Österreich und Zweckbindung der zusätzlichen Einnahmen

Seit 1997 unterliegen sämtliche österreichischen Autobahnen und Schnellstraßen - mit Ausnahme der Sondermautstrecken - der allgemeinen Vignettenpflicht (gemäß Artikel 2 Absatz c der "Wegekostenrichtlinie" 1999/62/EG i.d.g.F.). Seit 1.1.2004 wird für alle Fahrzeuge mit einem höchstzulässigen Gesamtgewicht von über 3,5 Tonnen eine fahrleistungsabhängige Maut (gemäß Artikel 2 Absatz b der "Wegekostenrichtlinie") eingehoben.

Auf allen weiteren Teilen des öffentlichen österreichischen Straßennetzes wird derzeit keine fahrleistungsabhängige Maut oder zeitliche Benutzungsgebühr eingehoben, obwohl dies gemäß der "Wegekostenrichtlinie" möglich wäre. Die Klarstellung über die Zuständigkeit der Mitgliedsstaaten für die Bemautung des niederrangigen Straßennetzes und damit flächendeckenden LkW-Maut (FL-Maut) findet sich in der Erwägung 6 der Richtlinie 2006/38/EG, mit der die Richtlinie 1999/62/EG geändert wurde:
 
"(6) Der grenzüberschreitende Straßengüterverkehr konzentriert sich auf das transeuropäische Straßenverkehrsnetz. Außerdem ist das reibungslose Funktionieren des Binnenmarktes von grundlegender Bedeutung für den gewerblichen Kraftverkehr. Daher sollte der gemeinschaftliche Rechtsrahmen den gewerblichen Verkehr auf dem transeuropäischen Straßennetz umfassen, wie es in der Entscheidung Nr. 1692/96/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Juli 1996 über gemeinschaftliche Leitlinien für den Aufbau eines transeuropäischen Verkehrsnetzes [6] festgelegt ist. In Einklang mit dem Subsidiaritätsprinzip sollte es den Mitgliedstaaten freistehen, unter Beachtung des Vertrags auf anderen, nicht zum transeuropäischen Straßennetz gehörenden Straßen Maut- und/oder Benutzungsgebühren zu erheben. Wenn die Mitgliedstaaten beschließen, Maut- und/oder Benutzungsgebühren nur für Teile des transeuropäischen Straßennetzes auf ihrem Territorium, etwa aufgrund der Isolation oder niedrigen Stau- und Verschmutzungsneigung des anderen Teils, beizubehalten oder einzuführen oder wo es für die Einführung einer neuen Gebührenregelung notwendig ist, darf die Auswahl der Teile des Netzes, für die Gebühren erhoben werden, den internationalen Verkehr nicht diskriminieren und nicht zu einer Wettbewerbsverzerrung zwischen den Unternehmen führen. Das Gleiche gilt, wenn ein Mitgliedstaat Maut- und/oder Benutzungsgebühren auf Straßen beibehält oder einführt, die nicht Teil des transeuropäischen Straßennetzes sind, beispielsweise auf parallel verlaufenden Straßen, zur Regelung des Verkehrsaufkommens."

Am 1.1.2001 erfolgte in der Schweiz der Übergang von der pauschalen zur leistungsabhängigen Schwerverkehrsabgabe (LSVA). Gleichzeitig wurde das zulässige Gewichtslimit für den Straßenschwerverkehr von 28 auf 34 Tonnen erhöht. Vier Jahre später, am 1.1.2005, wurde der Abgabesatz um 50 Prozent erhöht und gleichzeitig das Gewichtslimit auf 40 Tonnen heraufgesetzt.

Am 8.11.2007 haben die Bundesbehörden der Schweizerischen Eidgenossenschaft Bilanz über sieben Jahre  LSVA gezogen. Dem dabei vorgelegten Papier ist unter anderem zu entnehmen:

"LSVA-Bilanz: Mehr Effizienz, Zusatzkosten gering:
 
- Die vor bald sieben Jahren eingeführte leistungsabhängige Schwerverkehrsabgabe (LSVA) hat die Effizienz im Straßentransport deutlich gesteigert. Dies ist zu einem wesentlichen Teil darauf zurückzuführen, dass die LSVA Anreize bietet, die Fahrzeuge möglichst wirtschaftlich einzusetzen und insbesondere Leerfahrten zu vermeiden. Im beobachteten Zeitraum von 2001 bis 2005 wurde ein Rückgang der Fahrleistung des Schwerverkehrs von 6,4 Prozent bei gleichzeitigen Zunahme der in Tonnenkilometern gemessenen Verkehrsleistung um 16,4 Prozent berechnet. Ohne LSVA und die übrigen ergriffenen Massnahmen - Erhöhung der Gewichtslimite, Förderung und Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit der Schiene - würden heute jährlich rund 400.000 mehr schwere Straßenfahrzeuge durch unsere Alpen fahren, als dies tatsächlich der Fall ist.
 
- Der Einfluss der LSVA auf die Teuerung bleibt aus verschiedenen Gründen gering: Erstens konnte dank der erwähnten Effizienzsteigerung ein erheblicher Teil der Kosten der LSVA aufgefangen werden. Über alle statistisch erhobenen Gütergruppen betrachtet resultiert aufgrund des neuen Verkehrsregimes eine Kostenerhöhung von lediglich 0,11 Prozent.
 
- Die Zahl der im Straßentransportgewerbe Beschäftigten blieb im Beobachtungszeitraum mit rund 14.000 praktisch stabil.
 
(Die umfangreiche Gesamtstudie dazu ist unter http://www.news-service.admin.ch/NSBSubscriber/message/attachments/10241.pdf kostenlos beziehbar)"

Diese Erfahrungen und Erfolge bestätigen auch andere Organisationen, wie die Arbeiterkammer Österreich und der Verkehrsclub Österreich (VCÖ): "So reduzierte sich das Durchschnittsalter der LkW-Flotte von 13 Jahre (1998) auf sechs Jahre (2004)!" (www.wirtschaftundumwelt.at) und "Durch Österreichs Alpen sind im Jahr 2006 sechs Mal mehr LKW gerollt als durch die Schweiz. Wie aus neuen Daten des Schweizer Bundesamtes für Verkehr hervorgeht, die der Verkehrsclub Österreich VCÖ .... veröffentlicht hat, haben im Vorjahr 6,1 Million LKW die Alpen in Österreich überquert. In der Schweiz waren es hingegen nur 1,19 Millionen LKW, um 10.000 weniger als 2005. In den österreichischen Alpen ist die Transitbelastung dagegen noch einmal um 3,5 Prozent oder 200.000 Fahrten gestiegen. Seit dem Jahr 2000 ist die Zahl der alpenquerenden LKW in der Schweiz demnach um 210.000 zurückgegangen, in Österreich dagegen um 900.000 gestiegen. Trotz alldem kassiert die Schweiz noch immer doppelt so viel LKW-Maut wie Österreich."

Aufschlussreich ist ein weiterer Blick über die Grenzen in Europa. In vielen Staaten wird die Ausdehnung der Bemautung des Schwerverkehrs auf das niederrangige Straßennetz vorangetrieben. In Frankreich soll sie bis 2010 umgesetzt sein, in Schweden bis 2012, in Slowenien und in den Niederlanden bis 2011. Eine Bemautung über die Autobahnen hinaus ist weiters auch in der Slowakei, in Ungarn und in Tschechien geplant.

Als Mitglied der EU schränkt uns die "Wegekostenrichtlinie" zwar bei der Gestaltung der Höhe der fahrleistungsabhängigen Maut ein, nicht aber, wie schon ausgeführt, bei der Festlegung des Umfanges des Straßennetzes, für das eine derartige Maut zu entrichten ist.

Unter Berücksichtigung der positiven Erfahrungen der Schweiz mit diesem System ist die Ausdehnung der Mautpflicht für schwere Nutzfahrzeuge ab 3,5 Tonnen höchstzulässigem Gesamtgewicht auf das gesamte österreichische öffentliche Straßennetz als sinnvoll und auch als notwendig zu bezeichnen:

- Das jetzt bestehende Problem der sogenannten "Mautflüchtlinge" erledigt sich von selbst, die jetzt vom Ausweichverkehr belasteten AnrainerInnen könnten aufatmen.

- Die Logistik des Beförderungsgewerbes würde sich verbessern, unnotwendige Leerfahrten würden vermieden.

- Das Alter der LKW-Flotte würde sich bei einer Staffelung der Maut nach Abgasklassen verjüngen.

- Positive Auswirkungen auf die Umwelt und die Gesundheit der Menschen wären die zu begrüßenden Folgen.

- Negative Auswirkungen, wie Preissteigerungen für KonsumentInnen sind, wie das Beispiel der Schweiz beweist, aufgrund der Verbesserung der Transportlogistik, nicht zu erwarten.

 - Eine Gefährdung der Existenz des heimischen Transportgewerbes ist, wie die Erfahrungen in der Schweiz zeigen, aufgrund der Gleichbehandlung aller AnbieterInnen nicht gegeben.

- Eine Verlagerung des Gütertransportes von der Straße zur Schiene wird, wie die Erfahrungen aus der Schweiz ebenfalls belegen, unterstützt.

Die Ausweitung der Mautpflicht für  schwere Nutzfahrzeuge auf alle öffentlichen Straßen in Österreich würde zu einer (hoffentlich starken) Erhöhung des Aufkommens an Mauteinnahmen, verbunden mit einer dringend notwendigen und gerechtfertigten Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der Schiene, führen. Dabei besteht allerdings die Gefahr, dass diese zusätzlichen Mittel ohne jegliche Regelung für deren Verwendung zugunsten der Haushalte der Gebietskörperschaften und/oder von Straßengesellschaften vereinnahmt werden.

Die Ziele verfolgend, die Schieneninfrastruktur auszubauen und den öffentlichen Verkehr, im speziellen die Angebote im Nahverkehr, auszubauen, um damit eine Verlagerung des Verkehrs von der Straße auf die Schiene zu erreichen bzw. zumindest zu verhindern, dass der Anteil des Verkehrs auf der Straße weiter steigt, muss es für alle Bundesländer, in denen die Umsetzung großer, wichtiger Schieneninfrastrukturprojekte noch bevorsteht oder im Laufen ist bzw. die an wichtigen Nahverkehrsprojekten wie z. B. S-Bahn-Systemen arbeiten, hohe Priorität haben, die zusätzlichen Mittel aus der Ausweitung der Mautpflicht für schwere Nutzfahrzeuge auf das komplette öffentliche Straßennetz  für den Ausbau von Schieneninfrastruktur sowie für den Betrieb des öffentlichen Nahverkehrs zweckzubinden.

In der Steiermark ist der Bau des Koralmtunnels in Arbeit, die Entscheidung über die Trassenführung des Semmering-Basis-Tunnels Neu ist für das Frühjahr 2008 angekündigt, der Neubau des Bosrucktunnels steht an und die Arbeiten an einem S-Bahn-System, das seinen Namen in Zukunft zu Recht tragen soll, haben begonnen. Für diese Vorhaben sollten die Mehreinnahmen unter anderem zweckgebunden werden.

Die rechtlichen Voraussetzungen dafür sind gegeben. So lautet der Artikel 9 Absatz 2 der "Wegekostenrichtlinie": "Die Mitgliedsstaaten entscheiden über die Verwendung der Einnahmen aus Gebühren für die Nutzung der Straßeninfrastruktur. Um den Ausbau des Verkehrsnetzes als Ganzes sicherzustellen, sollten die Einnahmen aus Gebühren zum Nutzen des Verkehrssektors und zur Optimierung des Gesamtverkehrssystems eingesetzt werden." Darin ist sowohl die Vorgabe für eine Zweckwidmung der zusätzlichen Einnahmen enthalten als auch die Legitimation für eine Verwendung nicht nur für den Ausbau von Infrastruktur sondern auch für den Betrieb von Verkehrssystemen gegeben.

Auf Bundesebene sind Überlegungen für die Einführung einer flächendeckenden fahrleistungsabhängigen Maut für Schwerfahrzeuge im Gang, eine Studie dazu ist in Arbeit (siehe Presseaussendung des BMVIT vom 15.8.2007, www.bmvit.gv.at/presse/aktuell/2007/0815OTS0074). 
 
Weil alle Bundesländer davon betroffen sein werden, ist es an der Zeit, politisch Position zu den Inhalten und Zielen dieser Überlegungen und zur Verwendung der zusätzlichen Einnahmen zu beziehen.


Es wird daher der

Antrag

gestellt:

Der Landtag wolle beschließen:


1) Der Landtag Steiermark spricht sich
  
- mit dem Ziel, den Umweltschutz und die Gesundheitsvorsorge durch eine Optimierung der Transportlogistik und eine Verjüngung der LKW-Flotte zu verbessern,
- das Ziel verfolgend, den Warentransport von der Straße auf die Schiene zu verlagern bzw. zumindest zu verhindern, dass der Anteil des Transportes auf der Straße weiter zunimmt,
- im Wissen, damit das Problem des Ausweichverkehrs von mautpflichtigen Streckenabschnitten (sogenannte "Mautflüchtlinge") zu lösen und zur Entlastung der davon betroffenen AnrainerInnen beitragen zu können,
- mit der Erfahrung aus der Schweiz, dass dies zu keiner Preissteigerung für die EndverbraucherInnen und zu keiner Gefährdung des heimischen Transportgewerbes führt, sowie
- mit der klaren Feststellung, dass dies kein Präjudiz für eine Ausdehnung der Mautpflicht auf weitere Fahrzeugtypen darstellt,

für eine flächendeckende fahrleistungsabhängige Maut für schwere Nutzfahrzeuge  ab einem höchstzulässigen Gesamtgewicht von über 3,5 Tonnen auf allen öffentlichen Straßen in Österreich aus und fordert die Zweckbindung der daraus resultierenden zusätzlichen Einnahmen für den Ausbau der Schieneninfrastruktur sowie für den Betrieb von Nah- und Fernverkehr.


 
2) Die Steiermärkische Landesregierung wird aufgefordert,

a) an die Bundesregierung mit der Forderung heranzutreten, umgehend die rechtlichen Voraussetzungen
 
aa) für die Einführung einer flächendeckenden fahrleistungsabhängigen Maut für schwere Nutzfahrzeuge ab einem höchstzulässigen Gesamtgewicht von über 3,5 Tonnen in Form einer Bundes-LKW-Schwerverkehrsabgabe sowie
 
ab) für die Zweckbindung der daraus resultierenden zusätzlichen Einnahmen für den Ausbau der österreichischen Schieneninfrastruktur sowie den Betrieb von österreichischen Nah- und Fernverkehrssystemen zu schaffen,
 
b) mit den Landesregierungen der anderen Bundesländer mit dem Ziel Kontakt aufzunehmen, eine gemeinsame Linie der Bundesländer im Sinn der genannten Forderungen zu erreichen sowie
 
c) dem Landtag Steiermark bis spätestens September 2008 über die erreichten Fortschritte sowie über die weiteren geplanten Schritte zu berichten.





Unterschrift(en):
Karl Petinger (SPÖ), Ewald Persch (SPÖ), Gerald Schmid (SPÖ), Werner Breithuber (SPÖ), Klaus Konrad (SPÖ), Walter Kröpfl (SPÖ)