LANDTAG STEIERMARK
XVI. GESETZGEBUNGSPERIODE


EZ/OZ: 1311/1

Selbstständiger Antrag von Abgeordneten (§ 21 GeoLT)

eingebracht am 11.06.2012, 09:22:00


Landtagsabgeordnete(r): Sabine Jungwirth (Grüne), Lambert Schönleitner (Grüne), Ingrid Lechner-Sonnek (Grüne)
Fraktion(en): Grüne
Zuständiger Ausschuss: Soziales
Regierungsmitglied(er): Christian Buchmann, Siegfried Schrittwieser

Betreff:
Abschaffung der zehnprozentigen Mindestquote im Abschöpfungsverfahren der Insolvenzordnung

Die Anzahl der Personen, die in einem überschuldeten österreichischen Haushalt leben, ist stark angestiegen. Das ist dem aktuellen österreichischen Schuldenreport der Schuldenberatungsstellen zu entnehmen. Dieser Bericht hält folgendes fest: "Es hat viele schöne Aspekte in Österreich zu leben. Für Personen, die ein gerichtliches Schuldenregulierungsverfahren anstreben, wäre beinahe jedes andere Land in Europa die bessere Wahl. Nirgendwo sonst dauert es so lange, bis ein Neustart gewährt wird und kaum wo existiert eine Mindestquote als Entschuldungshürde für Einkommensschwache und armutsgefährdete Familien."

Menschen, die sich an eine Schuldenberatungsstelle wenden, haben schlechtere Schulabschlüsse und ein deutlich geringeres Einkommen als der Durchschnitt der Bevölkerung. Ein Viertel der KlientInnen einer der zehn staatlich anerkannten Schuldenberatungsstellen Österreichs verdiente 2011 weniger als das Existenzminimum von 793 Euro. Der mit großem Abstand häufigste Grund für Überschuldung ist Arbeitslosigkeit bzw. der Entfall eines wesentlichen Einkommensteils. Weitere wesentliche Gründe sind der Umgang mit Geld, gescheiterte Selbstständigkeit, Wohnraumbeschaffung und Scheidung bzw. Trennung.

Gegenüber 2010 ist die Zahl der Privatkonkurse bzw. Schuldenregulierungsverfahren deutlich gestiegen: 5,7% mehr Insolvenzanträge, 6,5% mehr neue Verfahren.

Ziel dieser Verfahren ist es laut Schuldenreport, "redlichen und motivierten SchuldnerInnen die realistische Chance auf einen wirtschaftlichen Neubeginn zu geben". Das österreichische Privatinsolvenzrecht schreibt vor, dass nach sieben Jahren mindestens 10% der Gesamtschulden zurückbezahlt sein müssen. An dieser 10%-Hürde scheitert jedoch etwa ein Drittel der Verfahren. Die Folge ist, dass die SchuldnerInnen bis auf das Existenzminimum gepfändet werden, wovon jedoch die Gläubiger kaum etwas haben. Aus diesem Grund haben alle Staaten Europas bis auf Tschechien, Österreich und in Teilbereichen Finnland die Mindestquote abgeschafft. In diesen Ländern ist die Verfahrensdauer daher mit 3 bis 5 Jahren deutlich kürzer als bei uns.

Seit langem fordern die Schuldenberatungsstellen die Abschaffung der 10%-Hürde. Sie scheitern damit jedoch bislang am Widerstand des Kreditschutzverbandes und der Wirtschaftskammer, zuletzt in einer Arbeitsgruppe im Justizministerium, die im Februar dieses Jahres einen neuen Versuch zur Verbesserung des Privatinsolvenzrechts unternommen hat.

Angesichts der steigenden Armutsgefährdung sollte das Privatinsolvenzrecht dringend verbessert und internationalen Standards angeglichen werden.

Es wird daher der

Antrag

gestellt:

Der Landtag wolle beschließen:

Die Landesregierung wird aufgefordert, an die Bundesregierung heranzutreten und von dieser nachdrücklich die Abschaffung der zehnprozentigen Mindestquote im Abschöpfungsverfahren der Insolvenzordnung einzufordern.


Unterschrift(en):
Sabine Jungwirth (Grüne), Lambert Schönleitner (Grüne), Ingrid Lechner-Sonnek (Grüne)