LANDTAG STEIERMARK
XVI. GESETZGEBUNGSPERIODE


EZ/OZ: 1029/1

Selbstständiger Antrag von Abgeordneten (§ 21 GeoLT)

eingebracht am 27.01.2012, 09:48:03


Landtagsabgeordnete(r): Gerald Deutschmann (FPÖ), Peter Samt (FPÖ), Gunter Hadwiger (FPÖ)
Fraktion(en): FPÖ
Zuständiger Ausschuss: Verfassung
Regierungsmitglied(er): Franz Voves, Michael Schickhofer, Siegfried Schrittwieser, Christopher Drexler (ÖVP)

Betreff:
Kinderschutz vor sexuellen Übergriffen


Täglich erschüttern neue Meldungen über Gewalt gegen Kinder und sexuellen Missbrauch von Kindern und Jugendlichen. Spitzenreiter bei diesem Negativrekord sind derzeit Meldungen über Missbrauchsfälle in öffentlichen Kinderheimen. Trotz der großen Zahl an öffentlich bekannten und gerichtlich verfolgten Fällen liegt jedoch die tragische Dunkelziffer weit höher. Viele Opfer von Gewalt und sexuellen Übergriffen sind allein gelassen und die Täter unangetastet.

Der Beschluss der Strafgesetznovelle 2011, welcher am 6. Dezember 2011 im Nationalrat erfolgte, kann nur als ein erster zaghafter Schritt in die richtige Richtung gesehen werden.

Im Hinblick auf die offenkundig latente Gefahr für Kinder und Jugendliche, Opfer von Gewalt und/oder sexuellem Missbrauch zu werden, ist es notwendig als Präventivmaßnahme, aber auch zur Durchführung einer konsequenten Bestrafung der Täter, eine entsprechende Anhebung der Strafunter- und Strafobergrenzen für strafbare Handlungen gegen die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung vorzunehmen. 

Beispielsweise ist die Strafuntergrenze des Vergewaltigungsdeliktes (§ 201 Abs.1 StGB) von sechs Monaten wie auch dieselbe Strafuntergrenze bei sexuellem Missbrauch einer wehrlosen oder psychisch beeinträchtigten Person (§ 205 Abs. 1 StGB) als "Skandal" festzumachen und als Armutszeugnis für das österreichische Rechtssystem zu deuten. Beim Delikt des schweren sexuellen Missbrauches von Unmündigen, kann der "Kinderschänder" beim "für den Täter günstigsten" Strafurteil mit einer Freiheitsstrafe von nur einem Jahr rechnen, bei sexuellem Missbrauch von Unmündigen setzt diese Untergrenze erneut bei sechs Monaten an. Ein Änderungsbedarf ist offenkundig.

Bei strafbaren Handlungen gegen die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung beginnen die Verjährungsfristen nach geltendem Recht gemäß § 58 Abs. 3 StGB ab dem vollendeten 28. Lebensjahr zu laufen, wenn das Opfer zum Zeitpunkt der Tatbegehung minderjährig war - eine nicht restlos befriedigende Regelung, wenn man die öffentlich diskutierte Problematik von zumeist verjährten Straftaten gegen ehemals Minderjährige vor Augen führt. Strafbare Handlungen gegen die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung sollten daher in jenen Fällen, in denen das Opfer minderjährig ist, nicht verjähren.

Die Einführung einer Anzeigepflicht bei begründetem Verdacht von sexuellem Missbrauch ist nicht nur im Sinne des möglichen Opfers, sondern auch zur Verhinderung weiterer möglicher Übergriffe auf andere Kinder und Jugendliche im Umfeld der begründet verdächtigen Person geboten.

Viele Fälle von Kindesmisshandlungen finden trauriger Weise in der Familie statt. Dadurch haben die Eltern bzw. der oder die Täter die Möglichkeit, Anzeichen solcher Misshandlungen nicht nach außen in Erscheinung treten zu lassen. Dies wird auch dadurch begünstigt, dass die Kinder über einen längeren Zeitraum nicht von einem Arzt untersucht werden können. Daher sollen die Mutter-Kind-Pass Untersuchungen ausgeweitet, die Nicht-Einhaltung sanktioniert und wirksame Maßnahmen gegen einen Spitalstourismus geschaffen werden.

Des Weiteren ist durch die Verschärfung des geltenden Tätigkeitsverbotes in ein absolutes Berufsverbot im Bereich der Erziehung, Ausbildung und Beaufsichtigung Minderjähriger für Personen, welche aufgrund einer strafbaren Handlung gegen die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung einer minderjährigen Person verurteilt wurden, die Sicherheit vor weiteren Übergriffen und Misshandlungen im Sinne der Kinder und Jugendlichen zu gewährleisten. 

Der geltende § 220b StGB führt derzeit zu Tätigkeitsverboten von einem bis fünf Jahren, nur ausnahmsweise auch zu Verboten auf unbestimmte Zeit. Personen, welche aufgrund der gegenständlichen strafbaren Handlungen verurteilt wurden, muss aber generell der weitere berufliche Umgang mit Minderjährigen untersagt werden, um jedwedes Risiko für Kinder und Jugendliche auszuschließen.

Als weiterer, einschneidender und notwendiger Schritt im Sinne des Schutzes der Gesellschaft vor triebgesteuerten Sexualstraftätern ist die Einführung der rechtlichen Voraussetzungen zur Durchführung chemischer Kastrationen durch Arzneistoffe in Österreich zu schaffen. Die rechtliche Zulässigkeit der chemischen Kastration von Straftätern hängt zunächst von einer medizinischen Begriffsbestimmung ab. Wird unter chemischer Kastration ein Eingriff mit bleibendem Effekt verstanden, so darf sie im Bereich des Strafrechts nicht angewendet werden, Wegen der irreparablen (gleichen) Folgen muss diese Form der Kastration einem operativen Eingriff gleichgehalten werden. Nicht einmal die Zustimmung des Täters würde (nach dem Gesetz) einen solchen Eingriff rechtfertigen.
Meint man hingegen mit chemischer Kastration einen Eingriff, der auf hormonellem Weg die sexuelle Triebhaftigkeit bloß vorübergehend neutralisiert, so ist eine solche Behandlung im Bereich des Strafrechts zulässig, jedoch derzeit nur mit Zustimmung des Täters. Sinnvollerweise müssten aber gerade Verurteilte, die nicht (mehr) in Haft sind, so behandelt werden. Hierdurch soll der Gerichtsbarkeit ein weiteres effektives Straf- und Präventivinstrument in der Verurteilung von Straftätern aufgrund schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen sowie von Wiederholungstätern in die Hand gegeben werden. 
Auch die in etlichen anderen europäischen Staaten laufenden Diskussionen über die chemische Kastration von Triebtätern zeigen die Brisanz des Themas und machen deutlich, dass mangels effektiver Alternativen ernsthaft über wirkungsvollere Einsatzmöglichkeiten des Instrumentes der chemischen Kastration von Triebtätern nachgedacht werden muss!

Nach § 152 Abs. 2 des Strafvollzugsgesetzes ist derzeit selbst bei Delikten gegen die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung eine vorzeitige Entlassung aus der Strafhaft möglich. Vor jeder Entscheidung über die bedingte Entlassung eines wegen einer strafbaren Handlung gegen die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung Verurteilten ist eine Äußerung der Begutachtungs- und Evaluationsstelle für Gewalt- und Sexualstraftäter einzuholen. Das Gericht hat dem Bundesminister für Inneres zur Vorbeugung und Verhinderung von mit Strafe bedrohten Handlungen gegen die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung mittels Analyse eine Ausfertigung oder Ablichtung dieser Äußerung zu übersenden. Auf Grundlage dieser Äußerung ist vom Gericht eine Entscheidung über das vorzeitige Freilassen des Sexualstraftäters zu fällen. Das Restrisiko eines Rückfalles wird dadurch der Allgemeinheit aufgebürdet. Ein untragbarer Zustand.

Wie leider die bisherigen Anwendungen des elektronisch überwachten Hausarrests gezeigt haben, kommen auch Personen, welche nach einer strafbaren Handlung gegen die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung von Minderjährigen verurteilt wurden, in den Genuss, einen Teil der Strafe mit der Fußfessel zu verbringen. Dies ist entschieden abzulehnen. Vielmehr sollten solche Personen nach Verbüßen der Haftstrafe lebenslang unter Führungsaufsicht gestellt werden.

Die unmittelbaren Auswirkungen von sexuellem Missbrauch auf Kinder differieren. Als Umstände, welche die Folgen eines Missbrauches erschweren können, gelten der Missbrauch durch nahe Bezugspersonen oder die Dauer des Missbrauches als auch mangelnde Unterstützung im familiären Umfeld des Kindes nach einem Missbrauch. Opfer von sexuellem Missbrauch benötigen oft psychotherapeutische Hilfe oder eine Form psychologisch-psychotherapeutischer Beratung, einerseits zur Bewältigung der verletzenden Erfahrung und des gegenwärtigen Lebens, andererseits um wieder für künftige Beziehungen offen und fähig zu werden. Mit Hilfe eines neu zu schaffenden Opferfonds für Opfer von sexuellen Straftaten soll deren medizinische und psychologische Betreuung und Behandlung finanziell unterstützt werden.

Es wird daher der

Antrag

gestellt:

Der Landtag wolle beschließen:


Die Steiermärkische Landesregierung wird aufgefordert, an die Bundesregierung mit dem dringenden Anliegen heranzutreten, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zuzuleiten, welche

•             die Anhebung der Strafrahmen für Delikte nach dem Zehnten Abschnitt des Strafgesetzbuches - Strafbare Handlungen gegen die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung und der § 92 und § 104a des Strafgesetzbuches,

•             die Abschaffung von Verjährungsfristen bei Delikten wider Minderjährige nach dem Zehnten Abschnitt des Strafgesetzbuches - Strafbare Handlungen gegen die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung,

•             eine unbedingte Anzeigepflicht für alle Personen, die beruflich mit Minderjährigen zu tun haben, wenn ein begründeter Verdacht des physischen, sexuellen oder psychischen Missbrauchs besteht, 

•             wirksame Maßnahmen zur Unterbindung des Spitalstourismus im Zusammenhang mit verletzten Kindern,

•             eine Ausweitung von verpflichtenden Mutter-Kind-Pass Untersuchungen bis zum 10. Lebensjahr einschließlich einer Kürzung der Familienbeihilfe im Falle der Nichtbefolgung\;

•             die Einführung von effektiveren Möglichkeiten einer chemischen Kastration von Triebtätern, insbesondere im Falle minderjähriger Opfer\;

•             die Einführung eines absoluten Berufsverbotes für Personen, welche nach einer strafbaren Handlung gegen die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung von Minderjährigen verurteilt wurden, im Hinblick auf eine Erwerbstätigkeit, eine sonstige Tätigkeit in einem Verein oder in einer anderen Einrichtung, welche die Erziehung, Ausbildung oder Beaufsichtigung Minderjähriger umfasst\;

•             den ausnahmslosen Entfall der Möglichkeit von Hafterleichterungen zu Gunsten von Personen, welche nach dem Zehnten Abschnitt des Strafgesetzbuches - Strafbare Handlungen gegen die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung- rechtskräftigt verurteilt wurden\;

•             den ausnahmslosen Entfall der Möglichkeit vorzeitiger Entlassungen und bedingter Strafen zu Gunsten von Personen die wegen einer Straftat nach dem Zehnten Abschnitt des Strafgesetzbuches - Strafbare Handlungen gegen die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung - verurteilt wurden\;

•             den ausnahmslosen Entfall der Möglichkeit des Strafvollzuges durch den elektronisch überwachten Hausarrest zu Gunsten von Personen die wegen einer Straftat nach dem Zehnten Abschnitt des Strafgesetzbuches - Strafbare Handlungen gegen die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung - verurteilt wurden\;

•             eine lebenslange Führungsaufsicht nach der Haftentlassung bei Personen, welche nach einer strafbaren Handlung gegen die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung von Unmündigen verurteilt wurden\;

•             die Schaffung eines speziellen Opferfonds für Opfer von sexuellen Straftaten, der auch zur Finanzierung der medizinischen und psychologischen Betreuung und Behandlung der Opfer dienen soll, beinhaltet.


Unterschrift(en):
Gerald Deutschmann (FPÖ), Peter Samt (FPÖ), Gunter Hadwiger (FPÖ)