LANDTAG STEIERMARK
XV. GESETZGEBUNGSPERIODE


EZ/OZ: 2468/1

Dringliche Anfrage (§ 68 GeoLT)

eingebracht am 16.10.2008, 13:27:55


Landtagsabgeordnete(r): Ingrid Lechner-Sonnek (Grüne), Edith Zitz (Grüne), Lambert Schönleitner (Grüne)
Fraktion(en): Grüne
Regierungsmitglied(er): Hermann Schützenhöfer

Betreff:
Abschaffung des Proporzsystems

Die sich regelmäßig wiederholenden kleinlichen Querelen zwischen den beiden Parteien in der Landesregierung, die zum gemeinsamen Regieren gezwungen sind, zeigen der Bevölkerung ein negatives Bild von Politik, verstellen bei den Regierungsparteien den Blick auf das Wesentliche und begünstigen das Aufkeimen von Protestparteien der extremen Rechten zum Schaden der Zukunftsfähigkeit der Steiermark.
  
Der Proporz ermöglicht und begünstigt, dass jeweils eine Regierungspartei die andere Regierungspartei mit Blockadepolitik hemmen kann, was dann zur völligen politischen Lähmung der Regierung führt. Über der Proporzregierung hängt ständig das Damoklesschwert der Entscheidungsunfähigkeit, wenn eine Partei der Zwangsgemeinschaft einschätzt, dass eine Entscheidung zwar notwendig ist, der anderen Partei aber nützen würde.

Zudem werden teure Abtauschgeschäfte für anlassbezogene Kompromisse begünstigt: Statt eines umsetzungsorientierten Regierungsprogramms folgen ad hoc-Abtauschgeschäfte, um Mehrheiten innerhalb der Regierung zu finden. Das führt zur Verschwendung öffentlicher Mittel und zu Postenbesetzungen fernab qualitätssichernder Überlegungen.

Auch ziel- und planloses Dahinregieren ist im Proporzsystem systemimmanent. Die Regierung ist nicht gezwungen, sich auf ein Programm zu einigen, da jede Partei aufgrund eines Wahlergebnisses statt aufgrund einer inhaltlichen Übereinkunft automatisch in der Regierung sitzt.

All diese Gründe sprechen dafür, die Lähmung des politischen Systems zu beenden und mit einer modernen Landesverfassung mit Majorzsystem eine qualitätssichernde Maßnahme für die Politik zu schaffen.
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SPÖ, KPÖ und Grüne haben sich aus diesen Gründen auf eine umfassende Reform der Landesverfassung geeinigt, mit der das Proporzsystem abgeschafft werden soll. Es sollten die Verantwortung der Regierung und die Kontrollrechte der Opposition gleichzeitig gestärkt und die Minderheitenrechte und Rechte der Abgeordneten ausgebaut werden.
 
Die ÖVP hat sich jahrelang für die Abschaffung des Proporzes ausgesprochen. Obwohl die Abschaffung des Proporzes im Arbeitsprogramm der Landesregierung als Ziel festgehalten ist, hat sich die ÖVP seit 2005 jedoch aus vordergründigen machtpolitischen Gründen dieser Reform der Landesverfassung verweigert. Statt das landespolitische Interesse im Auge zu haben, war der ÖVP nur wichtig, ihr Verbleiben in der Regierung unabhängig von Wahlergebnissen sicherzustellen.
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Nun tritt LHStv. Schützenhöfer aber auf Bundesebene dafür ein, das Modell der "großen" Koalitionen zu beenden. Er plädiert innerhalb der ÖVP am schärfsten gegen die Fortführung der Koalition mit der SPÖ:
 
9. Juli: Schützenhöfer: "Diese Scheidung ist eine Erlösung" (Österreich)
 
29. September: Schützenhöfer: "Dass die Koalition der Verlierer, die jetzt eine ,kleine Koalition' wäre, weitermachen muss, um die diversen Jobs zu retten, wäre wohl der falsche Schluss" (Kleine Zeitung)
 
29. September: Schützenhöfer: "Diese Art der Politik, wie wir sie jetzt in den letzten knapp zwei Jahren, oder 18 Monaten erlebt haben, fortzusetzen wäre die Grundlage für nächste Niederlagen." (ORF)
 
30. September: Schützenhöfer: "Aber eine Regierung in der wir Beiwagerl der SPÖ sind, kommt für mich nicht in Frage." (ORF)
 
30. September: Schützenhöfer: "Die Menschen draußen, die Bürgermeisterinnen und   Bürgermeister, die Ortsobleute laufen für die Volkspartei, und sehen wie uns die SPÖ hier, in Geiselhaft nehmen will und wie sie vor allem unsere Spitzenleute behandelt hat. Also, da gibt es jetzt eine Kluft, die nicht so leicht zu überwinden sein wird." (ORF)
 
3. Oktober: Schützenhöfer warnt davor, dass "sich die ÖVP von der SPÖ in den Schwitzkasten" nehmen lasse. (Presse)
 
7. Oktober: Schützenhöfer: "Diese Koalition aus SPÖ und ÖVP ist abgewählt." (ORF)
 
14. Oktober: Schützenhöfer: "Die große Koalition ist abgewählt." (Kleine Zeitung)
 
14. Oktober: Schützenhöfer: "Ich bin nicht mehr dafür zu haben, sozusagen jetzt unter dem Motto: Die Zeiten werden schwieriger, rasch zu einer Regierung zu kommen, um dann vor den alten Problemen zu stehen." (ORF)
 
15. Oktober: "Es geht darum ob wir die Wählerschaft verstanden haben oder ob die Entfremdung zwischen der Wählerschaft und der Volkspartei fortgesetzt wird." (Kleine Zeitung)

Das Erscheinungsbild der Landesregierung in der Steiermark unterscheidet sich nicht im geringsten von der gescheiterten SPÖ-ÖVP-Bundesregierung. Ganz im Genteil: seit nunmehr drei Jahren ist die Zwangsgemeinschaft von SPÖ und ÖVP in der Landesregierung gekennzeichnet durch Streit und Hader. Zum Beispiel versucht die ÖVP mit einer Serie von Dringlichen Anfragen an den Landeshauptmann, diesen in seinem Ansehen zu beschädigen, statt in der Landesregierung gemeinsame Lösungen zu erarbeiten, die der Bevölkerung wirklich nützen. 

LHStv. Schützenhöfer muss sich die Frage gefallen lassen, was die große Koalition auf Bundes- und Landesebene so sehr unterscheidet, dass er sie auf Bundesebene mit allen Mitteln verhindern will, auf Landesebene aber mit Zähnen und Klauen verteidigt.

1. Warum haben Sie nach jahrzehntelangen Forderungen der Landes-ÖVP nach Abschaffung des Proporzsystems im entscheidenden Moment, als dies beschlossen werden hätte können, eine Kehrtwende vollzogen?
2. Wodurch unterscheidet sich die große Koalition auf Bundesebene von der Zwangsgemeinschaft von SPÖ und ÖVP auf Landesebene in ihrer Unfähigkeit zur konstruktiven Zusammenarbeit im Dienste der Bevölkerung?
3. Werden Sie weiterhin die Verfassungsnovelle zur Abschaffung des Proporzsystems bei gleichzeitiger Stärkung der Kontroll- und Minderheitenrechte der Opposition blockieren, auf die sich SPÖ, KPÖ und Grüne geeinigt haben?
4. Sehen Sie einen eigenen Anteil daran, dass die Landesregierung zu einer konstruktiven Zusammenarbeit meist nicht in der Lage ist? 


Unterschrift(en):
Ingrid Lechner-Sonnek (Grüne), Edith Zitz (Grüne), Lambert Schönleitner (Grüne)