Der Ausschuss "Soziales" hat in seinen Sitzungen vom 01.12.2009 und 13.04.2010 über den oben angeführten Gegenstand die Beratungen durchgeführt.
Mit Beschluss des Ausschusses für Soziales vom 1.12.2009 wurde die Steiermärkische Landesregierung ersucht eine Stellungnahme zum Antrag der Abgeordneten Kaltenegger, Klimt-Weithaler, Ing.in Pacher und Mag.a Zitz betreffend Erweiterung und finanzielle Unterstützung des Projektes "Mediation - Wege der Konfliktlösung im Wohn- und Siedlungsumfeld Graz", Einl.Zahl 3337/1 abzugeben.
Stellungnahme der Fachabteilung 6A - Jugend, Frauen, Familie und Generationen:
Wohnaußenbereiche sind für alle da. Dementsprechend unterschiedlich sind da die Bedürfnisse: Spielen, Ausruhen, Leute treffen, das Auto parken, usw.. Bei ausreichender Dimensionierung der Außenräume und guter Gliederung ist vieles nebeneinander möglich. Aber auch bei beengten Raumangebot lassen sich Möglichkeiten finden, die eine Verbesserung bringen.
Sowohl die Kinder- und Jugendanwaltschaft Steiermark als auch das Kinderbüro Steiermark verzeichnen jährlich im Durchschnitt 20 Anfragen von BewohnerInnen aus Siedlungen zu Problemen, die Kinder und Jugendliche betreffen. Diese werden seit Jahren in Graz bestmöglich bearbeitet, wobei es dabei besonders wichtig ist, dass Kinder und Jugendliche als gleichwertige Konfliktpartei gehört werden. Um Nutzungskonflikte und Nachbarschaftsstreitigkeiten zu minimieren, ist eine sorgfältige Planung mit den BewohnerInnen notwendig. Dabei sind die Bedürfnisse der Kinder und Jugendlichen besonders zu berücksichtigen, da sie viel weniger die Möglichkeit als Erwachsene haben, bei ungenügenden Außenräumen in ihrer Freizeit selbstständig andere Freiräume aufzusuchen. Sollte es dennoch zu Differenzen kommen, ist im Sinne einer neutralen Konfliktregelung es notwendig eine Person von außen hinzuzuziehen, die alle Parteien gleichermaßen anhört und objektiv agiert. Z.B. eine ausgebildete Mediatorin, ein ausgebildeter Mediator kann diesen Anforderungen gerecht werden. Anfragen aus den Regionen der Steiermark konnten aufgrund mangelnder Ressourcen bisher ausschließlich telefonisch bearbeitet werden. Seit 2007 existiert ein MediatorInnenpool, der zum Teil mit MediatorInnen aus den Bezirken der Steiermark bestückt ist. Ein Einsatz dieser Personen vor Ort wäre nicht nur sinnvoll, sondern auch kostengünstiger.
Dazu folgende Forderungen, konkrete Ideen und Maßnahmen:
Möglichkeiten der Beteiligung bei Entscheidungen, die das Wohnumfeld gestalten bzw. verändern (sowohl bei Neubauten als auch bei Altbaurevitalisierungen) und damit Förderung der aktiven Mitbestimmung und eigenverantwortlichen Handelns
Wohnbau der schon bei der Planung die Bedürfnisse von Kindern- und Jugendlichen berücksichtigt
Haus- und wohnungsnahe Freiflächen für gefahrloses Spielen (Verkehrsberuhigung etc.)*
Kinder- und jugendfreundliche Hausordnungen
Die Gestaltung von Lebensräumen die sich positiv auf die Gesundheit der Kinder und Jugendlichen auswirkt unter Einbeziehung aller beteiligten Personen.
Lebensräume für Kinder und Jugendliche in den Gemeinden sichern, erhalten und vor allem mit ihnen entwickeln\; Mehrfachraumnutzung möglich machen\; Belebung von Innenhöfen, Öffnung von Zäunen usw..
Die Kinder- und Jugendanwaltschaft Steiermark gibt folgende Stellungnahme ab:
Die Kinder- und Jugendanwaltschaft Steiermark wird jedes Jahr mit Anliegen von Kindern, Jugendlichen und deren Eltern sowie von Hausverwaltungen betreffend verschiedenster Probleme im Wohn- und Siedlungsumfeld konfrontiert. Es handelt sich dabei um Konflikte, die durch das Zusammenleben von mehreren Generationen und den unterschiedlichen Bedürfnissen der einzelnen Gruppen entstehen. Sei es, dass sich MitbewohnerInnen durch den "Kinderlärm" gestört fühlen, Dinge beschädigt werden, Fußballspielen verboten wird, Spielgeräte wieder abgebaut werden oder in Wohnsiedlungen einfach zu wenig Platz für Kinder und Jugendliche geplant ist.
Leider melden sich die Betroffenen häufig erst dann in der KIJA, wenn sie keinen Ausweg mehr sehen, sich die Probleme im Kreis drehen und eine Lösung unmöglich erscheint. Meist gibt es bereits einen Schriftverkehr mit der Hausverwaltung und mit RechtsanwältInnen so-wie oftmals auch bereits Kontakt zur Polizei, die zu einer Streitschlichtung herangezogen wurde.
Auf den Grundlagen der UN-Kinderrechtekonvention (UN-KRK), die das Recht des Kindes auf Spiel und Freizeit festlegt, erstellte die KIJA Steiermark in Zusammenarbeit mit dem Kinderbüro im Jahr 2006 das Konzept für das Projekt "Platz für alle", das sich auf die oben genannten Problemsituationen und die Vermittlung zwischen allen Beteiligten spezialisiert. Das Konzept beruht auf den Artikeln der UN-Kinderrechtekonvention. Spezielles Augenmerk legen wir dabei auf die Verpflichtung, Kinder und Jugendliche als gleichwertige Konfliktpartei anzuhören und bei der Erarbeitung von Lösungen dem Alter entsprechend zu beteiligen (Artikel 15).
Für die Durchführung des Projekts werden MediatorInnen als besonders geeignet angesehen, da sie aufgrund ihrer Ausbildung über gezielte Methoden zur Konfliktlösung verfügen. Die Durchführung des Projektes in der gesamten Steiermark scheiterte jedoch an der Finanzierung. Lediglich das Magistrat Graz stellte im Jahr 2009 finanzielle Mittel zur Verfügung, sodass ein Teil der Anfragen aus der Stadt Graz bearbeitet werden konnte. Die Kinder- und Jugendanwaltschaft gilt im Rahmen des Projektes als Erstanlauf-, Erstberatungs- und Vermittlungsstelle und zieht, wenn erforderlich, eine/einen MediatorIn hinzu. Eine finanzielle Absicherung des Projektes für die gesamte Steiermark ist auf jeden Fall zu befürworten.
Jedoch kann es aus Sicht der Kinder- und Jugendanwaltschaft nicht nur Ziel sein eskalierten Konflikten entgegenzuwirken, sonders bedarf es auch mehrerer präventiver Maßnahmen zur Umsetzung der Rechte des Kindes auf Erholung, Spiel und Freizeit (Artikel 31 UN-KRK). Vergessen wird dabei, dass Bewegung und soziale Kontakte notwendig sind, damit sich Kinder gedeihlich entwickeln können. Daher sind auch noch weitere Kinderrechte betroffen, wenn wir über das Recht des Kindes auf Spiel, Erholung und Freizeit sprechen: z.B. die grundsätzliche Verpflichtung des Staates die Entwicklung des Kindes bestmöglich zu fördern (Artikel 6), das Recht auf Beteiligung (Artikel 15) sowie auf Gesundheit (Artikel 24).
In Förderungsrichtlinien des Bundeslandes Vorarlberg findet die UN-KRK bereits in breitem Ausmaß Berücksichtigung und spiegelt entwicklungspsychologische Notwendigkeiten wider: "Für die Entwicklung der körperlichen, geistigen und sozialen Fähigkeiten der Kinder ist dasSpielen im Freien von besonderer Bedeutung. Um für Kinder das Angebot für den Aufenthalt,die Freizeitbetätigung und das Spiel im Freien zu verstärken, aber auch die Voraussetzungendafür zu schaffen, dass für Personen aller Altersstufen frei zugängliche und ansprechende Plätze für Begegnung, Kommunikation und Erholung in ausreichendem Umfang zur Verfügung gestellt werden können, gewährt das Land Vorarlberg (…) den Gemeinden Förderungsbeiträge für die Errichtung, wesentliche Änderungen und Instandsetzung von öffentlich zugänglichen Kinderspielplätzen und von zum Spielen vorgesehenen Freiräumen." In § 5 wird die Partizipation von Kindern- und Jugendlichen eingefordert!
Auch das Vorarlberger Wohnbauförderungsgesetz sieht in den §§ 9 und 10 spezielle Maßnahmen für eine Kindergerechtigkeit vor: so ist z.B. von Erlebnisräumen, Kinderspielplätzen und Freiräumen die Rede, die allen Generationen gerecht werden müssen. Auch die Revitalisierung von Kinderspielplätzen und Freiräumen wird gefördert!
In der Steiermark dagegen ist die Situation zum Nachteil der Kinder und Jugendlichen eine andere. Bereits am 14. Februar 2006 hat der Landtag Steiermark die Landesregierung mit einstimmigem Beschluss aufgefordert Kindergerechtigkeit in allen das Wohnumfeld betreffenden baulichen Maßnahmen, insbesondere im Wohnbau als verbindliches Kriterium einzuführen - es ist uns nicht bekannt, dass es in einem relevanten Gesetz eine kinderspezifische Veränderung gegeben hätte.
Empfehlungen der Kinder- und Jugendanwaltschaft:
Es ist notwendig Bedürfnisse von Kindern UND Jugendlichen bei der Planung von Wohnprojekten zu berücksichtigen (siehe Broschüre Kindgerechter Wohnbau -Kinderbüro Steiermark). Dies erfordert Veränderungen in den Gesetzen z.B. der Wohnbauförderung, des Baugesetzes und der Raumordung - so wie dies bereits im Bereich der Behinderung und des Klimaschutzes Umsetzung findet. Unseren Erfahrungen nach sind gesetzliche Regelungen unerlässlich, damit die notwendigen Gelder für die Umsetzung zur Verfügung gestellt werden.
Um nur eine Empfehlung konkret zu nennen - dringend notwendig wäre eine Veränderung des §10 Stmk. BauG die Kinderspielplätze betreffend. Dieser Paragraph wird meist insofern interpretiert, dass - egal welcher Bedarf besteht - z.B. eine Sandkiste und eine Schaukel aufgestellt werden und der Bauträger damit der gesetzlichen Vorschrift entspricht. Eine Berücksichtigung der Bedürfnisse von Kindern UND Jugendlichen den Altersstufen entsprechend findet jedoch faktisch nicht statt.
Es erfordert ein Gesamtkonzept für Spielflächen und Räume von Kindern- und Jugendlichen bei der Bebauung von Flächen, wenn mehrere Genossenschaften beteiligt sind bzw. in mehreren Bauabschnitten gebaut wird.
Als präventive Maßnahme stehen den BewohnerInnen und der Hausverwaltung Gelder zur Verfügung, um rasch und unbürokratisch fachlich geschultes Personal einsetzen zu können damit Konflikten frühzeitig entgegenwirkt werden kann und dadurch schlussendlich Kosten gespart werden.
Die Miteinbeziehung von Kindern und Jugendlichen bei Fragen, die ihre Lebenswelt betreffen - dies sind insbesondere die Gestaltung von Spielflächen und Spielplätzen, Mehrfachnutzungsflächen, Gemeinschaftsräumen usw. - ist in der UN-KRK festgeschrieben und findet in der Steiermark noch keine Umsetzung: z.B.
erhielten Kinder und Jugendliche bei der Erhebung zur Wohnzufriedenheit der Steirischen Bevölkerung in Geschoßbauten keine Stimme.
Spielplätze werden für sie und nicht mit ihnen gestaltet.
Es gibt kaum adäquate Angebote für Jugendliche.
Ein Erkennen und Ernstnehmen dieser grundlegenden Problematik mit deren Ursachen und den vorhandenen Überschneidungen in verschiedenste/n Gesetzesmaterien ist sowohl in der Politik als auch der Verwaltung erforderlich, um wahrzunehmen, dass zu diesem Thema nicht nur in familienbezogenen Ressorts Handlungsbedarf besteht sondern auch z.B. im Wohnbau, im Verkehr etc. dementsprechende Maßnahmen gesetzt werden müssen. Durch die Beachtung der den Konfliktsituationen vorausgehenden Ursachen und mit Einrichtung von Mediationsmöglichkeiten bei schon bestehenden und aufkeimenden Konflikten können auch zukünftige nachteilige Situationen zwischen den Streitparteien entschärft bzw. sogar verhindert werden. Dadurch wird das gesamte Lebensumfeld positiv beeinflusst und eine nachhaltige Wirkung erzielt.
Aus der Sicht der Abteilung 15 - Wohnbauförderung wie folgt Stellung bezogen:
Eingangs muss festgehalten werden, dass es gemäß dem Steiermärkischen Wohnbauförderungsgesetz 1993 bzw. der Durchführungsverordnung zu diesem Gesetz nicht vorgesehen ist, ein derartiges Mediationsprojekt zu fördern. Förderungswürdig gemäß den zitierten Bestimmungen sind lediglich Maßnahmen, die mit baulichen Tätigkeiten im unmittelbaren Zusammenhang stehen.
Es wird aber darauf hingewiesen, dass man seitens der Wohnbauförderung bestrebt ist, soweit wie möglich die bauliche Basis für Wohnzufriedenheit und somit auch Konfliktverhinderung herzustellen.
Gemäß § 5 Abs. 1 Z.3 Steiermärkisches Wohnbauförderungsgesetz 1993 darf die Förderung der Errichtung von Geschoßbauvorhaben u.a. nur erfolgen, wenn die städtebauliche Qualität des Bauvorhabens durch geeignete Maßnahmen, wie z. B. die Durchführung von städtebaulichen Wettbewerben, gesichert wird. Eine positive Begutachtung durch den sogenannten Wohnbautisch (beim Wohnbautisch handelt es sich um ein interdisziplinär besetztes Fachgremium, dass bei der mit der örtlichen Raumplanung befassten Abteilung des Amtes der Steiermärkischen Landesregierung eingerichtet ist. Primäre Rechtsgrundlage für diese Institution ist der § 3 der Durchführungsverordnung zum Steiermärkischen Wohnbauförderungsgesetz 1993) erfolgt jedenfalls nur bei Vorhandensein dieser städtebaulichen Qualität. Diese Bestimmung des § 5 gilt auch für "Wohnbauscheckvorhaben".
§ 5 Abs. 1 Z.11 Steiermärkisches Wohnbauförderungsgesetz 1993 sieht für den Geschoßbaubereich die Beteiligung der Wohnungswerber zumindest in Form einer laufenden und umfassenden Information vor.
Gemäß § 6 Z.3 leg.cit. sind die Kosten der Errichtung von Kinderspielplätzen Teil der anrechenbaren Gesamtbaukosten. Darüberhinaus werden Kinderspielplätze zusätzlich mit einem Pauschalbetrag gefördert (€ 350,-- pro Wohneinheit). Mit der Lage und Größe der Kinderspielplätze befasst sich auch der Wohnbautisch.
Im Jahr 2009 wurde von der Abteilung 15 - Wohnbauförderung das Forschungsprojekt "Wohnzufriedenheit im geförderten Geschoßbau in der Steiermark" gefördert. Im Rahmen dieses Projektes wurden die Bewohnerinnen und Bewohner von 1.550 Haushalten, die seit 2003 in einen geförderten steirischen Geschoßbau eingezogen sind, u.a. zum Thema Zufriedenheit mit dem Wohnumfeld befragt. Dabei hat es sich auch herausgestellt, dass bei der Wahl der Wohnung besonderes Augenmerk auf Kinderbetreuungseinrichtungen im Wohnumfeld gelegt wird. Auch dieses Ergebnis der Projektumfrage wird von der Wohnbauförderung im Rahmen der Förderpraxis besonders berücksichtigt werden!
Zusammenfassend darf festgehalten werden:
- In der gesamten Steiermark kann es im Wohn- und Siedlungsumfeld es zu Konflikten zwischen BewohnerInnen und Kindern bzw. Jugendlichen kommen.
- Möglichkeiten der Beteiligung bei Entscheidungen, die das Wohnumfeld gestalten bzw. verändern (sowohl bei Neubauten als auch bei Altbaurevitalisierungen) und damit Förderung der aktiven Mitbestimmung und eigenverantwortlichen Handelns müssen vorhanden sein.
- Eine objektive Konfliktlösung durch außenstehende, professionell ausgebildete Personen ist sinnvoll und nachhaltig. Die Wohnzufriedenheit und Lebensqualität der BewohnerInnen, egal ob jung oder alt, wird gesteigert.
- Eine Ausdehnung von Best Practise Lösungen bei der Konfliktbewältigung im Wohnumfeld auf die gesamte Steiermark ist gewünscht.
- Eine verpflichtende Kostenbeteiligung bei der Konfliktlösung durch die Wohnbaugenossenschaften erscheint sinnvoll.
- Lebensräume für Kinder und Jugendliche in den Gemeinden müssen gesichert, erhalten und vor allem mit ihnen entwickelt werden. Auf Mehrfachraumnutzung ist Bedacht zu nehmen.
- Eine Anerkennung dieser Thematik als Querschnittmaterie (Wohnbau und Nachhaltigkeit, Gemeinden, Soziales, Jugend und Familie) und damit eine gemeinsame Vorgangweise und Behandlung ist zielführend.
Seitens der FA11A - Soziales, Arbeiten und Beihilfen wird eine Leermeldung mangels inhaltlicher Zuständigkeit abgegeben.
Der Bericht des Ausschusses für Soziales zum Antrag, Einl.Zahl 3337/1, der Abgeordneten Kaltenegger, Klimt-Weithaler, Ing.in Pacher und Mag.a Zitz betreffend Erweiterung und finanzielle Unterstützung des Projektes "Mediation - Wege der Konfliktlösung im Wohn- und Siedlungsumfeld Graz" wird zur Kenntnis genommen.