Der Ausschuss für Bildung, Schule, Kinderbetreuung, Wissenschaft, Forschung und Kultur des Steiermärkischen Landtages hat in seiner Sitzung vom 13.10.2009 den Beschluss gefasst, eine Stellungnahme der Landesregierung zum Antrag der Abgeordneten Lechner-Sonnek, Mag.a Zitz und Schönleitner mit der Einl.Zahl 3237/1 zum Thema Reparatur der Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG über die Einführung der halbtägigen kostenlosen und verpflichtenden frühen Förderung in institutionellen Kinderbetreuungseinrichtungen einzuholen.
Seitens der Fachabteilung 6E wird daher folgende Stellungnahme abgegeben:
Die "Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG über die Einführung der halbtägig kostenlosen und verpflichtenden frühen Förderung in institutionellen Kinderbetreuungseinrichtungen", LGBl. Nr. 85/2009, sieht in ihrem Art. 1 Abs. 1 als Zielsetzung für Kinder im letzten Jahr vor Eintritt der Schulpflicht die Einführung eines verpflichtenden Besuches von geeigneten institutionellen Kinderbildungs- und -betreuungseinrichtungen im Ausmaß von mindestens 16 bis 20 Stunden an mindestens vier Tagen pro Woche vor. Dadurch sollen allen Kindern beste Bildungsmöglichkeiten und Startchancen in das spätere Berufsleben unabhängig von der ökonomischen Herkunft geboten werden. Art. 2 nimmt Bezug auf die Bildungsaufgaben, legt fest, dass der länderübergreifende Bildungsplan einzuhalten ist und die Vertragspartner einvernehmlich aufbauend auf diesem Bildungsplan ein zusätzliches integriertes Modul für 5jährige erarbeiten werden, dass unter anderem die Stärkung der grundlegenden Kompetenzen des Kindes enthält, wobei insbesondere die Unterstützung der Schulreife und der Übergang zur Volksschule zu beachten ist.
Art. 4 Abs 2 bestimmt, dass zum Besuch von geeigneten institutionellen Kinderbildungs- und -betreuungseinrichtungen jene Kinder verpflichtet werden sollen, die vor dem 1. September des jeweiligen Jahres das 5. Lebensjahr vollendet haben und im Folgejahr schulpflichtig werden. In weiterer Folge sind Tatbestände normiert, die eine Ausnahmeregelung rechtfertigen können.
Die Art der Regelung, die in der in Ausarbeitung befindlichen Novelle zum Steiermärkischen Kinderbildungs- und -betreuungsgesetz, welche zur Umsetzung der gegenständlichen Bund-/Ländervereinbarung erforderlich ist, weitgehend übernommen werden soll, normiert also eine grundsätzliche Besuchspflicht, die lediglich durch das Lebensalter der Kinder definiert ist. Somit besteht diese Besuchspflicht zunächst auch beispielsweise für Kinder mit besonderen Erziehungsansprüchen und einem Bescheid nach dem Steiermärkischen Behindertengesetz.
In der steirischen Kinderbetreuungslandschaft ist die Aufnahme zur Betreuung und Bildung behinderter Kinder in Kinderbildungs- und -betreuungseinrichtungen bereits seit zumindest eineinhalb Jahrzehnten Normalität. Eine Behinderung stellt selbstverständlich keinen grundsätzlichen Ausschließungsgrund dar und stellt sich auch in der Praxis diese Problematik so gut wie nicht.
Durch gut geschultes und motiviertes pädagogisches Personal in den Einrichtungen und insbesondere durch das System des Heilpädagogischen Kindergartens ist es Selbstverständnis geworden, dass behinderte Kinder, insbesondere vor dem Schulantritt, im Sinne der Inklusion in Kinderbildungs- und -betreuungseinrichtungen Aufnahme finden. Ermöglicht wird dies unter anderem auch durch die Unterstützung der Einrichtungen vor Ort durch die Teams der Integrativen Zusatzbetreuung sowie durch die Integrationsgruppen bzw. auch die Kooperativen Gruppen in den Stammhäusern.
Dennoch kann nicht ausgeschlossen werden, dass etwa medizinische Gründe, besonders schwierige Wegverhältnisse oder aber auch die besondere Schwere einer Behinderung es für das Kind unzumutbar erscheinen lassen, der Verpflichtung zum Besuch einer Kinderbildungs- und -betreuungseinrichtung nachzukommen. In diesen Fällen kann über Antrag der Eltern bzw. Erziehungsberechtigten nach Prüfung des konkreten Sachverhaltes eine Befreiung von der Verpflichtung erfolgen. Eine solche Befreiung kann aber etwa auch im Zusammenhang mit der Erfüllung der Verpflichtung im Rahmen der häuslichen Erziehung, wie sie auch für Kinder ohne besondere Erziehungsansprüche vorgesehen ist, zu sehen sein.
Derartige Einschränkungen der Besuchspflicht erscheinen aus Sicht der Vollziehbarkeit gesetzlicher Regelungen unabdingbar. Darüber hinaus stellen Verpflichtungen wie die gegenständliche auch einen relevanten Eingriff in das Grundrecht auf Privat- und Familienleben dar. Auch aus dieser Sicht können derartige Verpflichtungen nicht absolut gelten und sind etwa Zumutbarkeitsregeln vorzusehen. Auch die Möglichkeit zur Erfüllung der Verpflichtung im Rahmen der häuslichen Erziehung ist, analog der Entlassung in den häuslichen Unterricht bei der Schulpflicht, unter diesem Blickwinkel zu sehen. Nicht zuletzt setzt auch die Schulpflicht Schulfähigkeit voraus. So sieht etwa § 15 Schulpflichtgesetz 1985, BGBl. Nr. 76/1985, i.d.F. BGBl. I Nr. 20/2006 im Abs 1 vor, dass "der Schüler … vom Besuch der Schule zu befreien" ist, "sofern medizinische Gründe dem Besuch der Schule entgegenstehen oder dieser dadurch zu einer für den Schüler unzumutbaren Belastung würde".
Zusammenfassend ist also festzustellen, dass die (Schwere einer) Behinderung im Sinne der gegenständlichen Art. 15a-Vereinbarung keinen Ausschließungsgrund darstellt sondern lediglich einen Ausnahmegrund darstellen kann. Da sich die Fachabteilung 6E natürlich der Bedeutung des Besuches einer Kinderbildungs- und -betreuungseinrichtung, gerade auch für Kinder mit besonderen Erziehungsansprüchen, bewusst ist, wurde im Zusammenhang mit der Vorbereitung der notwendigen Gesetzesnovelle bereits Anfang Oktober des Jahres bei einem persönlichen Gesprächstermin im zuständigen Bundesministerium, der durch die gegenständliche Vereinbarung gesetzte Rahmen für die Regelungen abgesprochen. Dabei wurde seitens des Bundesministeriums der Argumentation der Fachabteilung 6E, dass die Regelungen der gegenständlichen Art. 15a-Vereinbarung Mindeststandards definieren, strengere Regelungen im Bezug auf die Besuchspflicht in den Ländergesetzen jedoch möglich sind, vollinhaltlich Folge geleistet. Verhandlungen über eine Änderung der gegenständlichen Vereinbarung mit dem Bund erscheinen daher aus Sicht der Fachabteilung 6E nicht erforderlich, da der gewünschte Gestaltungsspielraum seitens des Landesgesetzgebers in der Vereinbarung enthalten ist. Dies jedoch unter Berücksichtigung obiger Ausführungen.