LANDTAG STEIERMARK
XV. GESETZGEBUNGSPERIODE


EZ/OZ: 3589/1

Selbstständiger Antrag von Abgeordneten (§ 21 GeoLT)

eingebracht am 05.03.2010, 09:29:33


Landtagsabgeordnete(r): Ingrid Lechner-Sonnek (Grüne), Lambert Schönleitner (Grüne), Edith Zitz (Grüne)
Fraktion(en): Grüne
Zuständiger Ausschuss: -
Regierungsmitglied(er): Siegfried Schrittwieser

Betreff:
Zukunft der Pflege in der Steiermark

Angeblich wollen alle Menschen lieber zuhause in der gewohnten Umgebung bleiben, auch wenn sie alt und hilfsbedürftig sind. Trotzdem nimmt die Zahl der Personen in Pflegeheimen rasant zu.

Die BürgermeisterInnen klagen über die steigenden Kosten, denn die Gemeinden zahlen 40% der Heimkosten, die nach Abzug von Pension und Pflegegeld übrig bleiben. Trotzdem bauen auch Gemeinden immer weitere Pflegeheime.
 
Die Kosten für mobile Dienste, die es Menschen mit Hilfebedarf ermöglicht, zu Hause zu leben, sind in den meisten Gemeinden gedeckelt , meist seit Jahren auf demselben Niveau. Die Kosten für die Heime nicht. Dabei würde ein Mehr an mobilen Diensten ermöglichen, dass weniger der teuren Heimplätze gebraucht werden.

Betreutes Wohnen und betreubares Wohnen als alternative Wohnformen werden angeboten. So entstehen oft SeniorInnenwohnungen in Orten ohne Nahversorgung, Arztpraxen, Banken usw. Und wenn Unterstützung gebraucht wird, muss diese dann teuer zugekauft werden, ohne dass das vorher bewusst gewesen ist. Manche dieser Wohnungen bleiben leer.

So manche Familie bräuchte tagsüber jemand, der pflegebedürftige Angehörige betreut. Dann könnten diese im Familienverband bleiben. Es gibt einige Tagesbetreuungsangebote, sie sind jedoch zur Gänze privat zu finanzieren. Das kann nicht jede/r leisten. Und es gibt sie zudem nur in wenigen Gemeinden. An einen Ausbau wird von Seiten des Landes erst gedacht, wenn die drei bestehenden Modellversuche zwei Jahre gelaufen sind und eine Evaluierung den Bedarf bestätigt.
 
Bis dahin werden weiter Heime gebaut, auch von privaten BetreiberInnen. Das Land hat vor einiger Zeit angekündigt, immer den Bedarf zu prüfen, bevor Heime einen Vertrag bekommen, mit dem sie dann den Zugang zu den Sozialhilfebudgets erlangen. Der Wildwuchs von Heimen, der derzeit im Gange ist, ist nicht rechtzufertigen, weil er ungesteuert zu großen Kostenbelastungen für das Land und die Gemeinden führen wird.

Das Land hat offensichtlich trotzdem keine anderen Vorstellungen, als weitere Heime bauen zu lassen. Obwohl mit dem Geld für eine Person, die im Heim lebt, viele Personen mobil und teilstationär betreut werden könnten. Trotz großer Budgetnöte wird weiterhin ein wesentlich teureres System forciert, was gänzlich unverständlich ist.

Es ist längst überfällig, mit einer in die Zukunft gerichteten Planung zu beginnen. Eine für alle BürgerInnen zugängliche Sozialdatenbank ist zu erstellen. Dort ist eine aktuelle Auflistung der Angebote in den verschiedenen Gemeinden anzuführen, die der Bevölkerung eine rasche Hilfestellung und Orientierung ermöglicht. Die darin eingebettete Bedarfsplanung muss eindeutig und nachvollziehbar sein, Finanzierungs- und Vertragsentscheidungen müssen begründbar werden.
 
Ein Gesamtkonzept  ist zu erarbeiten, das die Bevölkerungsentwicklung landesweit und regional zur Grundlage hat. Die Veränderung der Bevölkerungspyramide bringt neue gesellschaftliche Bedürfnisse in den Vordergrund.  Der Bereich Pflege nimmt einen wichtigen, jedoch nur beschränkten Teil ein. Die Erhaltung von Gesundheit, von gesellschaftlicher Teilhabe ist ebenso Thema wie Mobilität, Wohnen, Bildung, kulturelle und politische Gestaltungsmöglichkeiten. In die Erarbeitung dieses Landeskonzeptes - und darauf aufbauend regionale Konzepte - soll die Bevölkerung eingebunden werden, wie auch die wissenschaftliche Grundlagenforschung.

Die nötige Unterstützung für alte Menschen muss genau am Bedarf ansetzen. Der Ausbau mobiler und flexibler Unterstützungsmodelle ist voranzutreiben, damit möglichst viele alte Menschen möglichst lange selbständig sein können. Das ist auch die kostengünstigste Variante. Der Bedarf an mobilen Diensten und das tatsächliche Angebot sind zu evaluieren und gegebenenfalls auszubauen. Die Einrichtung von Tagesstätten und ihre gesetzliche Absicherung sind voranzutreiben.

Alternative Wohnformen schließen eine wichtige Lücke. Ihre Errichtung ist derzeit jedoch von hoher Zufälligkeit und eher von den finanziellen Rahmenbedingungen geprägt als vom Bedarf und der tatsächlichen Inanspruchnahme. Für die Errichtung von betreutem Wohnen und betreubarem Wohnen sind klare Voraussetzungen zu definieren, die auch die umgebende Infrastruktur (Nahversorgung, Anbindung an den öffentlichen Verkehr etc.) mit einbeziehen, wie auch das tatsächlich vorhandene Dienstleistungsangebot. Für die entsprechenden Verträge sind verpflichtende Grundlagen zu definieren, um Verbindlichkeit und Klarheit bezüglich der im Preis enthaltenen Angebote zu schaffen. Auch diese Wohnformen sind in die Bedarfsplanung des Landes einzugliedern.
 
Meist sträuben sich alle gegen Veränderung, weil reflexartig ein Zuwachs an Kosten befürchtet wird. Wenn jedoch, wie z.B. im Bezirk Bruck, bereits 80% der Sozialhilfekosten in die Pflegeheime fließen, ist es höchst an der Zeit, andere soziale Modelle und alternative Finanzierungsmodelle anzustreben. Was im Behindertenbereich in den letzten 20 Jahren geglückt ist, sollte auch auf den Pflege- und Betreuungsbereich für ältere Menschen umgelegt werden. Durch die Umstellung von vorwiegend stationärer Betreuung auf mobile und ambulante Formen, oft auch nur als Übergangslösung nötig, können im Behindertenbereich bis zu 10 Personen mit dem Geld betreut werden, das für die stationäre Betreuung einer Person aufzuwenden wäre.

Ein Kostenvergleich ist endlich anzustellen. Mehrere Entwicklungsmodelle sollen dargestellt werden. Insbesondere ist auch die Fortschreibung der derzeitigen Entwicklung ohne Veränderung finanziell zu bewerten. Diese Analyse soll dem Land und den Gemeinden bzw. Sozialhilfeverbänden die Entscheidung erleichtern, welcher Weg beschritten werden soll. Die Kostenabschätzung muss auch periphere Kosten (Krankheitskosten, Kosten für Infrastruktur, etc.) einbeziehen, um die tatsächlichen gesamtgesellschaftlichen Aspekte der Modelle zu erfassen.

Das Sozialressort des Landes und die Gemeinden bzw. Sozialhilfeverbände müssen sich rasch aus der planlosen Lähmung befreien. Gerade in Zeiten enger werdender Budgets darf es keine Ausrede mehr geben, alternative Formen der Sozialpolitik anzustreben, vor allem dann, wenn sie auch ein Mehr an Lebensqualität und Sicherheit für die Betroffenen bieten. Der Boom im Heimbereich ist ein Zeichen dafür, dass man jahrelang ungeplant den Entwicklungen freien Lauf ließ. Die Grenzen der Finanzierbarkeit werden überschritten werden, wenn sich Land und Gemeinden weiterhin gegen eine grundlegende Umorientierung sträuben.

Es wird daher der

Antrag

gestellt:

Der Landtag wolle beschließen:

Die Landesregierung wird aufgefordert,
1. eine für alle BürgerInnen zugängliche Sozialdatenbank im Bereich Pflege zu erstellen, die der Bevölkerung eine rasche Hilfestellung und Orientierung ermöglicht,
2. ein umfassendes Gesamtkonzept des Landes für den Bereich Pflege zu erarbeiten und dabei die Bevölkerung wie auch die wissenschaftliche Grundlagenforschung einzubinden,
3. den Ausbau mobiler und flexibler Unterstützungsmodelle voranzutreiben, damit möglichst viele alte Menschen möglichst lange selbständig sein können,
4. den Bedarf an mobilen Diensten und das tatsächliche Angebot zu evaluieren, und
5. die Einrichtung von Tagesstätten und alternativen Wohnformen sowie ihre gesetzliche Absicherung voranzutreiben.


Unterschrift(en):
Ingrid Lechner-Sonnek (Grüne), Lambert Schönleitner (Grüne), Edith Zitz (Grüne)