EZ/OZ: 2879/1
Regierungsvorlage
eingebracht am 27.04.2009, 00:00:00
Geschäftszahl(en): FA1E-L1.30-323/2006-55
Zuständiger Ausschuss: -
Regierungsmitglied(er): Franz Voves
Betreff:
Beschluss des Landtages Steiermark Nr. 995 vom 22. April 2008 betreffend EURATOM-Verträge\; Antwortschreiben des Bundeskanzleramts
1. Der Landtag Steiermark hat mit dem Beschluss Nr. 995 vom 22. April 2008 die Steiermärkische Landesregierung aufgefordert,
" …sich bei der Bundesregierung vehement dafür einzusetzen, dass diese im Sinn einer aktiven Anti-Atom-Politik den Austritt aus EURATOM konsequent betreibt - sofern die Revision des EURATOM-Vertrags in absehbarer Zeit nicht zu erwarten ist, wobei der Verbleib Österreichs in der Europäischen Union gesichert bleiben muss."
2. Nach Beschluss der Landesregierung vom 23. Juni 2008 wurde in Ausführung dieser Aufforderungen ein Schreiben von Landeshauptmann Mag. Franz Voves an den Bundeskanzler gerichtet.
In diesem Brief wurden der genannte Beschluss des Landtages Steiermark dargestellt und der Bundeskanzler um eine Äußerung ersucht.
3. Mit Schreiben vom 2. Februar 2009 hat das Bundeskanzleramt ein Antwortschreiben an Landeshauptmann Mag. Franz Voves mit folgendem Inhalt übermittelt:
"Zu Ihrem Schreiben vom 2. Juni 2008, GZ: FA1E-L1.30-323/2006-55, mit dem Sie den Beschluss Nr. 995 des Steiermärkischen Landtages vom 22. April 2008 zu den EURATOM - Verträgen vorlegen, kann ich Ihnen auf Grundlage der bei den zuständigen Bundesministerien eingeholten Stellungnahmen nachfolgende Antwort übermitteln:
Österreich hat von Beginn seiner EU-Mitgliedschaft an Reformbemühungen unterstützt und wiederholt selbst Initiativen zur Reform des EURATOM-Vertrags gestartet, insbesondere um den Förderzweck zu eliminieren, den Schutzzweck auszubauen, einen fairen Wettbewerb herzustellen und die Entscheidungsprozesse zu demokratisieren.
Nach intensivstem Lobbying Österreichs haben im Jahr 2004 fünf der damals 25 Mitgliedstaaten eine Erklärung zum Verfassungsvertrag, welche eine Revisionskonferenz fordert, unterstützt. Diese Erklärung wurde in den Vertrag von Lissabon übernommen. Dies hat einerseits gezeigt, dass Österreich mit diesem Bestreben nicht alleine ist, zeigte aber andererseits ganz deutlich, dass die für die Einsetzung einer Regierungskonferenz erforderliche Mehrheit, insbesondere aber die für eine Änderung des EURATOM-Vertrages erforderliche Einstimmigkeit, noch nicht gegeben ist. Daher müssen die Anstrengungen weiterhin darauf konzentriert werden, die Unterstützerbasis für eine Reform zu erweitern und zu festigen.
Die Prüfung eines möglichen einseitigen Austritts aus dem EURATOM-Vertrag wurde von der Bundesregierung bei den zuständigen österreichischen Stellen, dem Verfassungsdienst des Bundeskanzleramtes sowie dem Völkerrechtsbüro des Bundesministeriums für europäische und internationale Angelegenheiten, in Auftrag gegeben.
Hierbei wurde festgestellt, dass ein einseitiger Austritt Österreichs aus dem EAGV aus europarechtlichen Gründen nicht möglich ist, weil die EU-Verträge eine allumfassende Mitgliedschaft festlegen und somit ein Austritt aus nur einem der Gründungsverträge nicht erfolgen kann. Auch sind die Verträge auf Dauer ausgelegt und sehen daher einen Austritt nicht ausdrücklich vor. Selbst nach den Regeln des Völkerrechts ergibt sich in Ermangelung einer ausdrücklichen Austrittsbestimmung keine Möglichkeit eines einseitigen Austritts. Art. 56 Wiener Vertragsrechtskonvention erlaubt nämlich den einseitigen Austritt aus einem völkerrechtlichen Vertrag, der keine Bestimmung über seine Beendigung enthält, nur dann, wenn feststeht, dass die Vertragsparteien beabsichtigten, die Möglichkeit einer Kündigung oder eines Austritts zuzulassen, oder wenn sich ein solches Recht aus der Natur des Vertrages herleiten lässt. Ebendies ist aber beim - auf Dauer angelegten - EAGV nach herrschender Rechtsmeinung nicht der Fall.
Ein verhandelter Austritt, also ein einvernehmliches Ausscheiden aus dem Vertrag, wäre prinzipiell möglich. Dies würde aber die Zustimmung aller EU-Mitgliedstaaten voraussetzen. Schon bei unserer Forderung nach einer Reform des EURATOM-Vertrages wurden wir nur von 4 EU-Mitgliedstaaten unterstützt (Deutschland, Irland, Schweden, Ungarn). Da schon zu dieser Frage die notwendige Einstimmigkeit nicht möglich war und ein einseitiger Austritt zu sehr umfangreichen und alle Partner betreffenden Anpassungen im strukturellen, rechtlichen und finanziellen Gefüge der Gemeinschaft führen würde, ist die Zustimmung aller Partner zu einem einvernehmlichen Austritt Österreichs nicht zu erwarten.
Betreffend die Höhe und Mittelverwendung der österreichischen Beiträge im Zusammenhang mit EURATOM sei festgehalten, dass es ein "EURATOM-Budget" nicht gibt und somit auch Österreichs Beitrag zu EURATOM nicht bezifferbar ist. Seit dem "Fusionsvertrag" von 1967 gibt es nur ein umfassendes Gemeinschaftsbudget. Einzelne Ansätze dieses Budgets haben "gemischte" Rechtsgrundlagen. Dies bedeutet, dass bestimmte Ausgaben ihre Rechtfertigung sowohl im EURATOM-Vertrag als auch in einem anderen europäischen Vertrag finden. Es gibt aber auch gemeinschaftliche Ausgaben, die eindeutig EURATOM zugeschrieben werden können, wie etwa EURATOM-Forschung oder die Finanzhilfen zur Verbesserung der nuklearen Sicherheit in Drittstaaten und die Stilllegung von Kernkraftwerken.
Unbeschadet der Frage der rechtlichen Möglichkeit eines Ausstiegs aus dem EURATOM- Vertrag würde ein einseitiger Ausstieg jedenfalls bedeuten, dass Österreich sein Mitspracherecht und damit die Möglichkeit, seine nuklearpolitischen Ziele einzubringen, in diesem Bereich vollkommen verlieren würde. Vor allem aber wäre - sollten auch noch andere Länder diesem Beispiel folgen - ein nukleares Kerneuropa die Folge. Eine solche Entwicklung könnte unabsehbare Konsequenzen haben."
Beschluss der Steiermärkischen Landesregierung vom 20. April 2009.
Es wird daher der
Antrag
gestellt:
Der Landtag wolle beschließen:
Der vorliegende Bericht der Steiermärkischen Landesregierung zum Beschluss des Landtages Steiermark Nr. 995 vom 22. April 2008 betreffend EURATOM-Verträge sowie über das Antwortschreiben des Bundeskanzleramts wird zur Kenntnis genommen.