LANDTAG STEIERMARK
XV. GESETZGEBUNGSPERIODE


TOP 2

EZ/OZ 122/4

Schriftlicher Bericht

Ausschuss: Verfassung

Betreff:
Abschaffung des Proporzes bei gleichzeitiger Stärkung der Kontrolle und Minderheitenrechte im Landtag


zu:


  • 122/1, Abschaffung des Proporzes bei gleichzeitiger Stärkung der Kontrolle und Minderheitenrechte im Landtag (Selbstständiger Antrag)
Der Ausschuss "Verfassung" hat in seinen Sitzungen vom 06.12.2005, 07.03.2007 und 08.01.2008 über den oben angeführten Gegenstand die Beratungen durchgeführt.

Die Landtagsfraktion der Grünen hat am 23.11.2005 folgenden Antrag mit dem Betreff "Abschaffung des Proporzes bei gleichzeitiger Stärkung der Kontrolle und Minderheitenrechte im Landtag" in den Landtag eingebracht:

"1. Grundsätzliche Überlegungen:

Zahlreiche Gründe sprechen für die Abschaffung des Proporzsystems in der Landesregierung.
  • Wechsel in der Regierungsverantwortung: Die Demokratie lebt davon, dass eine Regierung abgewählt werden kann. Dies ist im Proporzsystem nicht möglich.

  • Kein Regierungsprogramm: Im Proporzsystem muss sich die Regierung auf kein Programm einigen, da jede Partei aufgrund eines Wahlergebnisses statt aufgrund einer inhaltlichen Übereinkunft automatisch in der Regierung sitzt. Ziel- und planloses Dahinregieren ist daher systemimmanent.

  • Teure Abtauschgeschäfte für anlassbezogene Kompromisse: Statt des fehlenden Regierungsprogramms folgen ad hoc-Abtauschgeschäfte, um Mehrheiten innerhalb der Regierung zu finden. Das führt zur Verschwendung öffentlicher Mittel und zu Postenbesetzungen fernab qualitätssichernder Überlegungen.

  • Undurchschaubarkeit für WählerInnen: Demokratiepolitisch ist ein Proporzsystem unzweckmäßig, weil die Verantwortung für Entscheidungen für WählerInnen schwer nachvollziehbar ist, da die Regierungsparteien ständig zwischen Regierung und Bereichsopposition herumschwanken.

  • Blockadepolitik innerhalb einer Regierung: Das Proporzsystem ermöglicht, dass eine Regierungspartei dauerhafte Blockadepolitik betreibt, was zur völligen politischen Lähmung der Regierung führen kann. Der "Rest" der Regierung ist dann zur Einigung gezwungen. Dieses fragile Gebilde kann jederzeit in die Entscheidungsunfähigkeit führen, wenn eine Partei der Zwangsehe einschätzt, dass eine (notwendige) Entscheidung der Blockadepartei nützen würde.

2. Reduktion der Regierungssitze und Aufrechterhaltung der Landtagssitze

Es ist zweckmäßig, im Zuge der Abschaffung des Proporzes die Anzahl der Regierungsmitglieder von 9 auf 7 zu senken, da einerseits proporzmäßig bedingte Kompetenzaufsplitterungen beseitigt werden können und andererseits insgesamt effizienteres Regieren durch den Wegfall bereichsoppositionellen Regierungsverhaltens begünstigt werden sollte.

Die immer wieder in Diskussion stehende Reduktion der Anzahl der Landtagssitze ist gerade im Zusammenhang mit der Abschaffung des Proporzes kontraproduktiv und strikt abzulehnen. Mit der Abschaffung des Proporzes wird zweifelsohne die Regierung gestärkt. Daher ist es im Gegenzug notwendig, die Kontrollrechte des Landtages und die Minderheitenrechte im Landtag auszubauen. Allein die Verringerung der Landtagssitze hat zur Folge, dass die Kontrolle der Regierung durch den Landtag bzw. durch die Minderheit im Landtag geschwächt wird. Die Reduktion der Landtagssitze im Zuge der Abschaffung des Proporzes würde daher gleichzeitig die Regierung stärken und die Kontrolle der Regierung schwächen, sodass die demokratiepolitisch erwünschte systemimmanente Balance zwischen Regierung und Opposition entscheidend gestört werden würde.

3. Die Zukunft des Landtages

Eine Stärkung des Parlamentarismus ist in der Steiermark dringend notwendig. In vielen Ländern ist es gute demokratische Tradition, dass eine starke Regierung einer starken Opposition gegenübersteht.

Die Zukunft des Landtages liegt in der Kontrolle der Regierung und nicht in der Gesetzgebung. Tatsächlich hat der Landtag durch die Überlagerung der EU-Ebene Kompetenzen in der Gesetzgebung eingebüßt. Vieles, was der Landtag heute als Gesetz beschließt, ist eine Umsetzung von EU-Recht oder Bundesrecht und damit entbehrlich. Des weiteren beschließt der Landtag Gesetze, wo es wenig nachvollziehbar ist, warum jedes Bundesland eine eigene Regelung braucht. Wozu hat Österreich neun verschiedene Bauordnungen, Naturschutzgesetze oder Sozialhilfegesetze?

Die Kontrollrechte des Landtages sind auszubauen. Die Funktion des Landtages hat sich von der Legislative zunehmend auf die Kontrolle der Landesregierung verlagert. Der Ausbau der Kontrollrechte, insbesondere für nicht der Landesregierung angehörende Landtagsklubs und Landtagsabgeordnete, ist daher von entscheidender Bedeutung für die Zukunft des Landtages.

4. Ausbau der Kontrollrechte

Grundvoraussetzung für eine wirksame Kontrolle der Landesregierung ist eine ausreichende personelle und infrastrukturelle Ausstattung der Opposition im Landtag. Es braucht ein Bekenntnis dazu, dass Demokratie auch Geld kostet. Diese Grundausstattung ist gesetzlich zu verankern und von der Disponibilität von Verhandlungen nach Wahlen loszulösen.

Entscheidend für den Stellenwert der Kontrolle im Landtag ist die Kontrolle des Budgets als Schlüsselfunktion der Opposition. Dazu gehören ein Stellungnahmerecht des Landesrechnungshofes zum Budgetentwurf und Rechnungsabschluss und zwar vor der Beschlussfassung im Landtag, die Erstellung des Rechnungsabschlusses durch den Landesrechnungshof, die ausreichende Determinierung der außer- und überplanmäßigen Ausgaben durch die Landesregierung, mittelfristige Leitlinien der Budgetpolitik durch einen ständigen Budgetausschuss des Landtages (vgl. §12, §13 Bundeshaushaltsgesetz), sowie ein begleitender Budgetvollzug durch einen ständigen Ausschuss des Landtages.

In der Geschäftsordnung sind
  • die Pflichten der Landesregierung,
  • die Rechte der Landtagsklubs unabhängig von ihrer Größe und
  • die Rechte der einzelnen Abgeordneten zu stärken,
um wirksame Kontrolle ausüben zu können.

Dazu gehören unter anderem:

  • Einberufung einer Landtagssitzung durch jeden Landtagsklub
  • Dringliche Anfrage durch jeden Landtagsklub
  • Prüfantrag an den Landesrechnungshof durch jeden Landtagsklub
  • Rederecht des Landesrechnungshofes im Landtag
  • Recht auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses für jeden Landtagsklub
  • Kontrollrechte des Landtages bei Ausgliederungen
  • Zugang zu Tagesordnungen und Sitzungsprotokollen der Landesregierung für jeden Landtagsklub
  • Akteneinsicht für Landtagsabgeordnete
  • Verbindliche Berichtspflicht der Landesregierung über die Umsetzung von Entschließungen
  • Redezeitbeschränkungen für Mitglieder der Landesregierung
  • Verankerung der Landeshauptleutekonferenz in der Landesverfassung und Zugang des Landtages zu Tagesordnungen und Ergebnissen der Landeshauptleutekonferenz
  • Verbot der gleichzeitigen Ausübung von Regierungsamt und Obfrauschaft in einem Landtagsklub

Es wird daher der
 
Antrag
 
gestellt:
Der Landtag wolle beschließen:
 
Die Steiermärkische Landesregierung wird aufgefordert, dem Landtag eine Novelle zum Steiermärkischen Landes-Verfassungsgesetz vorzulegen, wodurch

1. das Proporzsystem in der Landesregierung abgeschafft wird,

2. die Anzahl der Mitglieder der Landesregierung von 9 auf 7 reduziert wird,

3. die Anzahl der Sitze im Landtag unverändert bleibt, und

4. mit nachfolgenden Punkten eine Stärkung der Kontrollrechte des Landtages als Gegengewicht zur Abschaffung des Proporzes bewirkt werden soll:

  • Einberufung einer Landtagssitzung durch jeden Landtagsklub
  • Dringliche Anfrage durch jeden Landtagsklub
  • Prüfantrag an den Landesrechnungshof durch jeden Landtagsklub
  • Einbeziehung des Landesrechnungshofes beim Landesrechnungsabschluss
  • Rederecht des Landesrechnungshofes im Landtag
  • Recht auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses für jeden Landtagsklub
  • Kontrollrechte des Landtages bei Ausgliederungen
  • Verbindliche Berichtspflicht der Landesregierung über die Umsetzung von Entschließungen
  • Zugang zu Tagesordnungen und Sitzungsprotokollen der Landesregierung für jeden Landtagsklub
  • Redezeitbeschränkung und Eintragung in die RednerInnenliste für Mitglieder der Landesregierung
  • Verankerung der Landeshauptleutekonferenz in der Landesverfassung und Zugang des Landtages zu Tagesordnungen und Ergebnissen der Landeshauptleutekonferenz
  • Verbot der gleichzeitigen Ausübung von Regierungsamt und Obfrauschaft in einem Landtagsklub
  • Akteneinsicht für Landtagsabgeordnete
  • Stärkung der Budgethoheit des Landtages
 
Ingrid Lechner-Sonnek eh., Mag. Edith Zitz eh., Peter Hagenauer eh."
 
 
Dieser Antrag wurde einem Unterausschuss zugewiesen, der zu einem umfassenden Vorschlag einer Verfassungsnovelle führte, der dem Landtag als Abänderungsantrag zur Einl. Zahl 829/1 vorgelegt wird.

Es wird daher der

Antrag

gestellt:

Der Landtag wolle beschließen:

Der Bericht des Ausschusses für Verfassung zum Antrag, Einl.Zahl 122/1, der Abgeordneten Ingrid Lechner-Sonnek, Mag. Edith Zitz und Peter Hagenauer betreffend Abschaffung des Proporzes bei gleichzeitiger Stärkung der Kontrolle und Minderheitenrechte im Landtag wird zur Kenntnis genommen.