Der Ausschuss "Umwelt" hat in seinen Sitzungen vom 10.03.2009 und 03.06.2009 über den oben angeführten Gegenstand die Beratungen durchgeführt.
Der Ausschuss für Umwelt, Natur und Energie hat in seiner Sitzung vom 10. März 2009 den Beschluss gefasst, die Landesregierung um Stellungnahme zum Antrag Einl. Zahl 2729/1 der Abgeordneten Schönleitner, Mag. Zitz und Lechner-Sonnek betreffend Ergänzung der Bären-Population in der Steiermark zu ersuchen.
Hierzu wird seitens der Landesregierung (Fachabteilung 13C, Fachabteilung 10A und Fachabteilung 10C) nachfolgende Stellungnahme abgegeben:
"Ein Artenschutzprojekt Braunbär ist im Jahre 1972 in Auftrag gegeben worden. In den frühen 90er Jahren wurde eine Wiederansiedelung von 3 Exemplaren durch den WWF im Ötschergebiet durchgeführt. Die Bären in den Nördlichen Kalkalpen gehen, bis auf ein aus Slowenien eingewandertes männliches Tier, auf wiederholte bestandesstützende Maßnahmen zurück, um eine (Teil-)Population zu begründen.
Der Braunbär ist gemäß der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie als prioritäre Art eingestuft und bedarf somit aktiver Schutzmaßnahmen in seinem Verbreitungsgebiet. Zu dem (historischen) Verbreitungsgebiet zählt unter anderem der gesamte Alpenraum. Im Rahmen eines bereits im Jahre 1995 von einem EU-LIFE-Programm geförderten Bärenprojektes wurden die Rahmenbedingungen für den Bärenschutz in Österreich festgelegt. Ein Kernpunkt dabei war die Einrichtung einer länderübergreifenden Koordinierungsstelle (KOST).
Bären sind in Österreich zwar gesetzlich geschützt, leider ist das jedoch für ihr langfristiges Überleben bei einer derart niedrigen Populationsdichte zu wenig, sondern nur dann möglich, wenn - aufgrund der großen Arealansprüche des Braunbären - Bärenmanagement im Alpenraum staatenübergreifend stattfindet. Der Versuch in den Nördlichen Kalkalpen eine effektive Populationsgröße zu erreichen hat sich aus bisher nicht vollständig erklärbaren Gründen als nicht erfolgreich erwiesen. Eine vollständige Aufklärung über den drastischen Rückgang der Anzahl der Bären in den Nördlichen Kalkalpen ist mit ziemlicher Sicherheit nicht möglich. Derzeit ist keine Zuwanderung von Bären in die Nördlichen Kalkalpen absehbar und der Bestand von zwei Tieren dort folglich isoliert.
Das zweite Bärenvorkommen in Österreich, entlang der Grenze zu Slowenien, liegt am Rand der Quellpopulation. Eine Ausbreitung des Braunbären aus Slowenien Richtung Norden setzt - damit auch weibliche Tiere ein neues Gebiet besiedeln - einen entsprechend hohen Bestand im Quellgebiet voraus. Bei den in Kärnten vorkommenden Bären wird angenommen, dass es sich ebenfalls nur um männliche Tiere handelt.
Fachlich kann daher nicht von einem abermaligen Aussterben des Braunbären in Österreich - wie im Antrag zu Beginn befürchtet - gesprochen werden.
Rechtslage
Artenschutz
Gemäß Artenschutzverordnung, LGBl. Nr. 40/2007, ist der Bär geschützt.
Der Bär ist auch Wild im Sinne des Jagdgesetzes\; er ist ganzjährig geschont.
Erhaltung und Schutz der Umwelt sowie Verbesserung ihrer Qualität, einschließlich ihrer biologischen Vielfalt, sind gemäß Art. 174 EG-Vertrag wesentliche dem Gemeinwohl dienende Ziele der Europäischen Gemeinschaft.
Im Jahr 2001 vereinbarten die Staats- und Regierungschefs der EU auf dem Frühjahrsgipfel in Göteborg, "dass dem Rückgang der biologischen Vielfalt Einhalt geboten werden sollte, mit dem Ziel, dies bis 2010 zu erreichen". Auf dieser Tagung des Europäischen Rates in Göteborg wurde auch die Strategie für nachhaltige Entwicklung der EU angenommen, die erneut die Notwendigkeit des "Schutzes und der Wiederherstellung von Habitaten und natürlichen Systemen und der Eindämmung des Verlustes der biologischen Vielfalt bis zum Jahr 2010" betonte.
Das Hauptziel der Richtlinie 92/43/EWG besteht darin, einen günstigen Erhaltungszustand der natürlichen Lebensräume und wild lebenden Tier- und Pflanzenarten von gemeinschaftlichem Interesse zu bewahren oder wiederherzustellen.
Die Erhaltung oder Wiederherstellung eines "günstigen Erhaltungszustands" (FCS - favourable conservation status) ist das zu erreichende Gesamtziel für alle Lebensraumtypen und alle Arten von gemeinschaftlichem Interesse. Solche Arten sind in den Anhängen II, IV und V der Richtlinie aufgelistet. Vereinfacht ausgedrückt kann der günstige Erhaltungszustand als eine Situation beschrieben werden, in der ein Lebensraumtyp der eine Art in qualitativer und quantitativer Hinsicht gut gedeiht und gute Aussichten bestehen, dass dies auch in Zukunft so bleibt. Die Tatsache, dass ein Lebensraum oder eine Art nicht bedroht ist (d.h. nicht von einem unmittelbaren Aussterbensrisiko bedroht ist), bedeutet nicht zwangsläufig, dass er bzw. sie sich in einem günstigen Erhaltungszustand befindet. Das Ziel der Richtlinie wird positiv definiert als eine zu erreichende und zu erhaltende "günstige" Situation, die nach besten verfügbarem Wissen zu bestimmen ist. Es geht somit für die Mitgliedstaaten um mehr als ein bloßes Vermeiden des Aussterbens. Alle im Rahmen der Richtlinie getroffenen Maßnahmen müssen darauf abzielen, einen günstigen Erhaltungszustand zu erreichen oder zu bewahren.
Der günstige Erhaltungszustand von Arten wird in Artikel 1 Buchstabe i) der FFH-Richtlinie allgemein definiert.
"Erhaltungszustand einer Art: die Gesamtheit der Einflüsse, die sich langfristig auf die Verbreitung und die Größe der Populationen der betreffenden Arten in dem in Artikel 2 bezeichneten Gebiet auswirken können. Der Erhaltungszustand wird als "günstig" betrachtet, wenn
- aufgrund der Daten über die Populationsdynamik der Art anzunehmen ist, dass diese Art ein lebensfähiges Element des natürlichen Lebensraumes, dem sie angehört, bildet und langfristig weiterhin bilden wird, und
- das natürliche Verbreitungsgebiet dieser Art weder abnimmt noch in absehbarer Zeit vermutlich abnehmen wird und
- ein genügend großer Lebensraum vorhanden ist und wahrscheinlich weiterhin vorhanden sein wird, um langfristig ein Überleben der Population dieser Art zu sichern."
Diese Begriffsbestimmung enthält die wichtigsten Parameter (Populationsdynamik, Verbreitungsgebiet, genügend großer Lebensraum, langfristige Überlebensaussichten) für die Definition und Beurteilung des aktuellen und des angestrebten Erhaltungszustands. Sie liefert auch den Rahmen für speziellere artspezifische Definitionen. All diese Parameter sind daher bei der Konzipierung artspezifischer Maßnahmen sorgfältig zu bedenken. Wichtig ist hier, dass die Bewertung des Erhaltungszustands nicht nur eine "diagnostische" Funktion auf der Grundlage des Ist-Zustands hat, sondern - ausgehend von den zu erwartenden Einflüssen- auch eine wichtige "prognostische" Funktion ("in absehbarer Zeit"). Bei solchen in absehbarer Zeit zu erwartenden Einflüssen könnte es sich um spezielle oder allgemeine Gefährdungen, positive oder negative, mittel- oder längerfristig zu erwartende Auswirkungen usw. handeln.
Das FCS-Konzept beschränkt sich nicht auf das NATURA-2000-Netz oder im Rahmen dieses Netzes geschützte Arten (d. h. Anhang-II-Arten). Es betrifft die Gesamtsituation aller Arten von gemeinschaftlichem Interesse (Anhänge II, IV und V), die bewertet und überwacht werden muss, um beurteilen zu können, ob sie günstig ist oder nicht. Es genügt daher nicht immer, den Erhaltungszustand von Lebensräumen und Arten innerhalb des NATURA-2000-Netzes zu prüfen und zu bewerten, insbesondere wenn Lebensräume und Arten nur teilweise und unter Umständen sogar nur in relativ geringem Maße durch das Netz erfasst sind.
Im April 2005 einigte sich der Habitat-Ausschuss auf einen einheitlichen Bewertungsrahmen für den Erhaltungszustand von Lebensräumen und Arten (siehe Dokument DocHab-04-03/03 rev.3 "Assessment, monitoring and reporting of conservation status - Preparing the 2001-2007 report under Artikel 17 of the Habitats Directive" - "Bewertung, Monitoring und Berichterstattung des Erhaltungszustands - Vorbereitung des Berichts nach Art. 17 der FFH-Richtlinie für den Zeitraum von 2001-2007"). Die Mitgliedstaaten vereinbarten, den Erhaltungszustand in jeder der biogeografischen Regionen ihres jeweiligen Hoheitsgebietes anhand eines gemeinsamen dreistufigen Bewertungsschemas zu beurteilen. Die drei Stufen des Schemas sind: günstig = grün, ungünstig/unzureichend = gelb und ungünstig/schlecht = rot ("Ampelschema").
Für die Bewertung des günstigen Erhaltungszustands wurde der in der FFH-Richtlinie verwendete Begriff "natürliches Verbreitungsgebiet" wie folgt definiert:
Das natürliche Verbreitungsgebiet von Arten und Lebensraumtypen - ein dynamisches Konzept
Der Begriff "natürliches Verbreitungsgebiet" umreißt grob die räumlichen Grenzen, innerhalb derer der Lebensraumtyp oder die Art vorkommt. Er ist nicht identisch mit den genauen Lokalitäten (tatsächlich besetzte Fläche) oder Territorien mit permanentem Vorkommen eines Lebensraumtyps oder einer Art bzw. Unterart. Diese Lokalitäten oder Territorien sind für viele Lebensräume und Arten innerhalb ihres natürlichen (Verbreitungsgebiets möglicherweise nur zersplittert oder unzusammenhängend anzutreffen (d. h. die einzelnen Lebensräume und Arten müssen nicht gleichmäßig verteilt vorkommen). Erweist sich die Aufsplitterung als natürlich, d. h. auf ökologische Faktoren zurückführbar, sind die einzelnen Vorkommen nicht als zusammenhängendes natürliches Verbreitungsgebiet zu interpretieren. So zum Beispiel kann für eine alpine Art das Verbreitungsgebiet aus Alpen und Pyrenäen bestehen, ohne die tiefer liegenden Gebiete dazwischen. Das natürliche Verbreitungsgebiet umfasst jedoch auch Gebiete, die nicht permanent genutzt werden, z. B. bei wandernden Arten alle Land- oder Wasserfläche, die eine Art zu irgendeinem Zeitpunkt ihrer normalen Migration bewohnt bzw. durchzieht/überfliegt.
Der hier definierte Begriff des natürlichen Verbreitungsgebietes ("natural range") ist keine statische, sondern eine dynamische Größe. Sie kann schrumpfen und sie kann sich ausdehnen. Das natürliche Verbreitungsgebiet kann sich auch in einem ungünstigen Zustand befinden, d. h. es kann so beschaffen sein, dass es den langfristigen Fortbestand des betreffenden Lebensraumtyps oder der betreffenden Art nicht gewährleistet. Reicht die Größe des natürlichen Verbreitungsgebietes nicht aus, um den langfristigen Fortbestand des betreffenden Lebensraumtyps oder der betreffenden Art zu gewährleisten, so sind die Mitgliedstaaten aufgefordert, einen Referenzwert für ein Verbreitungsgebiet festzulegen, das entsprechend günstige Bedingungen bieten würde, und darauf hinzuarbeiten, dass dieser Wert erreicht wird, z. B. indem sie die Ausweitung des bestehenden Verbreitungsgebietes fördern.
Wenn sich eine Art oder ein Lebensraumtyp auf natürliche Weise (von selbst) auf einer neuen Fläche/in einem neuen Territorium etabliert oder wenn eine dem in Artikel 22 der FFH-Richtlinie vorgesehenen Verfahren entsprechende Wiederansiedlung der Art innerhalb ihres früheren natürlichen Verbreitungsgebietes stattgefunden hat, ist das entsprechende Gebiet als Teil des natürlichen Verbreitungsgebietes anzusehen. Ebenso können auch die Wiederherstellung oder Bewirtschaftung von Habitaten sowie bestimmte landwirtschaftliche und forstwirtschaftliche Praktiken zur Ausdehnung der Verbreitung eines Lebensrumtyps oder einer Art und damit ihres natürlichen Verbreitungsgebietes führen. Jedoch sollten Einzeltiere oder verwilderte Populationen von Tieren, die absichtlich oder unbeabsichtigt durch den Menschen an Orte gelangten, wo sie in historischer Zeit nicht von Natur aus vorkamen oder wohin sie sich in absehbarer Zeit nicht verbreitet hätten, als außerhalb ihres natürlichen Verbreitungsgebietes auftretend und insofern als nicht unter die Richtlinie fallend erachtet werden. Vereinzeltes oder gelegentliches Vorkommen findet im Begriff des natürlichen Verbreitungsgebietes ebenfalls keine Berücksichtigung.
Das Land Oberösterreich hat sich für eine mögliche Ausweitung der Bären-Population vorbehaltlich an die Anlehnung an die Bundesländer Steiermark und Niederösterreich ausgesprochen. Die Vertreter der Steiermärkischen Landesjägerschaft und Landwirtschaftskammer Steiermark sprechen sich einhellig für den Schutz natürlich zuwandernder Tiere aus, lehnen jedoch eine Bestandesstützung des Braunbären ab.
Seitens des Naturschutzes wird das neuerliche Bemühen um die Bestandsstützung des Braunbären unter Einbeziehung der Bevölkerung und Wahrung der Bestimmungen des Art. 22 begrüßt, allerdings festgestellt, dass die Zuständigkeit für zur Erlassung der Auswilderungsbewilligung nach dem Jagdgesetz bei der Fachabteilung 10A (Ressort Landesrat Johann Seitinger) liegt, die eine Bestandesstützung in den Nördlichen Kalkalpen aufgrund zahlreicher ungeklärter Fachfragen derzeit als problematisch beurteilt.
Der Bericht des Ausschusses für Umwelt zum Antrag, Einl.Zahl 2729/1, der Abgeordneten Schönleitner, Mag. Zitz und Lechner-Sonnek betreffend Ergänzung der Bären-Population in der Steiermark wird zur Kenntnis genommen.