LANDTAG STEIERMARK
XV. GESETZGEBUNGSPERIODE


EZ/OZ: 1991/1

Regierungsvorlage

eingebracht am 03.03.2008, 00:00:00


Geschäftszahl(en): FA1E-L1.30-323/2006-48
Zuständiger Ausschuss: -
Regierungsmitglied(er): Franz Voves

Betreff:
Beschluss des Landtages Steiermark Nr. 691 vom 3. Juli 2007 und Beschluss des Landtages Steiermark Nr. 725 vom 3. Juli 2007\; Antwortschreiben von Bundeskanzler Dr. Alfred Gusenbauer

1. Der Landtag Steiermark hat mit dem Beschluss Nr. 691 vom 3. Juli 2007 die Steiermärkische Landesregierung aufgefordert,

an die Bundesregierung mit dem Ersuchen heranzutreten,

"zu prüfen, inwiefern rechtliche Möglichkeiten bestehen, den durch den Wegfall der Übergangsbestimmungen drohenden "Zigaretteneinkaufstourismus", auch im Sinne der im Vergleich zu den betroffenen Ländern strengeren Jugendschutzbestimmungen Österreichs, zu beschränken."

2. Der Landtag Steiermark hat mit dem Beschluss Nr. 725 vom 3. Juli 2007 die Steiermärkische Landesregierung aufgefordert,

"der Bundesregierung und der Europäischen Union mitzuteilen, dass einem Opting-out-Recht eines Mitgliedstaates im Bereich der wirtschaftlichen und sozialen Grundrechte entschieden entgegenzuwirken ist. "


3. Nach Beschluss der Landesregierung vom 10. September 2007 wurde in Ausführung dieser Aufforderungen ein Schreiben von Landeshauptmann Mag. Franz Voves an den Bundeskanzler Dr. Alfred Gusenbauer gerichtet.

In diesem Brief wurden die genannten Beschlüsse des Landtages Steiermark dargestellt und der Bundeskanzler Dr. Gusenbauer um eine Äußerung ersucht.

4. Mit Schreiben vom 3. Jänner 2008 hat Bundeskanzler Dr. Gusenbauer ein Antwortschreiben an Landeshauptmann Mag. Franz Voves mit folgendem Inhalt übermittelt:

"Dein Schreiben vom 7. August 2007, GZ FA1E-L1.30-323/2006-48, mit dem Du die Beschlüsse Nr. 691 und 725 des Steiermärkischen Landtages vom 3. Juli 2007 betreffend den Zigaretteneinkaufstourismus sowie das Opting-out-Recht eines Mitgliedstaates im Bereich der wirtschaftlichen und sozialen Grundrechte übermittelst, habe ich am 3. Oktober 2007 dem Ministerrat vorgelegt.
 
Auf Grundlage der bei den zuständigen Stellen eingeholten Stellungnahmen ergibt sich nachfolgende Antwort:
 
Zum Beschluss Nr. 691:
 
Die Bundesregierung hat in Zusammenhang mit dem im Beschluss angesprochenen Wegfall der Übergangsbeschränkungen für Zigarettenimporte, der 25-Stück-Regelung für den privaten Reiseverkehr, bereits frühzeitig an einem Maßnahmenpaket gearbeitet, das an verschiedenen Ebenen ansetzen sollte.
 
Den mit 1. Mai 2004 der EU beigetretenen Mitgliedstaaten wurden durch die Beitrittsakte für die Anwendung der EU-Mindeststeuersätze für Tabakwaren Übergangsfristen unterschiedlichen Umfangs eingeräumt. Andere Mitgliedstaaten wurden ermächtigt, für die Dauer dieser Ausnahmeregelungen ihre bestehenden mengenmäßigen Beschränkungen bei Tabakwaren aufrechtzuerhalten. Österreich hat von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht, die Übergangsfristen enden für die Slowakei und Ungarn Ende 2008. Slowenien hat bereits am 1. Juli 2007 seine Tabaksteuersätze - vor Ablauf der in der Beitrittsakte gewährten Frist 31.12.2007 - an die Mindeststeuersätze der EU angepasst. Damit entfiel der Rechtfertigungsgrund für die 25-Stück-Mengenbeschränkungen in Österreich. Es gelten ab diesem Zeitpunkt die Vorschriften für den innergemeinschaftlichen Reiseverkehr, für Zigaretten sind dies 800 Stück.
 
Vor dem Hintergrund des Auslaufens der Übergangsbeschränkungen für Zigarettenimporte und erheblicher Umsatzrückgänge bei Trafikanten in den zu Slowenien angrenzenden Bezirken wurde mit dem Bundesgremium der Tabaktrafikanten im Herbst ein Maßnahmenpaket ausgearbeitet, das vom Nationalrat am 6. Dezember 2007 angenommen worden ist und am 1. Jänner 2008 in Kraft treten soll.
Dieses Maßnahmenpaket trägt den Anliegen des steiermärkischen Landtags Rechnung und sieht unter anderem folgende Regelungen vor:
 
Ab 2008 dürfen Privatpersonen nur 200 Stück Zigaretten (statt 800) nach Österreich einführen, wenn die Warnhinweise auf den Packungen nicht in deutscher Sprache verfasst sind. Die Warnhinweise schreiben darüber hinaus eine Bewerbung des Rauchertelefons im Rahmen der für Tabakerzeugnisse obligaten Warnhinweise vor.
Dies ist aus tabakpräventivem Blickwinkel erforderlich, um die mit den Warnhinweisen intendierte Aufklärung über die mit dem Rauchen verbundenen Gesundheitsrisiken nicht zu unterlaufen und steht mit tabakpräventiven Empfehlungen und Vorgaben auf EU- und internationaler Ebene im Einklang.
Diese Maßnahme gilt ab 1. Jänner 2008 bis 31. Dezember 2010, da zu erwarten ist, dass das Preisniveau für Tabakerzeugnisse auch in jenen Nachbarstaaten, die zurzeit noch deutlich unter jenem in Österreich liegen, in wenigen Jahren nachgezogen haben wird. Darüber hinaus wird die automatische Tabaksteuererhöhung in Österreich für zumindest zwei Jahre ausgesetzt, wodurch die Angleichung der Zigarettenpreise zu den Nachbarregionen in den neuen Mitgliedsländern gefördert wird. Mit einem einheitlichen Preisniveau entfällt der Anreiz für Raucher und Raucherinnen, die Produkte aus dem Ausland einzuführen.
 
Im Maßnahmenpaket wurde weiters durch eine Änderung des Tabaksteuergesetzes 1995 klargestellt, dass die geltenden mengenmäßigen Beschränkungen aufrecht bleiben, falls ein Mitgliedstaat die EU-Mindeststeuersätze für Tabakwaren entgegen seinen Verpflichtungen aus der Beitrittsakte nicht zeitgerecht anwendet.
Als Hilfestellung für die durch Umsatzeinbußen besonders stark betroffenen Trafikanten wurde ein Solidaritätsfonds beschlossen. Dieser Solidaritätsfonds wird im Tabakmonopolgesetz auf die Dauer von drei Jahren eingerichtet und kann Mittel im Ausmaß von rund 105 Mio. Euro an in wirtschaftliche Schwierigkeiten gekommene Trafikanten ausschütten. Gespeist wird der bei der Monopolverwaltung GmbH eingerichtete Fonds durch einen Zuschlag in Höhe von 10% der Handelsspannen für Trafikanten.
Eine wesentliche Verbesserung für alle Trafikanten bringen weitere Regelungen des Maßnahmenpakets, die den Trafiken zusätzliche Einnahmen ermöglichen und so für eine nachhaltige Existenzsicherung der in diesem Bereich Tätigen sorgen: So wird künftig entgeltliche Werbung in der Trafik zugelassen und Gutscheine oder bestimmte nichtalkoholische Getränke sowie rezeptfreie nikotinhaltige Tabakwarenersatzprodukte können in den Trafiken verkauft werden.
 
Zum Beschluss Nr. 725:
 
Die Charta der Grundrechte der EU wird in ihrer Fassung vom 12. Dezember 2007 durch die Aufnahme eines Verweises im EUV rechtsverbindlich. Die Charta hat auf Grund dieser Bestimmung denselben Rang wie der EUV und der "Vertrag über die Arbeitsweise der EU" (AEUV). Dies bedeutet, dass die Einhaltung der Charta Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit der Handlungen der Organe und der Mitgliedstaaten bei der Umsetzung des Unionsrechts ist. Die so festgeschriebenen Grundrechte können in Verfahren vor dem EuGH sowie vor nationalen Gerichten bei der Umsetzung und Anwendung von Unionsrecht geltend gemacht werden.
Im "Protokoll über die Anwendung der Charta der Grundrechte auf Polen und das Vereinigte Königreich", wird die Anwendung der Charta in Bezug auf die Gesetze und das Verwaltungshandeln Polens und des Vereinigten Königreichs und die Frage der Einklagbarkeit geklärt. Das Protokoll stellt die Rechtsverbindlichkeit der Grundrechtecharta für Polen und das Vereinigte Königreich nicht in Frage. Die Charta gilt - einschließlich ihrer Bestimmungen im wirtschaftlichen und sozialen Bereich - grundsätzlich auch für diese beiden Mitglied Staaten. Im Protokoll wird festgehalten, dass die Charta keine Ausweitung der Befugnis des EuGH im Hinblick auf die Feststellung von Grundrechtswidrigkeiten bewirkt und dass die Charta insbesondere in Titel IV ("Solidarität") keine einklagbaren Rechte schafft, soweit Polen und das Vereinigte Königreich solche Rechte zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Charta nicht bereits jeweils in ihrem nationalem Recht vorgesehen haben.
 
Aus dem Dargelegten ist ersichtlich, dass das Protokoll über die Anwendbarkeit der Grundrechtecharta für Polen und das Vereinigte Königreich nicht ein Opt-Out in dem Sinn gewährt, dass die Charta im Hoheitsgebiet Polens und des Vereinigten Königreichs keine Geltung entfalten würde. Die Charta ist für Polen und das Vereinigte Königreich zwar bindend, aber nicht unmittelbar durchsetzbar. Hinsichtlich der wirtschaftlichen und sozialen Rechte gilt die Charta für Polen und das Vereinigte Königreich nur insoweit - hier ist also eine Einschränkung des sachlichen Anwendungsbereiches gegeben - als bereits derzeit derartige Rechte in der britischen Rechtsordnung bestehen müssen.
 
Sehr wohl darf jedoch der EuGH Verwaltungsvorschriften, Verwaltungsmaßnahmen und Verwaltungspraxis dieser Mitgliedstaaten an seiner bisherigen in der Rechtssprechung ausgeformten Grundrechtejudikatur beurteilen (unter Bezugnahme auf Art. 6 Abs. 3 EUV als Verletzung der allgemeinen Grundsätze des Unionsrechts).
Darüber hinaus garantieren u. a. die Europäische Menschenrechtskonvention, die Europäische Sozialcharta und die Gemeinschaftscharta der sozialen Grundrechte, die von Polen und dem Vereinigten Königreich ratifiziert sind, die Einhaltung grundrechtlicher Standards auch in diesen Ländern.
Diese sehr komplexe Regelung war notwendig, um im Rahmen der Tagung des Europäischen Rates am 21. und 22. Juni 2007 überhaupt einen Kompromiss für ein Mandat für die Regierungskonferenz 2007 zu erreichen. Immerhin bringt die Grundrechtecharta eine Verdeutlichung der Rechte der Unionsbürger und eine Weiterentwicklung des Grundrechtsbestands im Rahmen des Unionsrechts. Ohne das Protokoll wäre es nicht möglich gewesen, die Zustimmung Polens und insb. des Vereinigten Königreiches zu einer umfassenden Vertragsrevision - einschließlich der Charta der Grundrechte - zu gewinnen."



Beschluss der Steiermärkischen Landesregierung vom 25. Februar 2008.


Es wird daher der

Antrag

gestellt:

Der Landtag wolle beschließen:

Der vorliegende Bericht der Steiermärkischen Landesregierung zu den Beschlüssen des Landtages Steiermark vom 3. Juli 2007
  • Nr. 691 betreffend Zigaretteneinkaufstourismus und
  • Nr. 725 betreffend Opting-out-Rechte im Bereich der wirtschaftlichen und sozialen Grundrechte der EU
sowie über das Antwortschreiben von Bundeskanzler Dr. Alfred Gusenbauer wird zur Kenntnis genommen.