LANDTAG STEIERMARK
XVI. GESETZGEBUNGSPERIODE


EZ/OZ: 204/1

Selbstständiger Antrag von Abgeordneten (§ 21 GeoLT)

eingebracht am 22.12.2010, 09:57:33


Landtagsabgeordnete(r): Sabine Jungwirth (Grüne), Lambert Schönleitner (Grüne), Ingrid Lechner-Sonnek (Grüne)
Fraktion(en): Grüne
Zuständiger Ausschuss: Soziales
Regierungsmitglied(er): Siegfried Schrittwieser

Betreff:
Keine Mitwirkung der Jugendwohlfahrtsbehörden an der Abschiebung von Minderjährigen

Die ARGE Jugendwohlfahrt hat folgenden Beschluss gefasst und dem Bundesministerium für Inneres, der Verbindungsstelle der Bundesländer und den Landeshauptleuten übermittelt:

"Die ARGE Jugendwohlfahrt hat in ihrer Vollversammlung am 10.11.2010 in Eisenstadt unter Bezugnahme auf den Erlass des Bundesministeriums für Inneres, GZ.: BMI-FW 1410/0323-II/3/2010 vom 29.10.2010 insbesondere auf Abschnitt 3b den einstimmigen Beschluss gefasst, die vorgesehene Einbindung der örtlichen Jugendwohlfahrtsträger bei fremdenrechtlichen Amtshandlungen (Abschiebepraxis) aus folgenden Gründen abzulehnen: Die vorgesehene Mitwirkung findet keine rechtliche Deckung im gesetzlichen Wirkungsbereich der Jugendwohlfahrt. Darüber hinaus führt sie zu einer gravierenden Interessenskollision. Ein Einsatz der Jugendwohlfahrt bedeutet eine unzulässige Nutzung von Landesressourcen
für Vollzugsaufgaben des Bundes und kann auch zu einer ungerechtfertigten Verschiebung der finanziellen Verpflichtungen vom Bund zu den Ländern führen."

Das BMI hat - aus aktuellem Anlass - am 29.10.2010 per Erlass den Sicherheitsbehörden und der Fremdenpolizei Maßnahmen für die ("schonende") Abschiebung von Familien mit mj. Kindern vorgegeben. Unter Punkt 3 b) wurden die zuständigen Behörden auch angewiesen, den örtlich zuständigen JWF-Träger bei diesem Vorgang zu involvieren.

Im Zuge der letzten ARGE JWF Vollversammlung vom 9.11.2010-11.11.2010, Eisenstadt, haben sich sowohl die leitenden DiplomsozialarbeiterInnen und als auch die leitenden JuristInnen mit diesem Erlass intensiv auseinandergesetzt und die vom BMI intendierte Vorgangsweise fachlich-inhaltlich und rechtlich diskutiert.

Die ARGE JWF hat den einstimmigen Beschluss gefasst, die vorgesehene Einbindung der JWF bei fremdenrechtlichen Handlungen (Abschiebepraxis) abzulehnen. Eine Involvierung des Amtes für Jugend und Familie bei fremdenrechtlichen Handlungen/Abschiebungen von Familien mit mj. Kinder setzt ein Amtshilfeersuchen der Bundespolizeibehörden/Sicherheitsbehörden/ Fremdenpolizei voraus. Amtshilfe ist aus rechtlicher Sicht dann zu leisten, wenn eine gleichartige Behörde um Vornahme der Leistung ersucht und die ersuchte Leistung auch im gesetzlichen Wirkungsbereich der ersuchten Behörde Deckung findet. Bei der ersuchenden Behörde handelt es sich um keine gleichartige Behörde. Die aktive oder passive Teilnahme des Amtes für Jugend und Familie bei Abschiebungen findet im gesetzlichen Wirkungsbereich des JWF-Trägers keine Deckung.

Oberste Prämisse der JWF ist die Sicherung des Kindeswohles. Selbst eine "schonende" Abschiebung von Minderjährigen (samt deren Erziehungsberechtigten) stellt aus Sicht der JWF zumindest eine Beeinträchtigung, wenn nicht sogar eine Gefährdung des Kindeswohles dar. Der Beratungsauftrag und der Unterstützungsauftrag der JWF an die Erziehungsberechtigten zur Stärkung ihrer Erziehungskompetenz kommt bei Abschiebungen ebenfalls nicht zum Tragen.

Eine Trennung der Minderjährigen von den Erziehungsberechtigten mittels Gefahr in Verzug ist ebenfalls nicht möglich, da ja nicht die Erziehungsberechtigten das Kindeswohl gefährden.

Das Resummee der ARGE Jugendwohlfahrt: Die JWF kann keine Unterstützung aus ihrem gesetzlichen Wirkungsbereich heraus bei einer Abschiebung leisten.
Das ist sich bei den JWF-Behörden und den Sicherheitsbehörden/Fremdenpolizei nicht um gleichartige Behörden handelt ist ebenfalls evident. Allfällige diesbezügliche Anfragen der Fremdenpolizei zur Unterstützung bei der
Abschiebung von Familien mit minderjährigen Kindern im Wege der Amtshilfe sind daher abzulehnen. Auch wenn die Fremdenpolizei auf eine Teilnahme bei der Abschiebung unter Verweis auf den Erlass besteht, ist diese nicht vorzunehmen.

Es wird daher der

Antrag

gestellt:

Der Landtag wolle beschließen:

Die Landesregierung wird aufgefordert,
1. sicherzustellen, dass die Jugendwohlfahrtsbehörden in der Steiermark nicht an der Abschiebung von Minderjährigen mitwirken,
2. per Erlass an die Bezirksverwaltungsbehörden klarzustellen, dass die Jugendwohlfahrtsbehörden Anfragen der Fremdenpolizei, bei der Abschiebung von Minderjährigen mitzuwirken, abzulehnen haben, und
3. dem Landtag darüber Bericht zu erstatten.


Unterschrift(en):
Sabine Jungwirth (Grüne), Lambert Schönleitner (Grüne), Ingrid Lechner-Sonnek (Grüne)