LANDTAG STEIERMARK
XVI. GESETZGEBUNGSPERIODE


EZ/OZ 788/5

Schriftlicher Bericht

Ausschuss: Soziales

Betreff:
Einzugsbegleitung im gemeinnützigen Wohnbau


zu:


  • 788/1, Einzugsbegleitung im gemeinnützigen Wohnbau (Selbstständiger Antrag)


Der Ausschuss "Soziales" hat in seinen Sitzungen vom 15.11.2011 und 06.03.2012 über den oben angeführten Gegenstand die Beratungen durchgeführt.

Zum Antrag der Abgeordneten Klimt-Weithaler und Dr. Murgg liegt seitens der Steiermärkischen Landesregierung folgende Stellungnahme vor:

"Am 4.10.2011 wurde ein Selbstständiger Antrag betreffend "Einzugsbegleitung im gemeinnützigen Wohnbau" eingebracht.

Dieser Antrag lautet wie folgt:

"Der Landtag wolle beschließen:
Die Landesregierung wird aufgefordert, einen Leitfaden zur Einzugsbegleitung für Gemeinden und Gemeinnützige Wohnbauträger auszuarbeiten und in die Richtlinien für die Wohnbauförderung aufzunehmen."

Dieser Antrag wurde wie folgt begründet:

"Wohnen ist weit mehr als nur ein menschliches Grundbedürfnis - es ist eine wichtige Voraussetzung zur Stabilisierung und Entfaltung eines Menschen und zur Entwicklung allen gesellschaftlichen Lebens. Ziel der Wohnbaupolitik muss es sein, individuellen Wohnraum zu leistbaren Preisen zu schaffen und positiven Einfluss auf den Lebensraum der Bürgerinnen und Bürger zu nehmen: Wichtige Themen sind dabei kinder-/jugend-, behinderten- und seniorengerechtes Wohnen und die Stärkung des "Miteinander Wohnens". Austausch und Kommunikation zwischen den BewohnerInnen beginnen bisher üblicherweise erst nach dem Einzug. Speziell im verdichteten Wohnbau wäre es aber günstig, schon vorher die Kommunikation untereinander und zum Wohnbauträger zu starten damit sich die Bewohnerinnen und Bewohner bereits vor Bezug einer neuen Wohnanlage kennenlernen und gemeinsame Regeln über das Zusammenleben erarbeiten. Eine so erstellte Hausordnung hat dadurch sicher eine höhere Akzeptanz, Probleme im Zusammenleben werden sich im Gespräch leichter lösen lassen.
Ein wichtiges Instrument hierzu kann die professionelle Einzugsbegleitung im gemeinnützigen integrativen Wohnbau sein. Dies kann das Wohlbefinden anheben und das Miteinander im täglichen Umgang und die Integration stärken:
 Durch eine Begleitung der BewohnerInnen beim Neubezug einer Wohnanlage können gemeinschaftliche Aspekte des Zusammenlebens gestärkt und das einvernehmliche Zusammenwohnen der BewohnerInnen (Einheimischen und MigrantInnen) gefördert werden
 Ein Kennenlernen der MitbewohnerInnen wird unterstützt
 Gemeinsam werden Regeln für das Zusammenleben aufgestellt und vereinbart
 Lockerer Austausch und Gespräche werden initiiert, um im Falle von Konflikten eine bessere Gesprächsbasisn zu haben
 Den zukünftigen BewohnerInnen wird durch die Einzugsbegleitung sowohl von der Kommune als auch vom Wohnbauträger Wertschätzung und Aufmerksamkeit entgegengebracht.
In Vorarlberg wurde dieses Modell schon vielfach erprobt und auch in die Wohnbauförderungsrichtlinien aufgenommen.
Hier heißt es:
Wohnbauförderungsrichtlinien 2009/2010, § 12 lit. e
"Die Wohnungen werden von der Standortgemeinde an förderbare Haushalte vergeben. ... Von der Gemeinde ist auf eine sensible Wohnungsvergabe mit einer sozialen Durchmischung zu achten. (...) Im Regelfall sind von der Gemeinde und vom gemeinnützigen Bauträger Maßnahmen zu treffen, welche die Haushalte beim Integrationsprozess in der neuen Wohnanlage unterstützen.
Dabei soll der Leitfaden zur Einzugsbegleitung angewendet werden."
Ein solches Modell wäre sicher auch in der Steiermark von Nöten und sinnvoll!"

Mit Schreiben der federführenden Abteilung 15 - Wohnbauförderung vom 23.11.2011 wurden die Fachabteilung 7A - Gemeinden und Wahlen sowie der Verband der gemeinnützigen Bauvereinigungen Steiermark um Stellungnahme ersucht.

Mit Schreiben der Fachabteilung 7A vom 14.12.2011 wurde wie folgt Stellung bezogen:
"Es bestehen grundsätzlich keine Bedenken gegen die Ausarbeitung und Veröffentlichung eines "Leitfadens zur Einzugsbegleitung" durch das Land Steiermark nach dem in der Begründung des Antrages genannten Vorarlberger Vorbild, wenn die Gemeinden über die Notwendigkeit und den konkreten Bedarf einer Einzugsbegleitung nach der Wohnungsvergabe selbstständig und eigenverantwortlich entscheiden dürfen. So haben auch die zuständigen Vorarlberger Landesräte, Mag. Karl-Heinz Rüdisser (Ressort u.a. Wohnbauförderung, VP) und Ing. Erich Schärzler (Ressort u.a. Inneres, Sicherheit und Integration, VP) über eine Anfrage gemäß § 54 GOdLT zu den Erfahrungen des Landes Vorarlberg mit dem "Leitfaden zur Einzugsbegleitung" am 16. Mai 2011 erklärt, dass diesbezüglich "die Rückmeldungen der Gemeinden und der Bewohner durchwegs positiv" sind.

Im Falle einer Umsetzung des Antrages wäre allerdings zu beachten, dass nur besonders qualifizierte Mitarbeiter von mit Siedlungsarbeit betrauten Institutionen, Bauträgern und Gemeinden mit derartigen sensiblen und kommunikativen Aufgaben betraut werden und der den Gemeinden damit entstandene Aufwand vom Land finanziell auszugleichen ist."

Vom Verband der gemeinnützigen Bauvereinigungen Steiermark wurde am 28.12.2011 die nachfolgende Stellungnahme übermittelt:
"Nach genauem Studium des Leitfadens zur Einzugsbegleitung und der Neubauförderungsrichtlinien des Landes Vorarlberg sowie persönlich geführter Gespräche mit Vertretern der Gemeinnützigen Wohnungswirtschaft mit örtlicher Kenntnis darf festgehalten werden, dass diese Thematik nur sehr eingeschränkt umgesetzt werden kann.

Die Einzugsbegleitung in Vorarlberg findet nur bei Wohnanlagen, in denen eine Gemeinde das Einweisungsrecht hat und welche eine Mindestgröße von 25 Wohneinheiten aufweisen, statt. Nach Auskunft der Kollegen in Vorarlberg ist das Instrument einerseits mit relativ hohen Kosten verbunden (ca. 4000,-- € pro Objekt) und hat andererseits auf Basis des Leitfadens des Landes Vorarlberg, welcher sich selbst beschreibend keine Striktheit einfordert, nur bedingten Erfolg gezeigt. Die darin angesprochene Zielsetzung von vorgelagerten Bewohnerbesprechungen wird in der Regel nach dem ersten Sitzungstermin von den Bewohnern nicht mehr weitergehend wahrgenommen und hat sich in der Praxis die Absicht, gemeinsam Hausordnungen zu entwickeln als ineffizient, weil nicht einheitlich exekutierbar, erwiesen. An solchen Integrationsmaßnahmen interessierte Menschen finden sich in der Regel nur wenige und ist ein gedeihliches Zusammenleben im wesentlichen durch eine gemeinsame Gesprächskultur nach Einzug zu erarbeiten.

Im Falle des Landes Steiermark kann festgehalten werden, dass die Mehrzahl der mit Wohnbauförderungsmitteln errichteten Wohneinheiten Gemeinnütziger Bauträger im eigenen Wirkungskreis als Miet- oder Eigentumswohnungen vergeben werden. Auf Grund der geografischen Größe und der Tatsache gemäß der politisch angestrebten örtlichen Verteilung bzw. Streuung von Fördermitteln über das ganze Bundesland werden in erster Linie kleinere Projekte mit bis zu 15 Wohneinheiten errichtet und wird der Einzug der Bewohner durch die Gemeinnützigen Bauträger in engster Zusammenarbeit mit den Gemeinden seit Jahren nachhaltig positiv durchgeführt. Ein verpflichtender Bedarf von darüber hinaus gehenden Maßnahmen wird weder seitens der Bewohner oder der Gemeinden gefordert noch ist dieser als notwendig zu bezeichnen. Tatsache ist, dass die Bewohnerstruktur sich in den letzten Jahren meist erst sehr zeitnahe zur effektiven Übergabe des Objektes herauskristallisiert hat - oft genug werden die letzten Wohnungen erst wenige Tage vor Bezug vergeben - sodass strukturierte Besprechungen erstmals nach dem Einzug der Bewohner möglich sind.

Die angestrebte Erarbeitung von "harmonischen Hausordnungen" wird strikt abgelehnt, da ein verbindliches Regelwerk für das Zusammenleben gleichsam für alle Bauvorhaben Gültigkeit haben muss. Bedenklich wäre eine wechselnde Hausordnung insbesondere bei mehreren Bauabschnitten, sodass hier weder die Frage von Emissionen, wie zum Beispiel Lärm, oder Benützung von Allgemeinflächen, wie zum Beispiel Kinderspielplätzen, unterschiedlich geregelt werden können.

Die Landesgruppe ist der Meinung, dass in der steirischen Praxis hier jedes Gemeinnützige Bauträgerunternehmen im eigenen Wirkungskreis die notwendigen und richtigen Maßnahmen setzt und eine weitergehende Reglementierung nicht nur als bürokratisch, sondern auch im hohen Maße zu missverständlichen Maßnahmen führen würde. Damit ist der gutgemeinte Antrag jedenfalls konterkariert und wird ein Erfolg ausbleiben.

Abschließend wird dringlichst ersucht, keine Regelung politisch zu oktroyieren, denn ein gedeihliches Zusammenleben stellt gleichermaßen höchstes Interesse für Bewohner, Gemeinden und Hausverwalter/GBV dar, welche durch die Praxis im Umfeld der handelnden Personen sich automatisch ergibt. Einzelpersonen, die ein solches Interesse nicht verfolgen, wird es immer geben. Diese sind aber durch Regeln ohnehin nicht einbeziehbar."

Seitens der Abteilung 15 - Wohnbauförderung wird zum gegenständlichen Landtagsantrag festgehalten:

Der in der Antragsbegründung zitierte lit.e) des § 12 ("Darlehen für integrative Miet- und Kaufanwartschaftswohnungen") der Neubauförderungsrichtlinie 2012 des Landes Vorarlberg sieht u.a. vor:

"Im Regelfall sind von der Gemeinde und vom gemeinnützigen Bauträger Maßnahmen zu treffen, welche die Haushalte beim Integrationsprozess in der neuen Wohnanlage unterstützen. Dabei soll der Leitfaden zur Einzugsbegleitung angewendet werden."

Hingewiesen wird darauf, dass die zitierte Bestimmung nur für bestimmte Geschossbauförderungen (nämlich für Geschoßbauförderungen gemäß § 12) im Rahmen der Vorarlberger Richtlinien anzuwenden ist.
Zum Leitfaden zur Einzugsbegleitung: eine strikte Regelung, wann eine Einzugsbegleitung stattzufinden hat, sieht der Leitfaden ausdrücklich nicht vor. Gemäß Leitfaden hat nach der Wohnungsvergabe die Gemeinde die Notwendigkeit einer Einzugsbegleitung zu beurteilen und initiativ zu werden. Entgegen der Darstellung des Verbandes der gemeinnützigen Bauvereinigungen Steiermark spielt dabei "eine Mindestgröße von 25 Wohneinheiten" zumindest unmittelbar keine Rolle.

Zusammengefasst ist festzuhalten, dass in gewissen Fällen eine Einzugsbegleitung durchaus sinnvoll sein kann. Dies wäre entweder von der Gemeinde oder dem jeweiligen gemeinnützigen Bauträger im Einzelfalle zu beurteilen. Eine spezifische Vorgabe im Rahmen der Wohnbauförderung in der Steiermark ist aus der Sicht der Abteilung 15 auch deswegen nicht notwendig, weil es bereits zumindest die Vorarlberger Richtlinie gibt, auf die im Bedarfsfall von Gemeinden bzw. gemeinnützigen Bauträgern zurückgegriffen werden kann.

Ergänzend wird festgehalten, dass Einzugsbegleitung nur ein Mosaikstein im Bereich des "Zusammenwohnens" sein kann. Für gewisse Konfliktsituationen (z.B. auf Grund von Sprachbarrieren) wird ein Bündel von Maßnahmen nötig sein, das den Menschen Unterstützung bietet und leistbar sein muss. In Kenntnis dieser Herausforderungen haben sich die betroffenen Ressorts der Landesregierung auf Basis einer Charta bereits im Herbst des letzten Jahres zu einem gemeinsamen Vorgehen bekannt. Über dieses übe die Einzugsbegleitung hinausgehende Maßnahmenbündel wären auch mit Vertretern der gemeinnützigen Bauträger Gespräche zu führen.

Abschließend wird zur Kenntnis gebracht, dass es gemäß dem Steiermärkischen Wohnbauförderungsgesetz 1993 nicht vorgesehen ist, Maßnahmen im Sinne dieses Landtagsantrages finanziell zu fördern. Förderungswürdig gemäß dem zitierten Gesetz sind lediglich Maßnahmen, die mit baulichen Tätigkeiten in unmittelbarem Zusammenhang stehen."

Es wird daher der

Antrag

gestellt:

Der Landtag wolle beschließen:

Der Bericht des Ausschusses für Soziales zum Antrag, Einl.Zahl 788/1, der Abgeordneten Klimt-Weithaler und Dr. Murgg, betreffend Einzugsbegleitung im gemeinnützigen Wohnbau, wird zur Kenntnis genommen.