LANDTAG STEIERMARK
XV. GESETZGEBUNGSPERIODE


EZ/OZ: 2890/1

Selbstständiger Antrag von Abgeordneten (§ 21 GeoLT)

eingebracht am 30.04.2009, 08:52:19


Landtagsabgeordnete(r): Werner Murgg (KPÖ), Claudia Klimt-Weithaler (KPÖ), Ernest Kaltenegger (KPÖ)
Fraktion(en): KPÖ
Zuständiger Ausschuss: -
Regierungsmitglied(er): Siegfried Schrittwieser

Betreff:
Dringend gebotene Maßnahmen im Pflegebereich I

Nach demographischen Berechnungen wird der Anteil der über 60-jährigen an der österreichischen Gesamtbevölkerung nach Angaben der Statistik Austria von derzeit 22,6 % auf 34,1 % im Jahr 2075 ansteigen. Die wichtigste Herausforderung wird daher die Finanzierung einer qualitativ hochwertigen Pflege sein. Da die Sozialbudgets Jahr für Jahr weniger werden und deshalb die Verantwortlichen mit den angeblichen "leeren Kassen" argumentieren, ist es notwendig, Alternativen aufzuzeigen.

Dabei geht es im Wesentlichen um vier Problembereiche, nämlich

  • Sicherstellung der Finanzierung der Pflege
  • Zugang zu mobilen und (teil)stationären Pflegeleistungen (Rechtsanspruch)
  • Qualitätssicherung der Pflege
  • Verbesserung der Situation der Beschäftigten und der pflegenden Angehörigen

Ziel ist es, jedem Bürger/jeder Bürgerin die bestmöglichste Pflege zu gewährleisten und dieses soziale Grundrecht als Menschenrecht letztendlich auch verfassungsmäßig zu verankern. In jedem Falle muss die pflegerische Versorgung über das Grundschema der gegenwärtigen Pflegepraxis "WARM, SATT UND SAUBER" deutlich hinausgehen.

Die Ausgangslage ist dadurch beschrieben, dass 114 von 196 (Stand: Herbst 2008) stationären Pflegeeinrichtungen in der Steiermark gewinnorientierte Unternehmen sind, und damit sozialwirtschaftliche Non-Profit-Organisationen oder Einrichtungen der öffentlichen Hand klar in der Minderzahl sind. Diese gewinnorientierten Unternehmen streichen Profite z.B. in Form von "Management-Fees" in Höhe von bis zu 10% des Umsatzes und mehr ein. Diese Profite müssen von der öffentlichen Hand, den Pflegebedürftigen und teilweise von deren Angehörigen bezahlt werden. Dies ist einer Situation, in der von einer drohenden Unfinanzierbarkeit der Pflege gesprochen wird, untragbar.

Ziel sollte es sein, mittelfristig gewinnorientierten Anbieter vom Markt zu verdrängen. Hinkünftig sollen nur mehr gemeinnützige oder öffentliche Anbieter stationäre Pflegeleistungen erbringen dürfen, wie dies auch in der mobilen Pflege der Fall ist.

In diesem Zusammenhang ist auf das Beispiel Irlands zu verweisen, wo die Pflege generell von der öffentlichen Hand getragen wird.


Das Personal in den Pflegeheimen gehört zu den am meisten belasteten Berufsgruppen. So ist die körperliche Belastung des Pflegepersonals durchaus mit jener der Bauarbeiter vergleichbar: 60 % von ihnen müssen regelmäßig schwere Lasten heben. Zwar werden genug Pflegekräfte ausgebildet, jedoch ist aufgrund der hohen Belastungen und der schlechten Bezahlung der Wechsel in andere (Sozial-)berufe enorm. Die durchschnittliche Verweildauer im Pflegeberuf liegt zwischen 5 und 6 Jahren. Da ein hoher Anteil der Beschäftigten im Pflegebereich Frauen sind, bedeutet ist bessere Entlohnung in diesem Sektor auch ein Beitrag zur Verringerung der statistischen Einkommensschere zwischen Frauen und Männern in Österreich.

Ein weiteres Problem ist, dass die ohnehin minimal bemessenen zeitlichen Betreuungsmindestwerte (z.B. 2 x 25 Minuten für die Körperpflege pro Tag) in der Realität weit unterschritten werden. Die Arbeitsbedingungen der Pflegekräfte müssen so gestaltet werden, dass zumindest diese Werte eingehalten werden können.

Hierbei ist, nachdem sich vor allem Pflegebedürftige der Stufe 3 und höher in stationären Einrichtungen aufhalten, vor allem der Pflegeschlüssel eine entscheidende Rolle.

In Wien etwa darf gem. § 4 (1) der Verordnung über Mindeststandards von Pflegeheimen und Pflegestationen (LGBL 31/2005) (Durchführungsverordnung zum Wiener Wohn- und Pflegeheimgesetz - WWPG) das Verhältnis der Bewohner nach deren Betreuungs- und Pflegebedarf zur Anzahl des Betreuungs- und Pflegepersonals folgenden Stand nicht unterschreiten:


Pflegegeldstufe
Betreuungs- und Pflegeperson
Bewohner
0
1
20
1
1
20
2
1
7
3
1
2
4
1
1,75
5
1
1,5
6
1
1,25
7
1
1


Demgegenüber sieht die Steiermärkische Personalschlüssel-VO (LGBl 408/2003) in den Pflegestufen IV 3 BewohnerInnen auf eine Pflegeperson, in V 2,8, in VI 2,5 sowie in VII 2 BewohnerInnen auf eine Pflegeperson vor. Sie liegt also in den pflegeintensiveren Stufen bei etwa der Hälfte des Wiener Niveaus. Die KPÖ fordert als ersten Schritt die Personalausstattung der stationären Pflegeeinrichtungen in den Pflegestufen IV-VII der Wiener Rechtslage anzugleichen.

Es wird daher der

Antrag

gestellt:

Der Landtag wolle beschließen:

Die Landesregierung wird aufgefordert,

1.) Eine Novelle der Steiermärkischen  Personalschlüssel-VO  vorzulegen, mit der die Anhebung des Pflegeschlüssels auf Wiener Niveau in den Pflegestufen IV-VII vollzogen wird,

2) Dafür Sorge zu tragen, dass die Entlohnung des Pflegepersonal zumindest dem Standard des BAGS-Kollektivvertrages entspricht,

3) keine Ausnahmebewilligungen für niedrigere Pflegeschlüssel zu gewähren,

4) Maßnahmen zu treffen um eine dichtere Kontrolle und effektivere Fachaufsicht über die steirischen Pflegeheime auszuüben, und dem Landtag hierüber Bericht zu erstatten, 

5) für die Durchführung regelmäßiger unvermuteter Kontrollen in allen Pflegeeinrichtungen zu sorgen, bei denen nicht nur die Pflegedokumentation, sondern auch andere Aufzeichnungen etwa betreffend Animation oder Tagesstrukturierung, ebenso wie die Einhaltung des Pflegeschlüssels sowie die Einhaltung der arbeitsrechtlichen Vorschriften überprüft werden,

5) Die verpflichtend anzubietende Supervision (und Fortbildung) für Pflegekräfte fortlaufend zu überprüfen.

Darüberhinaus wird die Landesregierung aufgefordert an die Bundesregierung mit dem Anliegen heranzutreten, weitere Verschlechterungen bei der Arbeitszeitgesetzgebung zum Schaden der PatientInnen und Beschäftigten im Pflegebereich zu verhindern, und Maßnahmen gegen Ausbeutung durch Scheinselbstständigkeit im Pflegebreich zu setzen.


Unterschrift(en):
Werner Murgg (KPÖ), Claudia Klimt-Weithaler (KPÖ), Ernest Kaltenegger (KPÖ)