LANDTAG STEIERMARK
XV. GESETZGEBUNGSPERIODE


EZ/OZ: 3878/1

Regierungsvorlage

eingebracht am 28.06.2010, 00:00:00


Geschäftszahl(en): FA11A-A1.70-32534/2010-8; FA11A-V02-16/2010-186
Zuständiger Ausschuss: -
Regierungsmitglied(er): Siegfried Schrittwieser
Beilagen: Tabellen 1 bis 7)

Betreff:
Beschluss Nr. 1790 des Landtages Steiermark vom 15.12.2009 betreffend sozialversicherungsrechtlicher Schutz für Pflegeeltern

Der Landtag Steiermark hat am 15.12.2009 folgenden Beschluss gefasst:

Die Steiermärkische Landesregierung wird aufgefordert, entsprechend des von der Fachabteilung für Soziales vorgelegten Modells im Unterausschuss "Pflegeeltern" eine Regierungsvorlage zu erarbeiten und dem Landtag Steiermark zur Beschlussfassung vorzulegen, um den sozialversicherungsrechtlichen Schutz für Pflegeeltern sicherzustellen.

Aufgrund dieses Beschlusses berichtet die Steiermärkische Landesregierung wie folgt:

Mit Beschluss des Landtages Steiermark Nr.1790 wurde die Landesregierung aufgefordert, dem Landtag Steiermark eine Regierungsvorlage zur Beschlussfassung vorzulegen, um den sozialversicherungsrechtlichen Schutz für Pflegeeltern sicherzustellen.

Hiezu wird folgender Bericht erstattet:
Im Einklang mit dem Grundsatzgesetz des Bundes umfassen die finanziellen Leistungen des StJWG 1991 für aktive Pflegeeltern nur das Pflegeelterngeld zur Deckung des Sachaufwandes für das Pflegekind, eine Erstausstattungspauschale bei Erstaufnahme des Pflegekindes und über Antrag einen über den Sachaufwand des Pflegekindes hinausgehenden Sonderbedarf. Für Personen, die ein mit ihnen verwandtes Kind im Auftrag der Jugendwohlfahrt betreuen, sind die gleichen Leistungen wie für Pflegeeltern vorgesehen. Pflegeeltern erhalten daher im Wesentlichen nur den Aufwand für ihr Pflegekind abgegolten, während sie ihre Tätigkeit unentgeltlich und ohne daraus ableitbare sozialversicherungsrechtliche Absicherung ausüben. Pflegeeltern, die keine Pflegekinder mehr betreuen, erhalten zur Anerkennung ihrer Leistungen unter bestimmten Voraussetzungen ein Ruhegeld des Landes Steiermark, auf das allerdings kein Rechtsanspruch besteht.
Seit 2007 wird intensiv über Verbesserungen des bestehenden Jugendwohlfahrtsgrundsatzgesetzes des Bundes diskutiert. 2008 und 2009 gingen Entwürfe für ein völlig neues Bundes-Kinder- und Jugendhilfegesetz (B-KJHG) in Anhörung, denen für das Pflegekinderwesen im allgemeinen und hinsichtlich der dort vorgesehenen Regelung der sozialversicherungsrechtlichen Absicherung von Pflegeeltern im besonderen, grundlegende Bedeutung für die Landesjugendwohlfahrtsgesetze zukam. Da die Aufnahme von Gesprächen im Konsultationsgremium gefordert wurde, wurden die Länder Ende Jänner und im Februar 2010 von der zuständigen Staatssekretärin zu Gesprächen eingeladen. Die danach folgenden intensiven Verhandlungen, nicht zuletzt auch wieder zur Frage einer bundeseinheitlichen Regelung der Pflegeelternabsicherung, führten zu einer weiteren Überarbeitung des B-KJHG, für dessen In-Kraft-Treten der 1.7.2010 vorgesehen war. Nach neuerlicher Begutachtung im März 2010 wurde wiederum die Auslösung des Konsultationsmechanismus verlangt. Im Rahmen der Einladung des zuständigen BMWFJ zum "Runden Tisch der ARGE Jugendwohlfahrt" am 18. und 19. Mai 2010 erfolgte die Information, dass keine weiteren Verhandlungen auf Beamtenebene mehr vorgesehen wären, jedoch seitens der Staatssekretärin noch beabsichtigt sei, Gespräche mit den politischen Länderreferenten  aufzunehmen, um eine Einigkeit zu erzielen.
Seitens der FA 11A war in Erwartung des neuen B-KJHG 2010 aus pragmatischen Überlegungen beabsichtigt, beim Konzept einer sozialversicherungsrechtlichen Absicherung steirischer Pflegeeltern auf die letztlich maßgeblichen neuen grundsatzgesetzlichen Bestimmungen Bedacht zu nehmen. Aus jetziger Sicht kann allerdings nicht mehr angenommen werden, dass das neue Grundsatzgesetz in absehbarer Zeit verabschiedet werden wird.


Umsetzung der sozialversicherungsrechtlichen Absicherung von steirischen Pflegeeltern

1. Ausgangslage
· Mit Stand 31.12.2009 wurden 760 Kinder und Jugendliche auf einem Pflegeplatz in der Steiermark betreut. Davon waren 356 unter 12 Jahren alt, 404 darüber. Die Zahl der Kinder im Rahmen der Verwandtenpflege betrug 173, wovon 84 unter 12 Jahren alt, 89 darüber waren.
· Zum selben Zeitpunkt gab es 457 Pflegeplätze bei Pflegeeltern und 95 bei Verwandten.
· Basierend auf einer Studie zum Grazer Pflegeelternwesen aus dem Jahr 2009 wurden für die Steiermark folgende Pflegeplatzdaten hergeleitet und prozentuell errechnet:

o   auf 71,43 % der Pflegeplätze wird 1 Minderjähriger (543) betreut.
o   auf 16,33 % der Pflegeplätze werden 2 Minderjährige (124) betreut
o   auf 12,24 % der Pflegeplätze werden 3 oder mehr Minderjährige (93) betreut.

Diese prozentuelle Verteilung stellt die Basis für alle weiteren Kostenkalkulationen dar.

Zusätzlich ist zu erwähnen, dass lt. Rechnungsabschluß 2009 ein Betrag von € 2,221.056,30 als Ruhegenüsse für Pflegepersonen seitens des Landes Steiermark gewährt wurden.

2. Die gewünschte Situation:
a) Hinkünftig sollten Pflegeeltern von steirischen Pflegekindern sowie Personen, die verwandte steirische Kinder im Rahmen der vollen Erziehung pflegen, durch Anstellung bei einem Träger der freien Jugendwohlfahrt sozialversicherungsrechtlich abgesichert und für ihre Beanspruchung durch semiprofessionelle Aktivitäten wie die Teilnahme an Elternrunden, Fortbildungen, (Gruppen-) Supervisionen usw. entsprechend entlohnt werden.
b) Angestellten Pflegeeltern bzw. Personen, die verwandte Kinder betreuen, gebühren weiterhin die bisherigen im StJWG 1991 vorgesehenen finanziellen Leistungen (Pflegeelterngeld, Erstausstattungspauschale, Sonderbedarf).
c) Durch die Bereitstellung von verbesserten Rahmenbedingungen soll es gelingen, dass der derzeitige zahlenmäßige Stand an Pflegeeltern erhalten und darüber hinaus neue Pflegeeltern zukünftig gewonnen werden können.
Es muss allerdings auch davon ausgegangen werden, dass mit der Einführung der sozialversicherungsrechtlichen Absicherung nicht damit zu rechnen ist, dass bestehende Angebote im Rahmen der vollstationären Pflege und Betreuung, wie beispielsweise in Wohngemeinschaften bei freien Trägern der Jugendwohlfahrt, drastisch reduziert werden können, da weiterhin für Kinder und Jugendliche mit hohen und höchsten Verhaltensdefiziten solche stationären Einrichtungen weiterhin notwendig sein werden.
In das neue System sollen zusätzlich auch jene Personen, welche verwandte Kinder und Jugendliche im Rahmen der vollen Erziehung pflegen, aufgenommen werden.
Die angestrebte Verbesserung der sozialversicherungsrechtlichen Rahmenbedingungen soll durch eine Anstellung mit sozialversicherungsrechtlicher Absicherung bei einem Träger der freien Jugendwohlfahrt umgesetzt werden, der den Pflegeeltern auch die begleitenden Beratungs- und Schulungsleistungen anzubieten hat. Eine solche Organisation soll nach den Grundlagen des Vergaberechts ausgewählt werden.


3. Rahmenbedingungen für Anstellungsverhältnisse der Pflegeeltern:

Um die natürliche Erziehungsfähigkeit eines Familiensystems auf die Aufgaben und Herausforderungen im Rahmen einer Fremderziehung vorzubereiten und begleitend in Teilbereichen zu professionalisieren, sind für die Pflegeeltern verschiedene Aktivitäten des Anstellungsträgers vorgesehen.
Untenstehende Tätigkeiten fallen unabhängig von der Anzahl der in Pflege genommenen Kinder bzw. Jugendlichen für die Pflegeeltern an:

(siehe Tabelle 1)


Eine Abhängigkeit von der Anzahl der gleichzeitig in Pflege genommenen Kinder bzw. Jugendlichen liegt jedoch bei folgenden Tätigkeiten vor, die ebenfalls von den Pflegeeltern als Dienstpflichten in Anspruch genommen werden müssen:

(siehe Tabelle 2)



Die nachstehende Tabelle zeigt die Jahresstunden, die von Pflegeeltern aufgewendet werden und den prozentuellen Anteil bezogen auf eine Jahres-Vollzeitbeschäftigung:

(siehe Tabelle 3)



Somit fallen pro Pflegefamilie als Fixzeiten 226 Stunden pro Jahr an. Für jedes zu betreuende Kind sind dies 153 Stunden pro Jahr.

4. Die Kostenkalkulation für Pflegeeltern in einem Anstellungsverhältnis:
Ausgangsbasis ist das Gehaltsschema des BAGS Kollektivvertrages (Stand 01. Februar 2010). Für Pflegeeltern wird die Verwendungsgruppe 4, Gehaltsstufe 8, ohne Vorrückungen herangezogen. Das dort vorgesehene Gehalt beträgt € 1.696.21 für eine Vollbeschäftigung. Die oben errechneten Beschäftigungsausmaße werden wie folgt kalkuliert:

(siehe Tabelle 4 und 5)


Somit ergeben sich die Jahresgesamtpersonalkosten für eine Pflegeperson im Rahmen eines Anstellungsverhältnisses je Kind/Jugendlichen*


(siehe Tabelle 6)


*Inklusive des Arbeitnehmer- und Arbeitgeberanteil, welcher aufgrund des Brutto-Netto-Rechners des Bundesministeriums für Finanzen automatisiert dargestellt wurde. Eine Indexsteigerung von 1,7 % per anno ist in der Kalkulation berücksichtigt.

Durch eine sozialversicherungsrechtliche Absicherung der Pflegeeltern entfällt langfristig die Ausbezahlung des Ruhegelds an die Pflegeeltern für jene Pflegeeltern, welche in den Genuss dieser neuen sozialversicherungsrechtlichen Absicherung und in weiterer Folge in den Genuss einer Pension gelangen. Da dies jedoch mittelfristig keine oder nur minimale finanzielle Auswirkungen hat, wurde sie in die Kostenkalkulation nicht mit einbezogen. Jedenfalls bedingt eine solche Änderung auch zwangsläufig eine Änderung der derzeit gültigen Richtlinien zur Gewährung des Ruhegeldes für ehemalige Pflegeeltern.

Zusätzlich zu den Personalkosten für die Pflegeeltern müssen auch Overheadkosten (Verwaltung, Lohnverrechnung, Administration, Schulungsmaßnahmen, Begleit- u. Beratungsdienste, Organisation der Elternrunden, Fortbildung, Supervision, und dgl.) des Anstellungsträgers/Träger der freien Jugendwohlfahrt angesetzt werden. In der vorliegenden Kalkulation sind diese mit € 1.500,- pro Kind und pro Jahr angenommen. Eine Indexsteigerung von 1,7 % p.a. ist in der Kalkulation berücksichtigt. Dieser kalkulatorische Wert basiert auf einem Vergleich aufgrund der bisherigen Erfahrungen in Oberösterreich.

Bei der Einführung eines neuen Systems (Anstellung der Pflegeeltern) ist zu berücksichtigen, dass die gegenwärtig eingesetzten Pflegeeltern nicht oder nicht sofort in das neue System wechseln werden. In den Berechnungen ist davon auszugehen, dass die Hälfte der aktuellen Pflegeeltern in das beabsichtigte neue System wechselt und alle (100 %) der neu Hinzukommenden dies ebenfalls tun. Die Steigerung von zusätzlichen Pflegeeltern wird mit 3 % jährlich angenommen. Mit diesen zugrunde gelegten Kalkülen entstehen dem Land Steiermark (prognostiziert bis 2020) folgende Gesamtmehrkosten:

5. Zusammenfassung der Gesamtmehrkosten (inkl. der Verwandtenpflege):

(siehe Tabelle 7)


Diese jährlichen Gesamtmehrbelastungen sind aufgrund der geltenden Rechtslage derzeit zu 100 % vom Land zu tragen. Für eine diesbezügliche Änderung in Form einer Kostenbeteiligung seitens der Sozialhilfeverbände bzw. der Stadt Graz, wäre das Steiermärkische Jugendwohlfahrtsgesetz bzw. die Jugendwohlfahrtsgesetz- Durchführungsverordnung  zu novellieren.
Die Kosten für die sozialversicherungsrechtliche Absicherung von Pflegeeltern sind in den bereits 2008 beschlossenen Landesvoranschlägen 2009/2010 nicht vorgesehen. Die Fachabteilung 11A wird daher bei Erstellung der Landesvoranschläge 2011/2012 die oben angeführten kalkulierten Gesamtmehrkosten für das vorgeschlagene Anstellungsmodell vorsehen und unter der Voraussetzung der Beschlussfassung durch den Landtag Steiermark das dargestellte Anstellungsmodell für Pflegeeltern in der Steiermark Pflegeeltern einführen.


Beschluss der Steiermärkischen Landesregierung vom 28. Juni 2010.


Es wird daher der

Antrag

gestellt:

Der Landtag wolle beschließen:

Der Bericht der Steiermärkischen Landesregierung zum Beschluss Nr. 1790 des Landtages Steiermark vom 15.12.2009 betreffend sozialvesicherungsrechtlicher Schutz für Pflegeeltern wird zur Kenntnis genommen.