LANDTAG STEIERMARK
XVI. GESETZGEBUNGSPERIODE


EZ/OZ: 359/1

Selbstständiger Antrag von Abgeordneten (§ 21 GeoLT)

eingebracht am 04.03.2011, 09:51:08


Landtagsabgeordnete(r): Werner Murgg (KPÖ), Claudia Klimt-Weithaler (KPÖ)
Fraktion(en): KPÖ
Zuständiger Ausschuss: Finanzen
Regierungsmitglied(er): Franz Voves, Bettina Vollath

Betreff:
Einführung einer Wertschöpfungsabgabe

Um die Finanzierung der Sozialleistungen langfristig zu sichern und dabei gleichzeitig gerechter zu gestalten sollte die derzeitige Finanzierung staatlicher Sozialleistungen, die auf der Lohn- und Gehaltssumme basiert, auf eine andere Basis gestellt werden.

Es ist wohlbekannt, dass der deutliche Rückgang der Lohnquote die Ergiebigkeit der Sozialversicherungsbeiträge und Lohnsummensteuern beträchtlich einschränkt. Gemessen am Volkseinkommen betrugen die privaten Arbeitnehmerentgelte Ende der siebziger Jahre unbereinigt 76%, mittlerweile liegt sie bei rund 67,5%. Die internationale Entwicklung in den Industriestaaten wird den sinkenden Trend in den kommenden Jahren mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit beibehalten. Darüberhinaus führen jährlich steigende Produktivitätszuwächse und gleichzeitig sinkende Anteile von Löhnen und Gehältern am Volkseinkommen zu einer Benachteiligung von arbeits- und forschungsintensiven Betrieben, während kapital- und energieintensive Betriebe im Gegenzug überproportional bevorzugt werden. Der bereits durch den globalen Wettbewerb enorme Rationalisierungsdruck wird dadurch weiter verstärkt, und Arbeitsverdichtung die Leistung auf Kosten der Arbeitsplätze steigert wird durch diese Form der Abgabenbemessung weiter vorangetrieben.

Die Einbeziehung von Gewinnen, Abschreibungen, Fremdkapitalzinsen, Mieten, Pachten usw., also die Umbasierung auf wertschöpfungsbezogene Abgaben, wäre ein gerechter Anteil, den stark produktive Unternehmen, die ihre Produktivität vielfach durch den Abbau von Arbeitskräften und anderen Rationalisierungen erwirtschaften, dem Sozialsystem zuführen sollten. Der Vorteil liegen nicht nur in einer größeren Stabilität der dadurch lukrierten Mittel, sondern auch in einer höheren Beschäftigungsfreundlichkeit. Eine Wertschöpfungsabgabe beseitigt die allseitig beklagte einseitige Belastung des Faktors Arbeit.


Nicht nur Gewerkschaften und Arbeiterkammer, auch einflussreiche ExpertInnen im Bereich des Gesundheits- und Sozialwesens treten seit Jahren für einen Paradigmenwechsel in der Finanzierung des Sozialsystems ein.  Eine im Jahr 2006 hierzu vorgelegte Studie des Wifo geht vor dem Hintergrund des damals vorhandenen Datenmaterials  davon aus, dass Brutto-Wertschöpfung des privaten Sektors fast dreimal so hoch wie die Bemessungsbasis − die Lohn- und Gehaltssumme bis zur Höchstbeitragsgrundlage. Eine Abgabe von 11½ bis 12% der Wertschöpfung würde genügen, so das WiFo, um die gleichen Einnahmen zu erzielen wie die Arbeitgeberbeiträge und Lohnsummensteuern (29,3% der Beitragsgrundlage). Selbst vorsichtige Schätzungen gehen davon aus, dass bei Einführung der Wertschöpfungsabgabe dem Sozialsystem ein hoher dreistelliger Millionenbetrag zufließen würde, und sich davon ausgehend (natürlich in Abhängigkeit von der wirtschaftlichen Entwicklung) die Schere zur mit der herkömmlichen Finanzierungsform erzielbaren Abgabensumme vergrößern würde. Allerdings wird eingeräumt, dass bei einer solchen Umstellung zu einer erheblichen Umverteilung der Last zwischen unterschiedlichen Branchen kommen würde. Im Falle einer Umbasierung der Beitragsfinanzierung von der Lohn- und Gehaltssumme auf die Wertschöpfung müssten beispielsweise  das Kredit- und Versicherungswesen, die Energiewirtschaft, sowie das Realitätenwesen mit deutlich höheren Abgabenzahlungen rechnen, weil sie eine weit überdurchschnittliche Wertschöpfung je Beschäftigten aufweisen. Wobei die Verschiebung der Abgabenbelastung von arbeits- zu kapitalintensiven Betrieben wie bereits ausgeführt ein erwünschter Effekt der Wertschöpfungsabgabe ist. Die starke Belastung von Kleinbetrieben mit
einem hohen Beitrag der Selbständigen zur Wertschöpfung muss jedoch durch die Art der Ausgestaltung verhindert werden. Dieses Problem könnte durch niedrigere Beitragssätze für
Kleinbetriebe oder Einbeziehung der Selbständigenversicherung in die Wertschöpfungsabgabe
gelöst werden.

Ein Beispiel für eine Abgabe dieser Art stellt das in Italien existierende System der Imposta regionale sulle attività produttive (IRAP) dar. ist eine regionale Steuer, die von natürlichen oder juristischen Personen erhoben wird. Die IRAP stellt aber keine zweite Mehrwertsteuer dar, weil sie nicht die wesentlichen Merkmale einer Mehrwertsteuer aufweist. Nach der Sechsten Mehrwertsteuerrichtlinie ist es den Mitgliedstaaten grundsätzlich verboten, eine "zweite" Mehrwertsteuer einzuführen oder beizubehalten. Hierbei handelt es sich um eine regionale Steuer, die von natürlichen oder juristischen Personen zum Basisteuersatz von 4,25 Prozent auf den aus ihrer Erzeugung in der Region fließenden Nettowert erhoben wird. Die genaue Methode zur Bestimmung des Nettowerts variiert je nach der Steuerzahlerkategorie und realisiert damit die oben skizzierte Notwendigkeit auf Größe und Art der Betriebe abzustellen. Für gewerbliche Unternehmen ist es beispielsweise der in der Gewinn-und-Verlust-Rechnung ausgewiesene Unterschied zwischen dem Gesamtertrag aus ihrer Tätigkeit (ausgenommen Einkünfte aus außerordentlichen Finanzgeschäften) auf der einen Seite und den Produktionskosten (ausgenommen Personal- oder Finanzierungskosten) auf der anderen Seite. Die meisten natürlichen und juristischen Personen einschließlich der öffentlich-rechtlichen Körperschaften sowie der Verwaltungsbehörden unterliegen dieser Steuer.

Eine durch eine italienische Bank angestrengte Klage vor dem europäischen Gerichtshof aufgrund des von ihr durch die Einführung des IRAP Systems behaupteten Verstoßes gegen die sechste europäische Mehrwertsteuerrichtlinie verlief erfolglos. Es ist daher, anders als von KritikerInnen einer solchen Abgabe zuvor behauptet, davon auszugehen, dass eine ähnlich gestaltete Wertschöpfungsabgabe im Einklang mit den bezüglichen Regelungen der europäischen Union steht.

Es wird daher der

Antrag

gestellt:

Der Landtag wolle beschließen:

Die Landesregierung wird aufgefordert, an die Bundesregierung mit dem Anliegen heranzutreten, zur langfristigen stabilen Finanzierung des Sozialstaates durch Einführung einer Wertschöpfungsabgabe die Beitragsgrundlage vom Faktor Arbeit zu entkoppeln, und die gesamte Wertschöpfung des Unternehmens zur Bemessung der Sozialversicherungsbeiträge heranzuziehen.

 


Unterschrift(en):
Werner Murgg (KPÖ), Claudia Klimt-Weithaler (KPÖ)