LANDTAG STEIERMARK
XV. GESETZGEBUNGSPERIODE


TOP 23

EZ/OZ 2908/5

Schriftlicher Bericht

Ausschuss: Agrarpolitik

Betreff:
Pestizidwirkstoff Clothianidin im Maisanbau


zu:


  • 2908/1, Pestizidwirkstoff Clothianidin im Maisanbau (Selbstständiger Antrag)


Der Ausschuss "Agrarpolitik" hat in seinen Sitzungen vom 03.06.2009 und 13.10.2009 über den oben angeführten Gegenstand die Beratungen durchgeführt.

Zum Antrag der Landtagsabgeordneten Lambert Schönleitner, Mag. Edith Zitz und Ingrid Lechner-Sonnek liegt seitens der Steiermärkischen Landesregierung folgende Stellungnahme vor:

"Der Maiwurzelbohrer breitet sich seit Beginn der 90er Jahre in Europa aus. In Österreich ist der Maiswurzelbohrer im Jahr 2002 erstmals aufgetreten, in der Steiermark erfolgte die erste Feststellung im Rahmen des Maiswurzelbohrermonitorings im Jahr 2004. Der Maiswurzelbohrer gilt in der EU als Quarantäneschädling. Quarantäneschädlinge sind Schadorganismen an Pflanzen oder Pflanzenerzeugnissen (Tiere, Pflanzen, Pilze, Viren, Mykoplasmen etc), deren ungewollte  Einschleppung in die EU und Ausbreitung in der EU verhindert werden soll.

Die rechtliche Grundsatzregelung auf EU-Ebene stellt dafür die RL 2000/29/EG des Rates vom 9. Mai 2000 über Maßnahmen zum Schutz der Gemeinschaft gegen die Einschleppung und Ausbreitung von Schadorganismen der Pflanzen und Pflanzenerzeugnisse dar. Mit den Entscheidungen der Europäischen Kommission 2003/766/EG, 2006/564/EG und 2008/644/EG werden die allgemeine Überwachung und die Maßnahmen zur Bekämpfung des Maiswurzelbohrers näher festgelegt.

Die Umsetzung dieser RL und der Entscheidungen in nationales Recht erfolgt in Österreich mit gesetzlichen  Regelungen der Bundesländer. In der Steiermark sind dies das Steiermärkische Pflanzenschutzgesetz LGBL. Nr. 82/2002 idF LGBL. Nr.5/2007 und die dazu erlassene Maiswurzelbohrerverordnung, LGBL. Nr. 11/2004 idF LGBL. Nr. 28/2009.

Nach den Vorgaben der Maiswurzelbohrerverordnung wird von der Landesregierung zur Feststellung des Auftretens und zur Beobachtung des Maiswurzelbohrers seit dem Jahr 2004 ein Monitoring in den steirischen Maisanbaugebieten durchgeführt. Auf der Grundlage der Ergebnisse des Monitorings erfolgt die Abgrenzung der sogenannten etablierten Gebiete und - bei erstmaligem und isoliertem Auftreten des Maiswurzelbohrers - die Festlegung von Befalls- und Sicherheitszonen.

Etablierte Gebiete sind Gebiete, in denen der Fortbestand des Maiswurzelbohrers für absehbare Zukunft nach seinem Eindringen zu erwarten ist. Das aktuelle etablierte Gebiet umfasst rund 95 % der steirischen Maisanbauflächen. Zur Bekämpfung des Maiswurzelbohrers ist im etablierten Gebiet entweder eine Fruchtfolge mit nur einmaligem Anbau von Mais in zwei aufeinander folgenden Jahren oder eine geeignete chemische Behandlung der Maisfelder vorgeschrieben. Mit diesen Maßnahmen soll die weitere Verbreitung des Maiswurzelbohrers eingedämmt werden.

Auf Grund der Monitoringergebnisse des Jahres 2006 war im Bezirk Leoben in den Jahren 2007 und 2008 eine Befalls- und Sicherheitszone abgegrenzt. In einer Befallszone sind umfassende Verbote und Gebote mit dem Ziel einzuhalten, eine Etablierung des Maiswurzelbohrers zu verhindern und diesen Quarantäneschädling wieder auszurotten.

Die Schädigung der Maispflanze durch den Maiswurzelbohrer erfolgt in erster Linie über die von den Larven verursachten Fraßschäden, die den Wasser- und Nährstofftransport beeinträchtigen, Pilzinfektionen begünstigen und zum Verlust der Standfestigkeit führen können. Die Fraßschäden der Käfer an den oberirdischen Pflanzenteilen (Pollen, Narbenfäden etc.) können insbesondere die Befruchtung beeinträchtigen und zu kleineren Kolben führen.

Die wirksamste Methode zur Bekämpfung des Maiswurzelbohrers stellt die Einhaltung einer Fruchtfolge dar, bei der Mais nur jedes zweite Jahr angebaut wird, weil damit für die Larven (aus der Eiablage des Vorjahres) keine Nahrung zur Verfügung steht und die Entwicklung unterbrochen wird.

Chemisch ist die Bekämpfung der Larven über die Ausbringung von Bodeninsektiziden (Granulate, Spritzungen) oder über die Beizung des Saatguts möglich. Die Beizung stellt dabei die effizientere Maßnahme dar, weil sie besonders zielgerichtet erfolgt, nur einen kleinen Anteil der Bodenfläche betrifft und mit einer geringeren Wirkstoffmenge arbeitet. Die Bekämpfung der adulten Käfer mit Insektiziden ist grundsätzlich möglich, auf Grund der Höhe der Maiskultur zur Hauptflugzeit aber nur mit Stelzentraktoren durchführbar.

Aus betriebswirtschaftlichen Gründen, der gegebenen technischen Ausstattung und wegen des hohen Veredlungsanteils ist die Durchführung einer Fruchtfolge, bei der Mais nur jedes zweite Jahr angebaut wird, für viele Betriebe in der Steiermark nicht oder nur schwer umsetzbar. Die Beizung des Maissaatguts stellt daher gegenwärtig die gängigste Bekämpfungsmethode dar.

Als Ursache für das massive Auftreten von Bienenschäden im Jahr 2008 in Deutschland wurde der Wirkstoff Clothianidin aus der Wirkstoffgruppe der Neonicotinoide erkannt. Dieser Wirkstoff ist nicht über eine falsche oder unzulässige Spritzanwendung auf blühende Kulturen gelangt, sondern stammt von mit Poncho Pro ® behandeltem Maissaatgut. Beizmittelabrieb aus dem Saatgutsack und der Sämaschine gelangte beim Sävorgang durch den Abluftstrom von pneumatischen Sämaschinen auf benachbarte blühende Pflanzen (Raps, Obstbäume). Von dort wurde er von Bienen aufgenommen und auch in den Bienenstock eingetragen. Maßgeblich war also das Zusammentreffen von Saatgut mit unterdurchschnittlicher Beizqualität, die Blüte benachbarter Kulturen bei der Maissaat infolge ungewöhnlicher Witterungsbedingungen sowie die Sägerätetechnik (Abluftführung).

Vom BAES, der österreichischen Zulassungsbehörde, wurden daher aus Vorsorgegründen für insektizide Maisbeizmittel zusätzliche risikomindernde Auflagen und weitergehende Maßnahmen zum Schutz der Umwelt und insbesondere der Bienen vorgeschrieben. Diese zusätzlichen Auflagen dienen einerseits der Sicherstellung einer hohen Beizqualität (betrifft die Saatgutaufbereiter und Beizstellen) - z.B. sind Beizchargen auf Abriebfestigkeit zu prüfen und ist die Nachbeizung eines behandelten Saatguts nicht zulässig - und andererseits der risikomindernden Handhabung des Saatguts (betrifft Beizstellen und Landwirte) - z.B. darf Staub aus dem Saatgutsack nicht in den Säbehälter eingebracht werden, darf gebeiztes Saatgut nicht gesät werden, wenn Gefahr der Staubabdrift in benachbarte blühende Kulturen besteht und ist bei pneumatischen Sämaschinen eine staubabdriftmindernde Technik bezüglich der Abluftführung notwendig.

Von Seiten der österreichischen Imker wird befürchtet, dass auch in Österreich Bienenschäden wie im Vorjahr in Deutschland eintreten könnten. Außerdem waren einige Imkereibetriebe bereits in der Vergangenheit von Bienenverlusten betroffen, deren Ursachen nicht abgeklärt werden konnten.
Die AGES hat daher im Jahr 2009 im Rahmen der Bund- Bundesländer- Forschungkooperation ein Projekt gestartet, um mögliche Zusammenhänge zwischen Völker- sowie Bienenverlusten und dem Einsatz von Pflanzenschutzmitteln bzw. dem Auftreten von Krankheitserregern und Parasiten aufzuklären. Das Projekt mit dem Titel "Untersuchungen zum Auftreten von Bienenverlusten in Mais- und Rapsanbaugebieten Österreichs und mögliche Zusammenhänge mit Bienenkrankheiten und den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln"  (Kurzform: MELISSA) hat folgende Ziele:
· Dokumentation des Auftretens von Bienenverlusten und Bienenschäden in Österreichs Mais- und Rapsanbaugebieten\;
· Ergründung ihrer Ursachen durch Untersuchungen auf Krankheitserreger bzw. Rückstände\;
· Entwicklung und Erprobung von Methoden zum Rückstandsnachweis in Bienen und Bienenprodukten\;
· Bewertung der Ergebnisse - insbesondere unter dem Gesichtspunkt der durch die Österreichische Zulassungsbehörde (Bundesamt für Ernährungssicherheit) bereits 2008/2009 gesetzten Maßnahmen zur Vermeidung von Bienenschäden bei Verwendung von insektizid gebeiztem Maissaatgut\;
· Erarbeitung konkreter Entscheidungshilfen für Behörden, Imker und Landwirte, um Maßnahmen zur Vermeidung von Bienenverlusten durch Pathogene,  Parasiten oder Pflanzenschutzmitteleinsatz, umzusetzen.

Dieses Projekt wird bereichsübergreifend in Zusammenarbeit mit den thematisch betroffenen AGES- Instituten und Fachbereichen (Bienenkunde\; Pflanzenschutzmittelbewertung und -zulassung\; Saatgut\; Sortenwesen\; Pflanzengesundheit\; Kompetenzzentrum Rückstandsanalytik\; Daten Statistik\; Risikobewertung), dem Imkersektor und Vertretern der Landwirtschaftskammern aus den Bundesländern mit den größten Anbauflächen durchgeführt.

Ein fachlicher Zusammenhang der Ziele des Projekts MELISSA mit den Forderungen des gegenständlichen Antrags erscheint in einem hohen Ausmaß gegeben. Es wird daher angeregt, bei der weiteren Behandlung des gegenständlichen Antrags die Ergebnisse dieses Projekts zu berücksichtigen."

Es wird daher der

Antrag

gestellt:

Der Landtag wolle beschließen:

Der Bericht des Ausschusses für Agrarpolitik zum Antrag, Einl.Zahl 2908/1, der Abgeordneten Schönleitner, Mag.a Zitz und Lechner-Sonnek betreffend Pestizidwirkstoff Clothianidin im Maisanbau wird zur Kenntnis genommen.