LANDTAG STEIERMARK
XV. GESETZGEBUNGSPERIODE


EZ/OZ: 3841/1

Regierungsvorlage

eingebracht am 31.05.2010, 00:00:00


Geschäftszahl(en): FA13A-A1.70-306/2010-6; FA13A-14.20-6/2010-2
Zuständiger Ausschuss: -
Regierungsmitglied(er): Christian Buchmann
Beilagen: Schreiben)

Betreff:
Beschluss Nr. 1559 des Landtages Steiermark vom 09.06.2009 betreffend Verordnung zur Feststellung der Gefährdung der Nahversorgung

Mit Landtagsbeschluss Nr. 1559 aus der 50. Sitzung der XV. Gesetzgebungsperiode vom 09. Juni 2009 wurde die Steiermärkische Landesregierung aufgefordert, der Empfehlung des Rechnungshofes aus dem Jahr 2007 unverzüglich nachzukommen und eine Verordnung zur Feststellung der Gefährdung der Nahversorgung zu erlassen.

Grundsätzlich stellt die Nahversorgung einen wichtigen Aspekt der regionalen Versorgung dar. Lebensqualität ist für viele Menschen auch eine Frage der funktionierenden Nahversorgung. Daneben ist für viele Regionen eine funktionierende Nahversorgung auch ein entscheidender Standortvorteil. Daher werden von Seiten des Wirtschaftsressorts im Rahmen des Förderprogramms Lebens!Nah Kleinstunternehmen in den steirischen Regionen dabei unterstützt, ihre Produkte und Dienstleistungen des täglichen Lebens in der eigenen Umgebung anzubieten.

Unbestritten ist demnach, dass der Nahversorgung die ihr gebührende Aufmerksamkeit zu schenken ist und es ein Anliegen sein muss, ihr Funktionieren mit den geeigneten Mitteln zu gewährleisten.

Mit Schreiben vom 4. Februar 2010 wurde vom Büro Landesrat Ing. Manfred Wegscheider mitgeteilt, dass sich Landesrat Ing. Manfred Wegscheider betreffend Landtagsbeschluss Nr. 1559 gegenüber der Landtagsdirektion für unzuständig erklärte, da die gegenständliche Verordnung in den Bereich der Gewerbeordnung falle. Laut Geschäftsverteilung der Steiermärkischen Landesregierung ist Landesrat Dr. Christian Buchmann ua. für die Vollzugsangelegenheiten im Bereich des Gewerberechtes zuständig. Hingewiesen wird in diesem Zusammenhang darauf, dass die Vollziehung des Gewerberechts in mittelbarer Bundesverwaltung erfolgt. Bei der Besorgung der Angelegenheiten in mittelbarer Bundesverwaltung obliegen der Landeshauptmann und die Mitglieder der Landesregierung ausschließlich der Kontrolle der Bundesregierung\; eine diesbezügliche Zuständigkeit des Landtag Steiermark ist nicht gegeben.

Obwohl im Gegenstande mangels Zuständigkeit des Landtags auch keine Berichtspflicht besteht, wurde zur Frage, was seit der Gewerberechtsnovelle 2000 geschehen ist beziehungsweise ob eine Verordnung "zur Feststellung der Gefährdung der Nahversorgung" auf Basis des § 77 Abs. 8 der GewO BGBl. 194/1994 i.d.g.F die Hintanhaltung einer Gefährdung der Nahversorgung letztendlich zu gewährleisten geeignet ist, eine Stellungnahme der zuständigen Fachabteilung 13A eingeholt und darf auf deren rechtliche Ausführungen verwiesen werden.


Stellungnahme FA13A:

"Anlässlich der Behebung der vom (damaligen) Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten erlassenen "Einkaufszentren - VO" durch den VfGH (Erkenntnis vom 2.12.1999) wegen Widerspruchs zum Legalitätsprinzip hat der Bundesminister eine Neuregelung des Bereiches "Schutz der Nahversorgung" für erforderlich erachtet. Mit der Gewerbeordnungsnovelle 2000 wurden die nach wie vor in Geltung stehenden Regelungen betreffend Einkaufszentren in § 77 Abs. 5 - 9 GewO normiert. In Abs. 8 wurde die Verantwortung für die Festlegung von verfassungskonformen Beurteilungsmaßstäben und Kenngrößen auf den Landeshauptmann übertragen.

Ergebnis einer sich mit dieser Thematik eingehend auseinandersetzenden Expertenkonferenz  der Gewerbereferenten der Länder im Jahr 2001 waren ua. einhellige Bedenken an der Möglichkeit der Erlassung einer verfassungskonformen Verordnung durch den LH gem. § 77 Abs. 8 GewO.


Gründe dafür:

Die vom Bundesgesetzgeber normierte Gesetzesgrundlage (§ 77 Abs. 8 zweiter Satz) für die Erlassung der gegenständlichen Verordnung stellt eine Aneinanderreihung unbestimmter Gesetzesbegriffe dar, die für sich den strengen Vorgaben des Art 18 B - VG (Legalitätsprinzip) hinsichtlich einer ausreichenden Determinierung nicht gerecht zu werden scheinen. Eine Verordnung, die auf Basis eines keine klaren Determinanten vorgebenden Gesetzes erlassen wird, birgt die große Wahrscheinlichkeit in sich, einer Prüfung vor dem Verfassungsgerichtshof nicht standzuhalten.

Da es sich darüber hinaus um einen Akt der Vollziehung in mittelbarer Bundesverwaltung handelt, wurde es seitens der Länder als unerlässlich erachtet, dass das Bundesministerium bezüglich der Kaufkraft taugliche aktuelle Zahlen liefert. Diese wären im Übrigen aufgrund des Erfordernisses der laufenden Aktualisierung der in der Verordnung aufzunehmenden Kenngrößen regelmäßig zur Verfügung zu stellen. Solange das erforderliche Datenmaterial (Grundlagen für die Festlegung der Abschöpfungsquote) seitens des Ministeriums nicht zur Verfügung gestellt wird, scheint auch eine abgestimmte Vorgehensweise zwischen den Ländern bei Verordnungs - Erlassung nicht gewährleistet. Zur Hintanhaltung allfälliger Rechtszersplitterung und Wettbewerbsverzerrung ist eine strategisch koordinierte Vorgehensweise jedenfalls geboten.

Weiters wird seitens der Gewerbereferenten der Länder - wie vom Ministerium selbst eingeräumt wurde - berechtigterweise in Zweifel gezogen, dass die betriebsanlagenrechtlichen Bestimmungen der GewO das geeignete Instrument bzw. die geeignete Materie zum Schutz der Nahversorgung darstellen. Gewerbliches Betriebsanlagenrecht, zu dem § 77 Abs. 8 GewO gehört, ist ein klassisches Ordnungsregime und darin liegt auch seine Stärke. Gewerbliches Betriebsanlagenrecht war seit Anbeginn ein Schutzregime für bestimmte geschützte Interessen (Leben und Gesundheit, Schutz vor Belästigung, zT Wasserschutz, und diverse geschützte Interessen wie Schulen und Religionsausübung, vgl. dazu § 74 Abs. 2 GewO). Es ist jedoch kaum geeignet, eine gesellschaftliche Planungsfunktion zu übernehmen. Es ist nicht sein Zweck, Städte oder Regionen zu entwickeln, daher hat es auch keine Planungsinstrumente entwickelt. Die Herstellung eines Konnex zwischen Individualverfahren - was Kern des gewerblichen Betriebsanlagenrechts ist - und genereller Planungsentwicklung ist - wenngleich nicht völlig unmöglich - sehr schwierig.

Vielmehr wurden und werden von den Gewerbereferenten der Länder die Regelungen in den raumordnungsrechtlichen Bestimmungen als geeignet und ausreichend angesehen und besteht daher nach deren Auffassung kein Bedarf an der Erlassung einer derartigen Verordnung auf Basis der GewO. Der fehlende Bedarf an der Erlassung einer Verordnung auf Grundlage des § 77 Abs. 8 GewO ist - neben den verfassungsrechtlichen Bedenken -  auch mit dem eingeschränkten Anwendungsbereich zu begründen: die Verordnung darf nur Konsumgüter des kurzfristigen und täglichen Bedarfs zum Gegenstand haben (vgl. dazu die Einkaufszentren - Warenliste - Verordnung\; dazu zählen Lebensmittel, Drogeriefachmarktartikel, Tiernahrung, Wasch -, Reinigungs - und Pflegemittel, Zeitungen und Zeitschriften, Papier- und Schreibwaren, Zimmerpflanzen und Schnittblumen, Fotoverbrauchsmaterial, elektrotechnische Ersatzteile und Zubehör, Textilien, wie insbesondere Bekleidung, soweit sie nach Art und Preis Verbrauchsgütercharakter haben). In Stadtkern - od. Ortskerngebieten gem. Abs. 9 käme sie überhaupt nicht zur Anwendung.

Mit Schreiben vom 8. April 2003 hat die Verbindungsstelle der Bundesländer in dieser Angelegenheit dem Bundesministerium das gemeinsame Länderersuchen vorgetragen, in welchem die Position der Länder dargelegt und angeregt wurde, die Bestimmungen der § 77 Abs. 5 - 9 aus der GewO zu streichen."
 
Die Verpflichtung zur Verordnungs - Erlassung auf Grundlage des § 77 Abs. 8 GewO besteht nunmehr seit zehn Jahren. Bis zum heutigen Tage ist - aus den obgenannten Gründen - in keinem anderen Bundesland (angemerkt wird, dass Salzburg, Oberösterreich und Kärnten ebenfalls einer Prüfung durch den Rechnungshof unterzogen wurden und das Fehlen der gegenständlichen Verordnung festgestellt wurde) eine diesbezügliche Verordnung erlassen worden. Auch ist seitens des Bundesministeriums bis dato keine Urgenz zur Wahrnehmung der Verpflichtung zur Verordnungserlassung erfolgt.

Aus den dargelegten Gründen scheint ein Alleingang des Landes Steiermark nicht nur aus Wettbewerbsgründen nicht zielführend. Da es das Land Steiermark war, das federführend mit dem Land Tirol das gemeinsame Länderersuchen an das Bundesministerium verfasst hat, scheint in diesem Lichte ein Abweichen  von der gemeinsamen Position der Länder (mangels Vorliegens von zwischenzeitig hervorgekommenen Gründen, die ein Abweichen von dieser Position auch in der Begründung gegenüber den anderen Ländern rechtfertigen würde) nicht der geeignete Weg. Ungeachtet der obigen Ausführungen ist jedoch auch festzuhalten, dass gemäß dem Steiermärkischen Raumordnungsgesetz zwar auf eine möglichste Sicherung der Nahversorgung Bedacht zu nehmen ist und dementsprechend die Behörden bei der Erlassung von Raumordnungsplänen auch darauf Bedacht nehmen.

Eine gesetzliche Grundlage für die in der Gewerbeordnung angesprochene "Sicherstellung" der Nahversorgung ist in der Raumordnung allerdings nicht gegeben, zumal einerseits in der Raumordnung stets Nutzungen und Bebauungen von Flächen geregelt werden, wodurch allerdings nicht erreicht werden kann, dass die entsprechenden Nutzungen auch zwingend konsumiert werden. Andererseits darf die Raumordnung auch die dem Bund in der Gewerbeordnung vorbehaltene Thematik (Beurteilungsmaßstäbe und Kenngrößen) nicht reglementieren.

Aufgrund obiger Ausführungen wird zur Frage der Sicherstellung der Nahversorgung durch Erlassung entsprechender Verordnungen gem. § 77 Abs. 8 GewO das beiliegende Schreiben an die Verbindungsstelle der Bundesländer gesandt, damit diese ein Treffen der für die Gewerbeordnung zuständigen Landesrätinnen und Landesräte einberufen möge und diese Angelegenheit als Tagesordnungspunkt beim nächsten Arbeitstreffen der betroffenen Landesregierungsmitglieder aufgenommen wird.


Beschluss der Steiermärkischen Landesregierung vom 19. April 2010.


Es wird daher der

Antrag

gestellt:

Der Landtag wolle beschließen:

Der Bericht der Steiermärkischen Landesregierung zum Beschluss Nr. 1559 des Landtages Steiermark vom 09.06.2009 betreffend Verordnung zur Feststellung der Gefährdung der Nahversorgung sowie die Einbringung des Schreibens an die Verbindungsstelle der Bundesländer wird zur Kenntnis genommen.