Der Ausschuss "Wirtschaft" hat in seinen Sitzungen vom 08.04.2008 und 14.10.2008 über den oben angeführten Gegenstand die Beratungen durchgeführt.
In der Sitzung des Ausschusses für Wirtschaft und Tourismus wurde am 8. April 2008 der Beschluss gefasst, die Landesregierung um Stellungnahme zum selbstständigen Antrag, Einl.Zahl 2005/1 der Abgeordneten Kasic und Kainz betreffend "Girls` Day und TöchterTag" zu ersuchen. Die Fachabteilung 6A wurde um federführende weitere Bearbeitung des Antrages unter Einbindung der Fachabteilung 11A ersucht.
Einleitend dürfen die beiden Projekte vorgestellt werden:
Sowohl Girls’ Day als auch Töchtertag haben ihren Ursprung in den USA, wo 1993 zum ersten Mal in New Orleans von der Organisation "Ms. Foundation for Women" der "Take our daughters to work day" veranstaltet wurde.
In Österreich werden die Girls’ Days und TöchterTage von den Frauenreferaten der Bundesländer beauftragt bzw. durchgeführt. Am Wiener TöchterTag (der am gleichen Tag wie der Steirische Girls’ Day stattfindet) nehmen auch das Parlament und das Frauenministerium teil. In der Steiermark findet der Girls` Day seit Jahren in allen steirischen Bezirken am vierten Donnerstag im April - wie in den meisten Bundesländern und Ländern (Ausnahme: Vorarlberg: 19. Juni 2008\; Schweiz: Tochtertag 13. November 2008\; Luxemburg: Dienstag 22. April 2008) und der steirische TöchterTag am ersten Freitag im Juni statt. Der TöchterTag startete vor fünf Jahren in einem Bezirk und jedes Jahr kommt ein neuer Bezirk dazu. 2008 fand er bereits in fünf steirischen Bezirken statt.
Mädchen entscheiden sich bei ihrer Berufswahl noch immer sehr häufig für "typisch weibliche" Berufsfelder und Studienfächer. Damit schöpfen sie ihre Berufsmöglichkeiten nicht voll aus und wählen hauptsächlich Berufe mit geringem Einkommen und wenig Aufstiegschancen. Girls' Day und TöchterTag bieten Einblicke in unterschiedlichste nicht-traditionellen Berufsfelder, dienen als Orientierungshilfe und tragen dazu bei, die Lebens- und Berufswahlperspektiven von Mädchen zu erweitern und den Anteil der weiblichen Beschäftigten in den sogenannten "Männerberufen" zu erhöhen. Diese Maßnahmen erschließen den Betrieben weibliche Fachkräfte für die Zukunft: Klischee- und Rollenbilder von Frauen in der Berufswelt werden hinterfragt und Betriebe öffnen sich für die Ausbildung von Mädchen.
Der Girls’ Day
Gefördert wird der Girls’ Day vom Land Steiermark, FA6A Referat Frau-Familie-Gesellschaft. Durchgeführt wird er in Kooperation mit der Steirischen Volkswirtschaftlichen Gesellschaft, dem AMS, der AK Steiermark, dem Landesschulrat für Steiermark, den Schulen und Betrieben. Einen großen Zuspruch findet der Girls` Day auch bei den zahlreichen Institutionen, die diesen Tag unterstützen: Industriellenvereinigung Steiermark, "Initiative Faszination Technik", WKO Steiermark und der Initiative FIT-Frauen in die Technik.
Ziel ist, dass Mädchen durch persönliche Gespräche mit MitarbeiterInnen und Lehrlingen viele praktische Erfahrungen sammeln, Kontakte zu ArbeitgeberInnen knüpfen und ihre Wünsche und Fähigkeiten mit der realen Arbeitswelt abgleichen können. Die Mädchen können im Betrieb verschiedenste Tätigkeiten ausprobieren und - je nach gewähltem Beruf - unter Anleitung schweißen, hobeln, löten oder z. B. die Arbeit einer Zerspanungstechnikerin kennen lernen. Die Betriebe - vorwiegend Betriebe mit handwerklich-technischen Berufen, darüber hinaus sind auch das Schulungszentrum Fohnsdorf und Landesberufsschulen beteiligt - stellen dafür nicht nur die nötigen Schnupperplätze in den unterschiedlichsten Berufsfeldern zur Verfügung, sondern begleiten die Mädchen auch durch ihren Schnuppertag und geben Auskunft über Arbeitswelt, Jobprofile und Arbeitsbedingungen. Viel Wert wird bei diesem Projekt vor allem auf die inhaltliche Vor- und Nachbereitung gelegt, die in den Berufsorientierungsprozess in der Schule (in Zusammenarbeit mit BerufsorientierungslehrerInnen) eingebunden ist. In der Vorarbeit wird mit allen teilnehmenden Mädchen eine intensive Vorbereitung an der Schule durchgeführt, wo die Schülerinnen über die "mädchenuntypischen" Lehrberufe informiert, Vorurteile aufgearbeitet und Fragen an UnternehmerInnen vorbereitet werden.
In Kleingruppen (5-6 Mädchen pro Betrieb) nehmen die Mädchen einen Tag lang "Männerberufe" genauer unter die Lupe und lernen neue Ausbildungschancen kennen. Begleitend zum Aktionstag werden ein Imagefolder sowie eine Broschüre herausgegeben, die alle Berufe, in die am Girls` Day hineingeschnuppert werden können, umfassend vorstellen.
Zielgruppe sind Mädchen der 7. und 8. Schulstufe (13-14 Jahre) aller Schultypen (in allen Bezirken der Steiermark). 2008 haben sich 66 Schulen, 136 Betriebe und 857 Mädchen beteiligt. 2008 wurden erstmalig auch regionale Nachbereitungsveranstaltungen gemeinsam mit den regionalen Partnern (Eltern sind eingeladen) durchgeführt.
Der TöchterTag
Gefördert wird der Töchtertag vom Land Steiermark, Ressort Soziales, Arbeit und Kultur sowie Ressort Jugend, Frauen, Familie und Bildung - FA6A Referat Frau-Familie-Gesellschaft und AMS. Durchgeführt wird er vom Verein MAFALDA in Kooperation mit Schulen, Eltern, Unternehmen und regionalen AkteurInnen. Unterstützt wird der Töchtertag vom Landesschulrat Steiermark, der Industriellenvereinigung und von folgenden Stellen in den teilnehmenden Bezirken: Wirtschaftskammern, Stadtgemeinden, Bezirkshauptmannschaften, BezirksschulinspektorInnen. MAFALDA, die einzige steirische Mädcheneinrichtung, beschäftigt sich seit 1989 mit dem Thema "Mädchen und Technik". Der MAFALDA-TöchterTag mit seinen speziellen Elementen (Eltern als zentrale Zielgruppe, LehrerInnenfortbildung, Evaluation, etc.) basiert auf den Erkenntnissen dieser langjährigen Erfahrungen und ist in die laufende Arbeit des Vereins eingebunden.
Mädchen begleiten am TöchterTag einen Elterteil direkt an den Arbeitsplatz, bevorzugt in einen handwerklich-technischen Berufszweig. Durch den persönlichen Bezug zur Begleitperson wird ein Rahmen geschaffen, der es den Schülerinnen ermöglicht, sich bereits früh an den Berufsalltag heranzutasten. Die Eltern werden durch die Teilnahme am TöchterTag auf handwerklich-technische Berufsperspektiven für ihre Töchter aufmerksam gemacht. Denn, wie zahlreiche Studien belegen, sind die Eltern die wichtigsten RatgeberInnen bei der Ausbildungswahl.
Durch die Einbeziehung der Eltern besuchen die Mädchen nicht nur Industriebetriebe sondern auch eine große Anzahl von Klein- und Mittelunternehmen, die in der Lehrlingsausbildung eine wichtige Rolle spielen und die steirische Unternehmenslandschaft prägen.
Die Schule als eine wesentliche Sozialisationsinstanz wird beim TöchterTag ebenfalls einbezogen. Durch die LehrerInnenfortbildung, die MAFALDA zur Vorbereitung des TöchterTages durchführt, erhalten die LehrerInnen eine Einführung in geschlechterreflektierende Pädagogik mit Schwerpunkt Berufsorientierung und Methodenanregungen für die Vor- und Nachbereitung des TöchterTages sowie für reflektierende Burschenarbeit (durch einen Referent der Männerberatungsstelle) am TöchterTag. Eine erhöhte Nachhaltigkeit ist dadurch gegeben.
Begleitend zur Maßnahme Töchtertag wird auch hier ein Imagefolder sowie eine Broschüre herausgegeben (Deren Verteilung erfolgt über die Regionalstellen der Wirtschaftskammern mit einem Begleitschreiben an die handwerklich-technischen Betriebe der jeweiligen Region\; die Bezirkshauptmannschaften übermittelten an alle 187 BürgermeisterInnen der fünf Bezirke ein Informationsschreiben samt TöchterTag-Folder\; alle Hauptschulen und AHS-Unterstufen in den Bezirken werden eingeladen, sich am TöchterTag zu beteiligen.). Um eine breite Öffentlichkeit für das Thema "Mädchen und nicht-traditionell weibliche Berufe" zu sensibilisieren, hat die Medienarbeit beim TöchterTag hohe Priorität.
Zielgruppe sind Mädchen zwischen 10-14 Jahren. 2008 wurde der Töchtertag in den Bezirken Bruck, Deutschlandsberg, Leibnitz, Leoben und Weiz durchgeführt. In den fünf Bezirken haben sich 1014 Mädchen aus 40 Schulen und 851 Betriebe beteiligt. Weitere 75 Mädchen haben in Leibnitz bei Mitmach-Stationen von MAFALDA, der Medienwerkstatt-Graz, dem Polytechnischen Lehrgang Leibnitz und der HTBLA Kaindorf gesägt, gebohrt, gelötet, programmiert und im Erzählcafé Frauen in technischen Berufen persönlich kennen gelernt.
Auch die Eltern sind durch einen Informationsbrief mit Anregungen zur Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung des TöchterTages involviert. Durch den gemeinsam verbrachten Berufsorientierungstag findet ein wichtiger Teil der Vor- und Nachbereitung innerhalb der Familie statt. Alle Beteiligten erhalten auf Anfrage Beratung und Unterstützung zum TöchterTag. Weiters steht allen Zielgruppen des TöchterTages das umfangreiche Beratungsangebot der Mädcheneinrichtung MAFALDA auch für Fragen, die nicht den TöchterTag betreffen, zur Verfügung.
Um den TöchterTag in Bezug auf seine Akzeptanz und Wirksamkeit zu überprüfen und die Anregungen beim nächsten Mal berücksichtigen zu können, erhalten alle Zielgruppen - Mädchen, Eltern, LehrerInnen und Betriebe - Fragebögen zur Beurteilung des Projektes. Die Ergebnisse 2007: 98% der Mädchen (Rücklauf 72 %) würden den TöchterTag ihrer besten Freundin weiterempfehlen, 97% der Betriebe (Rücklauf 77,7 %) bewerteten das Projekt TöchterTag mit "sehr gut" oder "gut" und 97 % der Eltern würden die Teilnahme am TöchterTag anderen Eltern empfehlen.
Die FA 11A führt in ihrer Stellungnahme vom 27. Mai 2008 wie folgt aus:
"Am Töchtertag begleiten Mädchen im Alter zwischen 10 bis 14 Jahren einen Elternteil (oder eine andere erwerbstätige Bezugsperson) zur Arbeit, der bevorzugt in einem handwerklich-technischen Berufszweig tätig ist. Diese spezielle Form der Berufsorientierung eröffnet einer großen Anzahl von Mädchen frühzeitig die Chance, realistische Vorstellungen von der Arbeitswelt zu bekommen, vorwiegend in nicht traditionellen Berufsfeldern zu schnuppern und dadurch den Horizont an Berufswahlmöglichkeiten zu erweitern.
Weiters findet durch die Einbeziehung der für den Berufswahlprozess verantwortlichen AkteurInnen (LehrerInnen, Eltern, Unternehmen) eine Bewusstseinsbildung auf breiter Ebene statt. Eltern werden in den Berufsorientierungsprozess der Töchter eingebunden und für das Thema "Mädchen und Technik" sensibilisiert, Unternehmen werden motiviert, Mädchen auszubilden bzw. als Fachkräfte zu beschäftigen.
Nur im Zusammenwirken relevanter AkteurInnen kann der Abbau von Diskriminierungen aufgrund des Geschlechts gelingen. Der Töchtertag 2008 findet am 6.6.2008 in den Bezirken Deutschlandsberg, Bruck/Mur, Leoben, Leibnitz und Weiz statt. 2007 nahmen 830 Mädchen aus 30 Hauptschulen in 660 Betrieben am Töchtertag teil. Im Vergleich dazu nahmen am Girls` Day 616 Mädchen und 86 Betriebe teil.
Sowohl der Girls` Day als auch der Töchtertag sind Maßnahmen der Berufsorientierung. Im Gegensatz zum Girls` Day beginnt die Sensibilisierungsarbeit beim Töchtertag bereits ab dem 10. Lebensjahr und nicht erst in den letzten Schulstufen. Dabei haben die Mädchen die Möglichkeit Lebens- und Berufsbilder auf den Arbeitsplätzen der Eltern kennen zu lernen. Mädchen erhalten schon vor der Berufsentscheidung ein realistisches Bild der Arbeitswelt und können ihr Berufswahlspektrum erweitern. Neben den Jugendlichen werden auch die Eltern und LehrerInnen, die einen sehr großen Einfluss auf das Berufswahlverhalten der Mädchen haben, schon zu einem frühen Zeitpunkt insbesondere hinsichtlich Abbau geschlechtsspezifischer Hemmnisse bei der Berufswahl informiert und sensibilisiert. Gleichsam werden dem Lehrpersonal Methoden des geschlechtssensiblen Unterrichtens von der 5. Schulstufe an vermittelt.
Aus der Sicht der FA11A ergänzen die beiden Berufsorientierungsmaßnahmen einander und sollen unter Schonung der Ressourcen und Nutzung von Synergien weitergeführt werden.
Im November 2007 gab es einen runden Tisch, an dem Vertreterinnen der Ressorts Bildung, Soziales und Wirtschaft teilgenommen haben. Die Sinnhaftigkeit beider Projektansätze, Girls` Day und Töchtertag, wurde von allen Teilnehmerinnen außer Frage gestellt. Es wurde auch festgelegt, dass beide Projekte 2008 so wie bisher stattfinden sollen. Gleichzeitig wurde eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die im Sinne der Synergienutzung beider Ansätze eine Kosten sparende Lösung für eine Umsetzung 2009 erarbeiten soll."
Zusammenfassend wird festgehalten:
Der steirische Girls’ Day und der Töchtertag sind eine Prozess begleitende, für alle Beteiligten betreute Maßnahme für junge Mädchen, die sich mit nicht-traditionellen Berufen beschäftigen und in einen mädchen-untypischen Beruf in regionalen Betrieben "reinschnuppern", Hand anlegen und ausprobieren. Mädchen erleben durch einen praxisnahen Einblick in die Arbeitswelt bereits eigenständige Erfahrungen in Richtung "möglicher eigener Arbeitsplatz" in neuen Mädchen untypischen Berufen.
Beide Projekte verfolgen somit die selben Ziele, unterscheiden sich, wie bereits ausgeführt, in der Schwerpunktsetzung und Durchführung. Beide Projekte sind sinnvolle, geeignete und gut eingeführte Maßnahmen, um eine Erhöhung des Frauenanteils in technischen Berufen zu erreichen und die Diskriminierung von Mädchen und Frauen am Arbeitsmarkt aufzuzeigen und aufzulösen. Es gilt, zwischen dem Girls´Day und dem Töchtertag eine gute Abstimmung und damit bestmögliche synergetische Effekte sicherzustellen, um auch weiterhin mit den engesetzten Ressourcen Mädchen und jungen Frauen bestmöglichen Zugang zu "untypischen" Berufen zu ermöglichen.
Der Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Tourismus, zum Antrag Einl.Zahl 2005/1, der Abgeordneten Kasic und Kainz betreffend "Girls´Day und Töchtertag" wird zur Kenntnis genommen.