LANDTAG STEIERMARK
XVI. GESETZGEBUNGSPERIODE


EZ/OZ: 1874/1

Selbstständiger Antrag von Abgeordneten (§ 21 GeoLT)

eingebracht am 18.04.2013, 10:33:55


Landtagsabgeordnete(r): Sabine Jungwirth (Grüne), Ingrid Lechner-Sonnek (Grüne), Lambert Schönleitner (Grüne)
Fraktion(en): Grüne
Zuständiger Ausschuss: Soziales
Regierungsmitglied(er): Siegfried Schrittwieser

Betreff:
Betreuung von Unbegleiteten Minderjährigen Flüchtlingen in der Steiermark

Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge (UMF) sind besonders schutzbedürftig und haben einen erhöhten Betreuungsbedarf. Seit ca. 15 Jahren befassen sich Organisationen in der Steiermark mit der Situation der UMF. Ursprünglich wurden sie ohne jede altersgerechte Betreuung in den Erwachsenenquartieren der Bundesbetreuung untergebracht. Ende der 90er Jahre wurden in den Bundesländern nach und nach für UMF spezialisierte Projekte und betreute Wohnheime eingerichtet, wobei die Trägerschaft und die Betreuungsqualität sehr unterschiedlich waren bzw. immer noch sind. In Graz wurde öterreichweit eine der ersten Einrichtungen für UMF geschaffen (im Franziskushaus der Caritas in Zusammenarbeit mit OMEGA und ZEBRA), die eine höhere Betreuungsintensität und -qualität mit Sprachkursen und psychotherapeutischen Angeboten umfasste. Die rechtliche Vertretung wurde im Unterschied zu anderen Bundesländern jedoch trotz der grundsätzlichen Zuständigkeit nicht der Jugendwohlfahrt bzw. dem Jugendamt Graz übertragen sondern der Caritas.

Wie eine Studie der KIJA Steiermark "Vergleich der Unterbringungs- und Betreuungssituation von Unbegleiteten Minderjährigen Flüchtlingen (UMF) in der Steiermark und in anderen Bundesländern" aus dem Jahr 2009 ergab, haben sich die  "Unterbringungs- und Wohnformen für UMF … im Laufe der Jahre ausdifferenziert und reichen von Wohnheimen mit rd. 40 Plätzen bis zu betreuten Wohngemeinschaften. Alle Einrichtungen wurden bis vor kurzem von privaten Trägern (Caritas, Diakonie, Volkshilfe, SOS-Kinderdorf, Integrationshaus), die über lange Erfahrungen im Bereich der Flüchtlingsarbeit verfügen, geführt. In Kärnten und in der Steiermark wurden Anfang 2009 erstmals je ein Quartier für unbegleitete Minderjährige an Privatpersonen vergeben, die im Rahmen der Grundversorgung (erhöhter Tagsatz für UMF) Jugendliche in einem Gasthof unterbringen. Diese Praxis bricht mit dem bisherigen Standard, dass nur fachlich kompetente TrägerInnen mit der Unterbringung und Betreuung von Minderjährigen betraut werden."

Der Oberste Gerichtshof hat am 19.10.2005 (Geschäftszahl 7Ob209/05v) festgestellt, dass unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen ein Obsorgeberechtigter zur Seite zu stellen ist. Der OGH führt dabei aus, dass die Grundversorgung keinesfalls die Obsorge ersetzen kann. Darüber hinaus stellt der OGH in seiner Entscheidung klar, dass die im ABGB festgehaltenen Bestimmungen zu den mit der Obsorge verbundenen Rechten und Pflichten nicht zwischen österreichischen Staatsbürgern und Fremden unterscheiden, d.h. eine Obsorgeübernahme für einen unbegleiteten, minderjährigen Asylwerber gleich zu handhaben ist wie die für einen "österreichischen Jugendlichen".

In den meisten Bundesländern wird das Erkenntnis des OGH umgesetzt und von der Jugendwohlfahrt die Obsorge für unbegleitete, minderjährige AsylwerberInnen übernommen. Das Jugendamt Graz übernahm lange nur in Einzelfällen (z.B. sehr junge Jugendliche, Krankenhausaufenthalte, psychische Probleme) die Obsorge für UMF. Jedoch auch in Fällen, in denen das Magistrat (aufgrund mehrmaliger Psychiatrieaufenthalte und Suizidgefährdung) die Obsorge für einzelne Jugendliche übernommen hat, blieb dies mehr oder weniger nur ein Formalakt. Die Obsorgeübernahme führte zu keiner aktiven Rolle des Jugendamtes Graz in der Betreuung und Unterbringung der Jugendlichen. Im Vergleich dazu übernahm die Jugendwohlfahrt der Bezirkshauptmannschaft Graz Umgebung regelmäßig die Obsorge für jene unbegleiteten, minderjährigen AsylwerberInnen, die in ihrem Wirkungsbereich (Quartier in Gratwein) untergebracht waren.

Während also z.B. in Niederösterreich oder Oberösterreich nur NGOs aus dem Flüchtlingsbereich oder Träger der Jugendwohlfahrt mit der Unterbringung und Betreuung von UMF betraut werden, werden in der Steiermark auch Privatpersonen beauftragt. Und in diesen beiden Nachbarbundesländern wird die rechtliche Vertretung der Jugendlichen von der Jugendwohlfahrt wahrgenommen, während das einschlägige OGH-Erkenntnis in der Steiermark nur mangelhaft umgesetzt wird. Zwar übernimmt das Jugendamt der Stadt Graz nun regelmäßig die Obsorge, es bleibt aber in der Regel nur ein Formalakt ohne adäquate Betreuung.

Die KIJA Steiermark regte bereits 2009 an, dass sich das Land Steiermark an den Standards der Unterbringung und Versorgung von UMF an Bundesländern orientiert und sicherstellt, dass
• mit der Unterbringung und Betreuung von UMF nur fachlich qualifizierte Träger der Jugendwohlfahrt oder der Flüchtlingsbetreuung betraut werden,
• für UMF mit besonderem Betreuungsbedarf geeignete Unterbringungsmöglichkeiten sichergestellt und Maßnahmen der Jugendwohlfahrt (Erziehungshilfe, Psychotherapie) zur Verfügung gestellt werden,
• die Jugendwohlfahrt eine aktive Rolle in der Sicherstellung einer adäquaten Unterbringung und Betreuung von UMF einnimmt, und
• die Jugendwohlfahrt regelmäßig die Obsorge für UMF übernimmt.

Was sich derzeit als ein großes Problem darstellt, ist die Entlassung von Jugendlichen aus UMF-Quartieren aufgrund von - oft sehr geringen - Regelverstößen (z.B. zu spät nach Hause kommen). Betroffene Minderjährige werden dann einfach in Erwachsenenquartiere verwiesen oder sind auch unversorgt. Eine Entlassung aus Quartieren sollte im Interesse der Schutzbedürftigkeit von minderjährigen Personen daher nur in schwerwiegenden Fällen erfolgen, und auch dann muss die weitere Unterbringung sowie JWF-Betreuung sichergestellt sein.

Es wird daher der

Antrag

gestellt:

Der Landtag wolle beschließen:

Die Landesregierung wird aufgefordert,
1. mit der Unterbringung und Betreuung von UMF nur fachlich qualifizierte Träger der Jugendwohlfahrt oder der Flüchtlingsbetreuung und keine Privatpersonen zu betrauen,
2. sicherzustellen, dass in Quartieren ausschließlich MitarbeiterInnen beschäftigt werden, die die in der Jugendwohlfahrt erforderlichen Ausbildungsstandards erfüllen,
3. zu gewährleisten, dass die Größe der Quartiere für UMF auf maximal 30 Personen begrenzt wird,
4. dafür Sorge zu tragen, dass UMF unter 14 Jahren keinesfalls in Quartieren sondern bei Pflegefamilien untergebracht werden, sowie auch bei UMF über 14 Jahren alternative Unterbringungs- und Betreuungsformen zu forcieren,
5. für UMF mit besonderem Betreuungsbedarf geeignete Unterbringungsmöglichkeiten sicherzustellen und Maßnahmen der Jugendwohlfahrt (Erziehungshilfe, Psychotherapie) zur Verfügung zu stellen,
6. zu veranlassen, dass eine Entlassung von UMF aus Quartieren nur in schwerwiegenden Fällen und unter Einbeziehung der Jugendwohlfahrt erfolgen darf, und sicherzustellen, dass auch in diesen Fällen die weitere Unterbringung in altersgerechten Quartieren sowie die Betreuung im Rahmen der Jugendwohlfahrt aufrecht bleibt, und
7. Qualitätsstandards festzulegen, sodass die Jugendwohlfahrt nicht nur regelmäßig und formal sondern auch aktiv die Obsorge für UMF übernimmt.


Unterschrift(en):
Sabine Jungwirth (Grüne), Ingrid Lechner-Sonnek (Grüne), Lambert Schönleitner (Grüne)