EZ/OZ: 341/1
Selbstständiger Antrag von Abgeordneten (§ 21 GeoLT)
eingebracht am 02.03.2011, 10:15:06
Landtagsabgeordnete(r): Ingrid Lechner-Sonnek (Grüne), Lambert Schönleitner (Grüne), Sabine Jungwirth (Grüne)
Fraktion(en): Grüne
Zuständiger Ausschuss: Soziales
Regierungsmitglied(er): Siegfried Schrittwieser
Betreff:
Mindeststandards im steirischen Behindertenwesen
Die Landesregierung hat tiefgreifende Kürzungen im steirischen Behindertenwesen angekündigt. Die qualitätsvolle Betreuung von behinderten Menschen sowie über Jahrzehnte aufgebaute Betreuungsstrukturen und Leistungen werden damit gefährdet.
Es muss das Ziel des Landtages sein, die Landesregierung dazu zu bringen, dass bestimmte Mindeststandards außer Streit gestellt werden und nicht unterschritten werden dürfen. Es darf nicht dazu kommen, dass das vom Landtag beschlossene Behindertengesetz mit darin verankerten grundlegenden Zielen und Leistungen über die Verordnungskompetenz der Landesregierung ausgehöhlt wird.
Welche Standards müssen von der Landesregierung weiterhin gewährleistet werden:
1. Die im BHG und der UN-Konvention festgeschriebenen Rechtsansprüche und Menschenrechte auf soziale Inklusion (Teilhabe) und ein selbstbestimmtes Leben dürfen nicht in Frage gestellt werden. Das Außerstreitstellen einer Grundversorgung ist zu wenig.
2. Auch Menschen mit sehr hohem Unterstützungsbedarf, schweren Verhaltensauffälligkeiten oder hohem Pflegeaufwand sowie ältere Menschen mit Behinderung haben ein Recht auf ein selbstbestimmtes Leben und auf umfassende Teilhabe am sozialen Leben. Sie dürfen nicht in Pflegeheime oder Großeinrichtungen abgeschoben werden, nur weil eine Unterbringung dort kostengünstiger wäre.
3. Mobilen Hilfeleistungen ist weiterhin der Vorzug vor stationärer Unterbringung zu geben ("mobil vor stationär") - eine Kürzung der für ein selbständiges Leben notwendigen mobilen Leistungen ist daher abzulehnen.
4. Kürzungen bei den Hilfeleistungen dürfen nicht dazu führen, dass die im Auftrag des Landes in den letzten Jahren unter dem Fokus der sozialen Inklusion entwickelten Betreuungsstrukturen zerstört werden (keine Zusammenlegung oder Vergrößerung von Einrichtungen\; keine Schaffung von "Bettenstationen" mit Mehrbettzimmern\; mobilen Leistungen ist auch in Zukunft der Vorzug vor stationärer Betreuung zu geben).
5. Werden Kürzungen bei den Leistungspreisen vorgenommen, müssen die Leistungen auch zu diesen neuen Preisen in dem vorgesehenen Umfang und in der vorgesehenen Qualität von den Dienstleistungsbetrieben erbringbar sein (Prinzip einer kostendeckenden Kalkulation). Die Verteilung der kalkulierten Verwendungsgruppen darf nicht verändert werden, nur so kann die Qualität der Leistungen erhalten bleiben.
6. Die sich aus Kürzungen ergebenden, in den Leistungsbeschreibungen der LEVO veränderten Vorgaben müssen von den Trägern auch tatsächlich umsetzbar sein (z.B. wären Preiskürzungen durch eine "fiktive" Verkleinerung der Einrichtungsgrößen nicht umsetzbar\; ebenso eine Herabsetzung der Qualifikationserfordernisse in verschiedenen Dienstleistungen - denn die Träger wurden ja in der Vergangenheit vertraglich verpflichtet, Fachkräfte anzustellen\; diese können jetzt nicht einfach gegen geringer qualifiziertes Personal "ausgetauscht" werden.)
Es wird daher der
Antrag
gestellt:
Der Landtag wolle beschließen:
Die Landesregierung wird aufgefordert, im steirischen Behindertenwesen weiterhin folgende Standards zu gewährleisten:
- Wahrung der Rechtsansprüche auf sämtliche im BHG verankerten Hilfeleistungen sowie der in der UN-Behindertenrechtskonvention garantierten Menschenrechte auf soziale Inklusion (Teilhabe) und ein selbstbestimmtes Leben
- Gewährleistung des Rechts auf ein selbstbestimmtes Leben auch für Menschen mit sehr hohem Unterstützungsbedarf, schweren Verhaltensauffälligkeiten oder hohem Pflegeaufwand sowie älteren Menschen mit Behinderung - keine Abschiebung in Pflegeheime oder Großeinrichtungen, nur weil eine Unterbringung dort kostengünstiger wäre
- Mobilen Hilfeleistungen ist weiterhin der Vorzug vor stationärer Unterbringung zu geben ("mobil vor stationär") - eine Kürzung der für ein selbständiges Leben notwendigen mobilen Leistungen ist daher abzulehnen
- Aufrechterhaltung der unter dem Fokus der sozialen Inklusion entwickelten Betreuungsstrukturen: keine Zusammenlegung oder Vergrößerung von Einrichtungen\; keine Schaffung von "Bettenstationen" mit Mehrbettzimmern\; Vorrang mobiler Leistungen vor stationärer Betreuung
- Leistungen müssen in der vorgesehenen Qualität und im vorgesehenen Umfang durch die Leistungspreise von den Dienstleistungsbetrieben erbringbar sein: Prinzip einer kostendeckenden Kalkulation\; keine kalkulatorischen Erfolgsberichtigungen, durchgehende Berücksichtigung der 38-Stunden-Woche und des BAGS-Kollektivvertrags zu den 2011 geltenden Werten
- Aufrechterhaltung der Qualifikationserfordernisse bei den verschiedenen Dienstleistungen: Fachkräfte dürfen nicht durch geringer qualifiziertes Personal ersetzt werden
Unterschrift(en):
Ingrid Lechner-Sonnek (Grüne), Lambert Schönleitner (Grüne), Sabine Jungwirth (Grüne)