LANDTAG STEIERMARK
XVI. GESETZGEBUNGSPERIODE


EZ/OZ: 962/1

Selbstständiger Antrag von Abgeordneten (§ 21 GeoLT)

eingebracht am 29.12.2011, 12:21:50


Landtagsabgeordnete(r): Werner Murgg (KPÖ), Claudia Klimt-Weithaler (KPÖ)
Fraktion(en): KPÖ
Zuständiger Ausschuss: Umwelt
Regierungsmitglied(er): Gerhard Kurzmann

Betreff:
Ausschreibung von Verkehrsdienstleistungen

Die Europäische Union hat mit der "Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2007 über öffentliche Personenverkehrsdienste auf Schiene und Straße" (kurz als PSO-Verordnung bezeichnet) nach acht Jahren kontroversen Diskussionen eine Neuregelung für die Ausschreibung bzw. Vergaben von öffentlichen Personenverkehrsdiensten geschaffen. Mit Dezember 2009 ist diese Verordnung in Kraft getreten. 

Die ersten Entwürfe entsprachen noch den neoliberalen Grundsätzen, letztlich wurde aber mit der EU-VO 1370/2007 ein Vergaberahmen geschaffen, welcher auf die speziellen Erfordernisse dieses sensiblen Sektors der "Daseinsvorsorge" Rücksicht nimmt. Die bekannten negativen Auswirkungen des britischen Liberalisierungswahnsinns haben diesen Prozess auf EU-Ebene positiv beeinflusst.

Öffentliche Verkehrsdienstleistungen können laut dieser EU-Verordnung - vorerst beschränkt auf den Bus - vom Auftraggeber in Form von Direktvergabe, als Inhouse-Vergabe an einen internen Betreiber, als Dienstleistungskonzession oder als Dienstleistungsauftrag vergeben werden.

Die Besonderheiten bei Vergaben von öffentlichen Personenverkehrsdiensten werden in der EU-Verordnung sehr konkret wie folgt angesprochen: "Gemäß dem Subsidiaritätsprinzip steht es den zuständigen Behörden frei, soziale Kriterien und Qualitätskriterien festzulegen, um Qualitätsstandards für gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen aufrechtzuerhalten und zu erhöhen, beispielsweise bezüglich der Mindestarbeitsbedingungen, der Fahrgastrechte, der Bedürfnisse von Personen mit eingeschränkter Mobilität, des Umweltschutzes, der Sicherheit von Fahrgästen und Angestellten sowie bezüglich der sich aus Kollektivvereinbarungen ergebenden Verpflichtungen und anderen Vorschriften und Vereinbarungen in Bezug auf den Arbeitsplatz und den Sozialschutz an dem Ort, an dem der Dienst erbracht wird. Zur Gewährleistung transparenter und vergleichbarer Wettbewerbsbedingungen zwischen den Betreibern und um das Risiko des Sozialdumpings zu verhindern, sollten die zuständigen Behörden besondere soziale Normen und Dienstleistungsqualitätsnormen vorschreiben können."

Der Europäische Gesetzgeber hat damit die Gefahren des Sozialdumpings für diesen Bereich in bemerkenswerter Schärfe thematisiert und den Behörden auf nationalstaatlicher und regionaler Ebene die entsprechenden Instrumente an die Hand gegeben, um Sozialdumping in diesem sensiblen Bereich der "Daseinsvorsorge" verhindern zu können.

Auch betreffend Übergangsfristen und Spielräume, inwieweit eine Ausschreibung überhaupt notwendig ist und welche Alternativen es dazu gibt, ermöglicht diese EU-Verordnung neue Handlungsspielräume - Bundesländer wie Tirol und Vorarlberg nutzen diese Spielräume jedenfalls in diesem Sinne.

Die Möglichkeiten derartige Kriterien zur Verhinderung von Sozialdumping sind mit dem allgemeinen vergabegesetzlichen Grundlagen (Bundes- und Landesvergabegesetz) kaum entsprechend zu berücksichtigen. Eigentlich handelt es sich beim Bundes- und Landesvergabegesetz nun nach Inkrafttreten der PSO-Verordnung um ein nicht mehr adäquates Verfahren zur Vergabe von Verkehrsdienstleistungen im öffentlichen Verkehr.

Das Land Steiermark fasste den Beschluss, öffentliche Busleistungen als Dienstleistungsaufträge nach Linienbündeln auszuschreiben. Laut PSO-Verordnung muss in diesem Fall der Dienstleistungsauftrag nun nicht an den Billigstbieter vergeben werden, sondern kann auch an den Bestbieter gehen. Der öffentliche Auftraggeber, das Land Steiermark, kann somit soziale Kriterien und Qualitätskriterien festlegen, um die Standards für gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen auf hohem Niveau zu halten. Diese beinhalten unter anderem Mindestarbeitsbedingungen, Fahrgastrechte, die Bedürfnisse von Personen mit eingeschränkter Mobilität, Umweltschutz, Sicherheit von Fahrgästen und des Personals sowie Kriterien bezüglich Arbeitsplatzgestaltung.

Es ist daher angebracht, in die Kriterien für kommende Ausschreibungen von öffentlichen Verkehrsdienstleistungen entsprechend der Möglichkeiten der PSO-Verordnung auch Sozial- und Qualitätskriterien aufzunehmen.
Die von den Aufgabenträgern verwendeten Mittel sind Steuermittel\; die Leistungen werden für die SteuerzahlerInnen bereitgestellt. Öffentliche Verkehrsleistungen sind ein wesentlicher Bestandteil der Daseinsvorsorge, vor allem im ländlichen Raum. Mit Steuergeld darf kein Lohn- oder Sozialdumping unterstützt werden!

Es wird daher der

Antrag

gestellt:

Der Landtag wolle beschließen:

Die Landesregierung wird aufgefordert, in Hinkunft dem Thema Sozialkriterien bei Leistungsbeschaffungen bzw. Ausschreibungen für den öffentlichen Kraftfahrlinienverkehr einen höheren Stellenwert einzuräumen, die Möglichkeiten des EU-Rechts, insbesondere der EU-Verordnung 1370/2007, im Sinne der MitarbeiterInnen und Fahrgäste im Personennahverkehr zu nützen und in diesem Sinne für die Ausschreibung von öffentlichen Busleistungen einen verpflichtenden Katalog von Sozial- und Qualtitätskriterien unter Mitwirkung der Sozialpartner auszuarbeiten und diesen zur Grundlage für Vergaben in diesem Bereich zu machen.


Unterschrift(en):
Werner Murgg (KPÖ), Claudia Klimt-Weithaler (KPÖ)