LANDTAG STEIERMARK
XVI. GESETZGEBUNGSPERIODE


EZ/OZ: 1179/1

Selbstständiger Antrag von Abgeordneten (§ 21 GeoLT)

eingebracht am 05.04.2012, 09:38:57


Landtagsabgeordnete(r): Maximilian Lercher (SPÖ), Johannes Schwarz (SPÖ), Franz Majcen (ÖVP), Alexandra Pichler-Jessenko (ÖVP)
Fraktion(en): SPÖ, ÖVP
Zuständiger Ausschuss: Europa
Regierungsmitglied(er): Christian Buchmann

Betreff:
Neuregelung von ACTA

Unter dem Titel Anti-Counterfeiting Trade Agreement (kurz: ACTA) hat eine kleine Gruppe von Staaten einen Vertrag zur Bekämpfung von Produkt- und Markenpiraterie verhandelt. Natürlich ist bei der Bekämpfung von Produktfälschungen, auch aus Sicherheitsgründen für Verbraucherinnen und Verbraucher, eine effektive internationale Kontrolle und auch Verfolgung notwendig.

ACTA beschränkt sich jedoch nicht, wie unter anderem vom Europaparlament eingefordert, nur auf Produktpiraterie. In Wirklichkeit geht es auch um die Durchsetzung von Monopolrechten.

Das Abkommen vermischt Rechte des geistigen Eigentums mit dem Schutz von Markennamen.

Dabei ist schon der gesamte Prozess der Verhandlungen sehr kritisch zu sehen. Die Verhandlungen erfolgten seit 2008 im Geheimen unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Entwicklungs-und Schwellenländer wurden von den Verhandlungen ausgeschlossen, obwohl auch sie von ACTA betroffen sein werden. Auch die multilateralen Foren der World Trade Organisation (WTO) oder der World Intellectual Property Organisation (WIPO) wurden nicht einbezogen.

Das Österreichische Parlament so wie das Europaparlament sind bis heute nur unzureichend über die Verhandlungen informiert worden. Dies ist nicht akzeptabel.
Es ist weiter zu kritisieren, dass im ACTA-Abkommen mit vagen und rechtlich unbestimmten Begriffen gearbeitet wurde. Da die Protokolle über die Verhandlungen bisher nicht veröffentlicht wurden, ist eine Bestimmung der Begriffe und damit eine Abschätzung der Folgen des Abkommens nur schwer möglich.
Auch sollte vom Europäischen Gerichtshof geprüft werden, ob das Abkommen die EU-Grundrechtecharta oder das Datenschutzgrundrecht verletzt.

Besorgniserregend sind die möglichen Auswirkungen im Bereich medizinischer Generika. Waren diese im Vorgängerabkommen von den Regelungen zum Teil ausgenommen, wäre dies unter ACTA nicht mehr der Fall. Schon die Ähnlichkeit eines Etiketts könnte zukünftig dazu führen, dass eine in einem Entwicklungsland dringend benötigte Lieferung von Medikamenten nicht ankommt, weil eine Zollbehörde erst eine mögliche Markenverletzung prüfen muss.
Es ist zu befürchten, dass Entwicklungsländern unter ACTA der Zugang zu günstigeren Generika deutlich erschwert wird und diese - auf Kosten ihrer Bevölkerung - auf teurere Medikamente ausweichen müssen.

Die fehlende Folgenabschätzung lässt auch offen, ob ACTA Auswirkungen zum Beispiel auf die Landwirtschaft und Klein- und Hobbygärtner haben kann. Es muss sichergestellt sein, dass die Verfügbarkeit von Saatgut nicht durch Marken- oder Patentstreitigkeiten eingeschränkt werden kann.

In Anbetracht der aktuell nicht nur in der Europäischen Union breit diskutieren Fragen um die Zukunft des Urheberrechts ist zu befürchten, dass mit dem Abkommen eine einseitige Vorfestlegung auf die heutigen Regelungen des Urheberrechts erfolgt. Dafür spricht, dass im Abkommen die rechtliche Stärkung von Rechtsdurchsetzungsmechanismen einen breiten Raum einnimmt. Problematisch ist hier die Privatisierung von hoheitlichen Aufgaben, indem
die Möglichkeit geschaffen werden soll, dass Internet-Service-Provider für Handlungen ihrer NutzerInnen haftbar gemacht und unter Verzicht auf einen Richtervorbehalt zur Weitergabe von Daten ihrer NutzerInnen an Rechteinhaber verpflichtet werden können.

Dies bedeutet, dass Provider Urheberrechtsverletzungen ihrer KundInnen zu überwachen haben und bei Verstößen und Nichtmeldung auch zur Veranwortung gezogen werden können.  Sollte also ein/e Kunde/in dreimal Verstöße gegen das Urheberrecht begehen wird ihm/ihr das Internet entzogen. Das erschreckende jedoch ist die Definition und Sichtweise bezüglich Verstößen und Urheberrechtsverletzungen.
 
Urheberrechtsverletzung nach ACTA. Damit ist gemeint, dass das Hochladen und Verbreiten (Teilen) eines Liedes auf Youtube, das Versenden einer Email mit einer MP3 oder das Kopieren von Musiktextzeilen oder eines geschützten Zeitungsartikels nicht mehr möglichwäre.
Sogar einzelne Sätze oder Teile eines Satzes sind nach ACTA urheberrechtlich geschützt. So kann das Teilen eines Youtube-Clips auf z.B. Plattformen wie Facebook mit einem unterlegten Musikstück, für das man keine Lizenzgebühren bezahlt hat, bald kriminalisiert wird. ACTA ist somit kein Abkommen, welches der Wahrung berechtigter "kleiner" Urheberrechte dient, sondern es kriminalisiert die UserInnen und User.

Viele Werke und Leistungen von KünstlerInnen, JournalistInnen, SchriftstellerInnen, MusikerInnen, MalerInnen oder WissenschafterInnen bauen auf Vorleistungen auf, die frei zugänglich sind. Daher würde nur die Verwerterindustrie profitieren. Und das Internet aber auch viele Bereiche der Wirtschaft wären nicht mehr so wie sie einmal waren.

Der  Landtag Steiermark setzt sich bei derartigen Gesetzes- oder Planungsvorhaben für
Transparenz und offene Diskussionen mit den Bürgerinnen und Bürgern ein. Dieser Anspruch ist mit dem ACTA-Abkommen in keiner Weise erfüllt.

Es wird daher der

Antrag

gestellt:

Der Landtag wolle beschließen:

Die Landesregierung wird aufgefordert an die Bundesregierung mit der Forderung heranzutreten:

  • Die Bundesregierung wird sich auf nationaler und europäischer Ebene dafür einzusetzen, dass das ACTA Abkommen in seiner jetzigen Form nicht ratifiziert wird.
  • Der Text eines neu zu verhandelnden Abkommens sollte in transparenten Verfahren mit allen betroffenen Beteiligten öffentlich breit diskutiert und rechtlich bewertet werden.
  • Dabei gilt es, neue Wege zu finden, mit deren Hilfe das berechtigte Anliegen eines Urheberrechtsschutzes auch im Internet unter gleichzeitiger Wahrung von Grund- und Freiheitsrechten der Nutzerinnen und Nutzer sichergestellt werden kann.
  • Durch ACTA dürfen Internetprovider nicht dazu verpflichtet werden, weitreichende Überwachungen der Nutzerinnen und Nutzer ihrer Dienste vorzunehmen.
  • Ein klares Eintreten für Netzneutralität was bedeutet, dass Internetdienstanbieter alle Datenpakete von und an ihre KundInnen unverändert und gleich gut übertragen, unabhängig davon, woher diese stammen, zu welchem Ziel sie transportiert werden sollen, was der Inhalt der Pakete ist oder welche Anwendung die Pakete generiert hat.
  • Eintreten für ein freies und demokratisches Internet und eine Gesellschaftsordnung, die den Zugang zu Informationen und anderen Ressourcen nicht behindert



Unterschrift(en):
Maximilian Lercher (SPÖ), Johannes Schwarz (SPÖ), Franz Majcen (ÖVP), Alexandra Pichler-Jessenko (ÖVP)