LANDTAG STEIERMARK
XVI. GESETZGEBUNGSPERIODE


EZ/OZ 1162/5

Schriftlicher Bericht

Ausschuss: Gesundheit

Betreff:
Enthospitalisierung Landespflegeheim Schwanberg


zu:


  • 1162/1,
    Enthospitalisierung Landespflegeheim Schwanberg (Regierungsvorlage)


Der Ausschuss "Gesundheit" hat in

seiner Sitzung

vom
17.04.2012
über
den oben angeführten Gegenstand
die Beratungen durchgeführt.

Begründung:
Nach den Vorkommnissen im Landespflegeheim Schwanberg wurde im September 2010 vom zu diesem Zeitpunkt zuständigen Mitglied der Steiermärkischen Landesregierung eine externe ExpertInnenkommission beauftragt, einen Bericht zu verfassen. Dieser Bericht, der eine Analyse des Ist-Zustandes, des Soll-Zustandes und Empfehlungen enthält, wurde am 23. November 2011 den zuständigen Regierungsmitgliedern, Landesrätin Mag.a Kristina Edlinger-Ploder sowie Landeshauptmann-Stellvertreter Siegfried Schrittwieser, Verantwortlichen der KAGes und des Landespflegeheims Schwanberg und VertreterInnen der Fachabteilung 8A zur Diskussion vorgelegt. In dieser Diskussion bekannten sich alle Beteiligten zur professionellen Versorgung der Menschen, die zurzeit in Schwanberg leben.

Es wurde vereinbart, eine Grobeinschätzung der zu diesem Zeitpunkt in Schwanberg untergebrachten Personen vorzunehmen. Diese wurde durch MitarbeiterInnen des Johannes-von-Gott-Pflegezentrums Kainbach und dem ärztlichen Leiter des LPH Schwanberg durchgeführt. Die Grobeinschätzung der in Frage kommenden Wohn- und Beschäftigungsformen für die BewohnerInnen des LPH Schwanberg wurde im Februar 2011 vorgelegt. Im Ergebnis wurden die zum damaligen Zeitpunkt insgesamt 144 Personen in 10 Gruppen aufgeteilt, wobei geschätzt wurde, dass 47 Personen Wohn- und Beschäftigungsleistungen nach der Leistungs- und Entgeltverordnung des Steiermärkischen Behindertengesetzes (LEVO-StBHG) in Anspruch nehmen könnten. Für die restlichen BewohnerInnen wurden Leistungen außerhalb des Spektrums der LEVO-StBHG vorgeschlagen.

Auf diese Grobeinschätzung aufbauend wurde als ursprüngliches Ziel seitens der KAGes formuliert, das Landespflegeheim Schwanberg auf rund 70 Betten zu verkleinern und sich auf chronisch psychisch kranke Menschen zu konzentrieren. Die intellektuell behinderten Menschen sollten nach Möglichkeit in anderen Betreuungseinrichtungen untergebracht werden. Aufgrund dieser ursprünglichen Zielformulierung sollte seitens der KAGes auch ein organisatorischer und bautechnischer Plan zur Adaptierung des LPH entwickelt werden. Der für diesbezügliche Sanierungs- und Adaptierungsmaßnahmen am Schlossgebäude erforderliche Investitionsaufwand wurde in einer Bandbreite zwischen 6 und 8 Millionen Euro geschätzt.

Seit Vorliegen der Grobeinschätzung haben 51 Personen das LPH Schwanberg verlassen. Mit Stand Februar 2012 leben 93 BewohnerInnen im LPH Schwanberg.

Nach Vorliegen der Ergebnisse der Grobeinschätzung wurde im Rahmen der bisher gestellten Anträge auf Leistungen aus der Behindertenhilfe mit einer weiteren Begutachtung durch die in der Behindertenhilfe gesetzlich vorgesehenen IHB-Teams begonnen. Diese interdisziplinär zusammengesetzten Sachverständigenteams stellten im Zuge der "Feinbegutachtungen" fest, dass mehr Personen als ursprünglich angenommen in die Zielgruppe des Steiermärkischen Behindertengesetzes fallen.

Weder Menschen mit intellektuellen Behinderungen noch mit psychischen Erkrankungen müssen und sollen auf Dauer in einer Großeinrichtung leben, sondern sie haben gemäß der 2008 von Österreich ratifizierten UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (Artikel 19, 28, 29) "das gleiche Recht wie andere Menschen in der Gemeinschaft zu leben" und sind "nicht verpflichtet, in besonderen Wohnformen zu leben" (Artikel 19). Diese Ansicht entspricht europaweit dem derzeitigen Stand der Wissenschaft und Forschung. Um die Umsetzung dieser Erkenntnisse und Vorgaben in Österreich voranzubringen, sieht der Entwurf des Nationalen Aktionsplans für Menschen mit Behinderung die Notwendigkeit für ein umfassendes Programm der De-Institutionalisierung in allen neun Bundesländern als Zielsetzung vor. "Im Rahmen eines solchen Programms sollten mehr selbständige Wohnformen für Menschen mit Behinderungen geschaffen und gleichzeitig Institutionen abgebaut werden" (Nationaler Aktionsplan, Seite 68, Entwurf Dezember 2011). Unabhängig vom Schweregrad der Beeinträchtigung ist es möglich, Menschen gemeindenah, ihrem individuellen Bedarf und der Wissenschaft und Forschung entsprechend in betreuten Wohnformen zu versorgen. Dadurch können die Menschen mit Behinderungen ihre bestehenden Ressourcen und Potentiale weiter entwickeln und der Entstehung von Hospitalismus und Perspektivenlosigkeit kann weitgehend entgegengetreten werden. Diesem Zugang entspricht auch die Ausrichtung des Steiermärkischen Behindertengesetzes.

In diesem Lichte sowie resultierend aus den Ergebnissen der "Feinbegutachtungen", den zu erwartenden Investitionserfordernissen und den im LPH Schwanberg letztlich nicht herstellbaren Rahmenbedingungen, welche für die Umsetzung eines international üblichen State-of-the-Art der Versorgung notwendig wären, haben die zuständigen Mitglieder der Steiermärkischen Landesregierung die Entscheidung getroffen, die BewohnerInnen des Landespflegeheims Schwanberg in behutsamer Weise zu enthospitalisieren.

Ziel des Projektes ist es in einem Zeitraum von drei bis fünf Jahren, spätestens bis Ende 2017, den BewohnerInnen des LPH Schwanberg eine den Bedarfen, Potentialen und Wünschen entsprechende Betreuung und Versorgung zur Verfügung zu stellen und diese Personen im Rahmen eines personenzentriert abgestimmten Planes auf die Enthospitalisierung vorzubereiten, sie dabei zu begleiten und in ihr neues bzw. ursprüngliches häusliches Lebensumfeld nachhaltig zu (re-) integrieren.

Damit die Enthospitalisierung umgesetzt werden kann, hat sich die Steiermärkische Landesregierung entschlossen, eine externe Person mit der Erstellung eines Konzeptes für das Enthospitalisierungsprojekt zu beauftragen, dies unter Einbindung der fachlich befassten Abteilungen des Amtes der Steiermärkischen Landesregierung (Fachabteilungen 11A und 8A) und der KAGes Als externe Projektkonzepterstellerin konnte Frau Mag.a Barbara Weibold, MBA gewonnen werden. Sie ist seit vielen Jahren in der Planung, Umsetzung und Evaluierung der Versorgung von Personen mit psychischen Erkrankungen tätig. Frau Mag.a Weibold ist u.a. Mitautorin des niederösterreichischen Psychiatrieplanes und war maßgeblich mit der Planung und Durchführung des Enthospitalisierungsprozesses an der niederösterreichischen Landesnervenklinik Gugging befasst. Danach übernahm sie die stellvertretende Leitung eines Umsetzungsprojektes, in dem unter anderem personenzentrierte Versorgungsformen für schwer und chronisch psychisch kranke Personen in ausgewählten niederösterreichischen Modellregionen implementiert wurden.

Basierend auf dem von Frau Maga. Weibold erstellten Konzept wird dann ein Projektauftrag ausgeschrieben. Ziel ist es, die individuellen Bedarfe für die Betreuung, Versorgung und Unterstützung für die BewohnerInnen des LPH Schwanberg auf Grundlage des Steiermärkischen Behindertengesetzes festzustellen und auf dieser Basis in einem koordinierten Vorgehen aller maßgeblichen PartnerInnen die jeweils notwendigen Unterstützungsleistungen bereitzustellen und die betroffenen Personen unter Einbindung der bisherigen BetreuerInnen in diese zu begleiten. Dies erfolgt unter der Prämisse, einer ganzheitlichen und nachhaltigen (Re-) Integration und damit mit dem Ziel, den stationären LangzeitbewohnerInnen ein möglichst selbstständiges, sozial integriertes Leben in einem selbst gewählten, gemeindenahen Lebensumfeld in kleinstrukturierten Einrichtungen zu ermöglichen.

In einer Projektvorphase soll unter Leitung von Mag.a Barbara Weibold bis Ende Juni 2012 eine konkrete Projektstruktur sowie ein diesbezüglicher Zeit- und Budgetplan für die Umsetzung des Enthospitalisierungsprojektes LPH Schwanberg erarbeitet und von den zuständigen Fachabteilungen der Steiermärkischen Landesregierung zur Beschlussfasssung vorgelegt werden.

Parallel zur Erarbeitung des Enthospitalisierungskonzeptes sind Überlegungen über eine Nachnutzung des LPH Schwanberg sowie für die weiteren Perspektiven der derzeitigen MitarbeiterInnen und für die Region zu treffen. Insbesondere sind unter Federführung der KAGes und mit Einbindung der Personalvertretung Pläne zur weiteren Beschäftigung bzw. Verwendung der aktuell im LPH Schwanberg beschäftigten MitarbeiterInnen individuell abzustimmen und im Enthospitalisierungsplan zu berücksichtigen.



Beschluss der Steiermärkischen Landesregierung vom 15. März 2012.

Es wird daher der

Antrag

gestellt:

Der Landtag wolle beschließen:

Der Bericht der Steiermärkischen Landesregierung, betreffend Enthospitalisierung Landespflegeheim Schwanberg, wird zur Kenntnis genommen.