- 1701/1, Gemeindestrukturreform Steiermark - Bericht über Prozessablauf und Vorlage der neuen Gemeindestruktur der Steiermark (Regierungsvorlage)
Der Ausschuss "Gemeinden" hat in seiner Sitzung vom 05.02.2013 über den oben angeführten Gegenstand die Beratungen durchgeführt.
Begründung: I. Gemeindestrukturreform Steiermark - Ausgangslage, Leitbild und Kriterien
Seit der letzten umfassenden Gemeindestrukturreform in den Jahren 1968 und 1969, wo die damalige Zahl der Gemeinden von 806 um insgesamt 245 auf 561 Gemeinden reduziert wurde, blieb die Gemeindestruktur in der Steiermark nahezu unverändert.
Die Steiermark hatte im Jahr 2010 am Beginn der Legislaturperiode 542 Gemeinden und damit im Vergleich zu allen anderen Bundesländern die kleinteiligste Gemeindestruktur. In 77 Gemeinden leben weniger als 500 Menschen und 200 Gemeinden haben mittlerweile weniger als 1.000 EinwohnerInnen. Laut Prognose der Österreichischen Raumordnungskonferenz ist in insgesamt 302 steirischen Gemeinden in den kommenden Jahren mit Bevölkerungsrückgängen zu rechnen. Viele Gemeinden können aus eigener Kraft nicht mehr die ihnen von der Bundesverfassung zugedachten Aufgaben und Funktionen wahrnehmen. Die zunehmenden Aufgaben im eigenen und übertragenen Wirkungsbereich der Gemeinden, die Erwartungshaltung sowie die geänderte Mobilität der Bevölkerung und nicht zuletzt die hohen Anforderungen an den Vollzug der Rechtsnormen erfordern es, in Verantwortung für die gesamte Steiermark Maßnahmen zu treffen.
Aus diesem Grund hat die Steiermärkische Landesregierung am 16.12. 2010, GZ.: A16-42.920-11/2010-2, die Einsetzung einer Gemeindereformgruppe beschlossen und die Ausarbeitung eines Strategieplanes für die Umsetzung einer Gemeindestrukturreform beauftragt.
In der Regierungssitzung am 02.02.2012, GZ.: A16-43.230-2/2012-163 wurde das Leitbild zur Gemeindestrukturreform "Stärkere Gemeinden - größere Chancen" beschlossen und vom Landtag Steiermark am 14.02.2012 mit Beschluss Nr. 345 zur Kenntnis genommen.
Dieses Leitbild umfasst die Motive, Ziele und Kriterien der Gemeindestrukturreform. Oberstes Ziel der Gemeindestrukturreform ist die Stärkung der zukünftigen Leistungsfähigkeit der Gemeinden zur Erfüllung der ihnen zugedachten Aufgaben und Funktionen zum Wohle der Bevölkerung. Die Gemeinden müssen dauerhaft in der Lage sein, ihre Aufgaben sachgerecht, effizient und in entsprechender Qualität zu erfüllen.
Folgende maßgebliche Ziele wurden im Leitbild festgehalten:
- Die Strukturreform soll wirtschaftliche, leistungsfähige und professionelle Gemeinden ermöglichen, die in der Lage sind, ihre gesetzlichen Aufgaben ohne Haushaltsabgang zu erfüllen und über eine ausreichende freie Finanzspitze für Investitionen verfügen. Die vorhandene kommunale Infrastruktur soll effizient genutzt werden. Die Grundversorgung der Bevölkerung mit privaten und öffentlichen Dienstleistungen ist im jeweiligen Gemeindegebiet abzudecken.
- Die Strukturreform soll den Gemeinden entsprechende raumordnungs- und verkehrspolitische Maßnahmen ermöglichen, die eine bessere Nutzung der vorhandenen Fläche für den Siedlungsraum und für die wirtschaftliche Entwicklung gewährleisten. Real bestehende Siedlungsverflechtungen sollen sich in den administrativen Strukturen der Gemeinden widerspiegeln.
- Die Strukturreform soll das Engagement für das Gemeinwohl und die Ausübung ehrenamtlicher Tätigkeiten durch geeignete Maßnahmen erhalten und stärken.
Mit der Gemeindestrukturreform soll somit vor allem die zukünftige Leistungsfähigkeit der steirischen Gemeinden zum Nutzen der GemeindebürgerInnen erhalten und gestärkt werden, da stärkere Gemeinden auch größere Chancen bieten. Zu diesem Zweck orientiert sich die Gemeindestrukturreform vor allem am Konzept der "Lebensrealitäten-Zentrale Orte" wobei insbesondere die Funktionsfähigkeit bestehender Zentren gestärkt werden soll. Hierbei bilden die bereits existierenden Aktionsräume der Menschen die Basis. Von Bedeutung sind weiters die Haushaltsentwicklung, die demografische Entwicklung, raumordnungspolitische und infrastrukturelle Gesichtspunkte, die geografische Lage sowie bestehende Kooperationen.
Im Leitbild zur Gemeindestrukturreform wurden deshalb folgende Kriterien zur Schaffung leistungsfähiger, wirtschaftlicher und professioneller regionaler Gemeindezentren festgelegt:
- Lebensrealitäten - "Zentrale-Orte-Konzept"
Der Qualität der Versorgung mit zentralen Einrichtungen kam in den letzten Jahren große Bedeutung zu. Zentrale Orte sind Orte mit einem sogenannten Bedeutungsüberschuss, d.h. sie versorgen andere Gemeinden und somit die Bevölkerung außerhalb ihrer derzeitigen Verwaltungsgrenzen mit Dienstleistungen und Gütern mit. Zentrale Orte entwickelten sich vor allem durch den Markt und die Standortentscheidungen von Unternehmen bzw. die Inanspruchnahme von Gütern und Dienstleistungen durch die Bevölkerung.
Um eine mögliche neue Gemeindestruktur in der Steiermark ableiten zu können, bedarf es vor allem der Betrachtung der Grundversorgung der Bevölkerung mit zum Teil täglich in Anspruch genommenen Gütern und Dienstleistungen bzw. Einrichtungen, die breiter und in höherer Dichte über die Steiermark verteilt und für die Bevölkerung in ihrem Alltag von großer Relevanz sind. Zur Darstellung tatsächlicher "Lebensrealitäten" der Bevölkerung wurde eine Auswahl von Einrichtungen getroffen: Kindergärten, Volksschulen vierklassig oder Volkschulen mit weniger als vier Klassen, Nahversorger im Vollsortiment, Gasthaus, Arzt/Ärztin, Pfarramt - Hauptpfarre, Banken, Apotheken, Rettungsstellen sowie Postämter/Postpartner.
Die Auswahl der Einrichtungen ist ein repräsentativer Querschnitt jener Einrichtungen, welche häufig von der Bevölkerung in Anspruch genommen werden. Sie stellen die notwendige Grundversorgung der Bevölkerung dar und begründen die täglichen Aktionsräume der Menschen. Jede Gemeinde sollte über ein Mindestmaß dieser öffentlichen und privaten Dienstleistungen verfügen, die von verschiedenen Bevölkerungsgruppen in Anspruch genommen werden. Das Fehlen mehrerer derartiger Einrichtungen in einer Gemeinde ist ein Indiz, dass diese Leistungen bereits jetzt von der Bevölkerung in einer anderen Gemeinde in Anspruch genommen werden und sich folglich der Lebensraum der Bevölkerung bereits über die Verwaltungsgrenzen der Gemeinden hinaus erweitert hat.
Es haben sich Gemeinden herausgebildet, die durch ihr umfassendes Angebot bereits eine Versorgungsfunktion für umliegende Gemeinden wahrnehmen. Diese Gemeinden werden als Regionale Gemeindezentren definiert. Dem Ziel, die Grundversorgung der Bevölkerung mit privaten und öffentlichen Dienstleistungen im jeweiligen Gemeindegebiet abzudecken, soll durch die Vereinigung von Gemeinden mit funktionalen regionalen Gemeindezentren oder, falls dies aus gewichtigen topografischen Gründen nicht möglich ist, durch die Vereinigung von Gemeinden, mit dem Ziel der Herausbildung eines regionalen Gemeindezentrums, entsprochen werden. Gleichzeitig wird dadurch dem Ziel, die administrativen Gemeindegrenzen an die funktionalen Verflechtungs- und Nutzungsräume anzugleichen und damit die Entwicklungsmöglichkeiten dieses Raumes (Raumplanung, Wirtschaftsförderung, etc.) zu verbessern, entsprochen.
Ein wesentliches Kriterium für eine wirtschaftliche Gemeinde ist ein ausgeglichener Haushalt und eine freie Finanzspitze für Investitionen.
2010 konnten 225 Gemeinden ihren ordentlichen Haushalt nicht aus eigener Kraft ausgleichen, der Gesamtabgang im ordentlichen Haushalt betrug € 45 Mio. Im Jahr 2011 galt dies für 152 Gemeinden bei einer Abgangssumme von € 29 Mio.
Ergänzend ist festzuhalten, dass für Haushaltsabgänge und Härteausgleiche aus Bedarfszuweisungsmitteln im Jahr 2010 rund € 37,2 Mio . und im Jahr 2011 beinahe € 55 Mio aufgewendet wurden. Diese Summen waren zur Stärkung der ordentlichen Haushalte nötig und konnten daher nicht für Investitionen eingesetzt werden.
Die Summe der freien Finanzspitze der steirischen Gemeinden war 2010 negativ, d.h., sie konnten ihren Verpflichtungen aus der laufenden Gebarung im Querschnitt des Rechnungsabschlusses, also den Saldo der laufenden Einnahmen und Ausgaben, sowie ihren Verpflichtungen aus der Schuldentilgung nicht nachkommen und diese nur auf Basis einer Nettoneuverschuldung finanzieren. Hauptsächlich die positive Entwicklung der Ertragsanteile der steirischen Gemeinden führte im Jahr 2011 zu einer positiven Summe der freien Finanzspitze der steirischen Gemeinden. Dennoch konnten 186 steirische Gemeinden keine positive freie Finanzspitze erzielen.
Die Strukturreform soll es den Gemeinden ermöglichen, ihre Aufgaben ohne Haushaltsabgang zu erfüllen und einen gewissen Spielraum für Investitionen zu haben.
In diesem Zusammenhang ist auf den Österreichischen Stabilitätspakt 2012 (ÖStP 2012) zu verweisen, der über ein System mehrfacher Fiskalregeln eine nachhaltige Budget- und Finanzpolitik bei Bund, Länder und Gemeinden einfordert, wobei die Gemeinden schon bisher nach dem ÖStP 2011 landesweise einen ausgeglichenen strukturellen Haushalt (Maastrichtsaldo) auszuweisen haben.
- Demografische Entwicklung
EinwohnerInnenzahl und prognostizierte Bevölkerungsentwicklung sind entscheidende Kriterien für die Funktionsfähigkeit eines Gemeinwesens. Weiters bedürfen Infrastruktureinrichtungen einer kritischen Anzahl an (möglichen) NutzerInnen, um diese mit ausreichender Auslastung und der Möglichkeit eines sinnvollen Managements auszustatten. Bei der Bevölkerungszahl und deren Altersklassen sind die zu erwartenden - in vielen Regionen der Steiermark dramatischen - demografischen Entwicklungen zu berücksichtigen. Die EinwohnerInnenzahl spielt auch hinsichtlich des Erreichens einer höheren Gewichtung durch den abgestuften Bevölkerungsschlüssel und den damit verbundenen höheren Gemeindeeinnahmen aus dem Finanzausgleich eine wichtige Rolle.
- Raumordnungspolitische und infrastrukturelle Gesichtspunkte
Zusammenhängende bzw. zusammengewachsene Siedlungsstrukturen sind ein Indikator, dass Standortentscheidungen der Bevölkerung und der Wirtschaft bereits grenzüberschreitend getroffen werden. Sie zeigen auch Bereiche, in denen Infrastruktur sowie Versorgungs- und Dienstleistungsangebote von Seiten der Bevölkerung bereits übergreifend genutzt werden. Zudem stellen gemeinsame/zusammenhängende lineare Infrastrukturen wie etwa Gemeindestraßen, Kanalnetze, aber auch bereits gemeinschaftlich genutzte hochbauliche Infrastruktur einen wichtigen Ansatzpunkt für eine neue Gemeindestruktur dar. In diesem Kontext sind Stadt-Umland-Beziehungen und die damit verbundenen Auswirkungen (Infrastrukturvorhaltung durch die Stadt, etc.) bis hin zu Stadt-Umland-Konflikten von besonderer Bedeutung.
Ergänzende Kriterien wie die geografische Lage der Gemeinden (Topografie) sowie bestehende Kooperationen wurden ebenfalls berücksichtigt.
II. Prozessablauf
Der Prozessablauf für die neue Gemeindestrukturreform gliedert sich in folgende Phasen:
- Vorschlagsphase: September 2011 - 31. Jänner 2012
Ziel der Vorschlagsphase war es, den steirischen Gemeinden und regionalen AkteurInnen die Möglichkeit zu geben, sich aktiv am Prozess zu beteiligen und ihre eigenen Vorschläge für eine neue Gemeindestruktur einzubringen. Freiwillige Gemeindevereinigungen sollen nach Möglichkeit in der neuen Gemeindestruktur Berücksichtigung finden. In vielen Gesprächen und Diskussionsrunden zwischen den Gemeinden, aber auch mit VertreterInnen des Landes, wurden die Rahmenbedingungen, Chancen und Risiken einer Strukturreform erörtert.
In 3 Konferenzen sowie mit mehreren Briefen wurden die BürgermeisterInnen von Landeshauptmann Mag. Franz Voves und Landeshauptmann-Stellvertreter Hermann Schützenhöfer über den Stand des Reformprozesses informiert. Darüber hinaus wurden im Rahmen der Vorschlagsphase folgende Informationsmaßnahmen gesetzt:
- Informationsveranstaltungen im Rahmen der BürgermeisterInnenkonferenzen in allen steirischen Bezirken
- Weiterführende Gespräche mit GemeindevertreterInnen sowie Verantwortlichen der Regional- und Landespolitik
- Erstellung einer Homepage mit Informationen zum Projekt, um eine kontinuierliche Information der Gemeinden, der Bevölkerung und der breiten Öffentlichkeit über die Fortschritte im Projekt sicherzustellen: www.gemeindestrukturreform.steiermark.at
- Gespräche mit den Bezirkshauptleuten, den BaubezirksleiterInnen sowie den RegionalmanagerInnen der Steiermark.
Mit dem angeführten Beschluss des Leitbildes zur Gemeindestrukturreform durch die Landesregierung und den Landtag wurde die Vorschlagsphase abgeschlossen. Im Rahmen der Vorschlagsphase wurden von 365 Gemeinden schriftliche Stellungnahmen und Vorschläge an die Steiermärkische Landesregierung übermittelt. Diese Stellungnahmen sowie die im Leitbild definierten Kriterien bildeten die Grundlage für die Einladungskonstellationen zu den Verhandlungen.
- Verhandlungsphase: 1. Februar 2012 bis 30. September 2012
In der Verhandlungsphase wurden die Vorstellungen des Landes und die Vorschläge der Gemeinden eingehend diskutiert. Dazu wurden Gespräche mit den betroffenen Gemeinden und VertreterInnen der zuständigen GemeindereferentInen sowie ExpertInnen des Landes Steiermark im organisatorischen Rahmen der Bezirkshauptmannschaften durchgeführt.
Im Zeitraum Februar bis Juli 2012 fanden 134 Verhandlungsgespräche mit insgesamt 455 steirischen Gemeinden im organisatorischen Rahmen der Bezirkshauptmannschaft statt. Die Verhandlungsergebnisse wurden in einem Protokoll niedergeschrieben und von allen VerhandlungsteilnehmerInnen vor Ort unterzeichnet. Im Protokoll wurde festgehalten, dass dieses vom Gemeinderat behandelt und binnen einer vereinbarten Frist eine schriftliche Stellungnahme über das Ergebnis der Beratung der Gemeinde an das Land übermittelt wird. Den GemeindevertreterInnen wurde das Handbuch zur Gemeindestrukturreform übergeben, in welchem die möglichen nächsten Schritte der Analyse dargelegt sind.
Der Ablauf einer Gemeindevereinigung gliedert sich gemäß dem Handbuch in 4 Phasen:
- Vorabklärungen
- Analysephase
- Vorbereitung der Vereinigung
- Umsetzung der Vereinigung
Von besonderer Bedeutung waren in diesem Prozessabschnitt die Phasen der Vorabklärungen und die Analysephase gemäß Handbuch zur Gemeindestrukturreform. In dieser Analysephase wurden von den Gemeinden Untersuchungen und Bewertungen zu Gemeindekonstellationen vorgenommen. Es wurden die relevanten Tätigkeitsbereiche der Gemeinden analysiert und die Auswirkungen einer Gemeindevereinigung aufgezeigt (Finanzanalyse, Organisationsanalyse, Infrastrukturanalyse, Klärung weiterer Fragestellungen). Von Juli bis September 2012 fanden zahlreiche weitere Gespräche zwischen VertreterInnen des Landes und den Gemeinden statt. Den Gemeinden wurde auf Wunsch beim Eintritt in die Analysephase von der Abteilung 7 Landes- und Gemeindeentwicklung ein/e KoordinatorIn genannt, welche/r die Gemeinden unter Einbindung weiterer Dienststellen des Landes begleitete und unterstützte. Der/die KoordinatorIn agierte als Schnittstelle zwischen dem Land Steiermark und den Gemeinden\; auf diese Weise stand den Gemeinden ein/e AnsprechpartnerIn zur Verfügung, um offene Fragen auf kurzem Wege und unbürokratisch unter Einbindung weiterer Landesdienststellen zu klären. Neun KoordinatorInnen des Landes begleiteten 354 Gemeinden in 101 Konstellationen.
Über ihren Wunsch konnten Gemeinden auch auf externe Unterstützung im Bereich der Moderation und Prozessbegleitung zurückzugreifen. 71 Gemeinden nutzten diese Möglichkeit.
- Entscheidungsphase: 1. Oktober 2012 bis Jänner 2013
In dieser Phase wurden von der Abteilung 7 die Ergebnisse und Stellungnahmen aus der Vorschlags- und Verhandlungsphase ausgewertet und weitere Gespräche auf allen Ebenen mit GemeindevertreterInnen geführt.
Von 207 Gemeinden wurden bislang entsprechende Grundsatzbeschlüsse zur freiwilligen Gemeindevereinigung gefasst und an die Steiermärkische Landesregierung übermittelt. Diesen freiwillig eingebrachten Vorschlägen für Gemeindevereinigungen wurde besondere Bedeutung beigemessen.
Basierend auf den Kriterien, den vielen Gesprächen sowie den Grundsatzbeschlüssen wurde die Vorlage der neuen Gemeindestruktur erstellt (siehe Punkt III).
Mit der am 13.11.2012 vom Landtag Steiermark beschlossenen Novelle der Gemeindeordnung wurden die rechtlichen Voraussetzungen einer Umsetzung der Gemeindestrukturreform nach den Intentionen des Leitbildes des Landes geschaffen.
Diese Novelle ermöglicht u.a. die Beibehaltung von verliehenen Gemeindewappen als Ortsteilwappen und die Bestellung eines Ortsteilbürgermeisters. Weiters wurden Bestimmungen in die Gemeindeordnung aufgenommen, die unmittelbar nach Wirksamwerden der Gebietsänderung einen geordneten Rechtsübergang zulassen und für die notwendige Kontinuität und Rechtssicherheit sorgen.
- Umsetzungsphase (Februar 2013 bis 1. Jänner 2015)
Betreuung der Gemeinden bei der Vorbereitung der Vereinigung
Die Gemeinden sollen bei den Vorbereitungsarbeiten zur Umsetzung der neuen Struktur weiterhin bestmöglich durch Landesdienststellen und weitere ExpertInnen unterstützt werden.
Geplante Maßnahmen:
- Begleitung von Gemeinden bei fachlichen Fragen durch ExpertInnen des Landes
- Beteiligung an Fachveranstaltungen: Basis dafür ist die praxisorientierte Anwendung des Handbuches zur Gemeindestrukturreform
- Unterstützung von Workshops zum fachlichen Austausch zwischen AmtsleiterInnen und weiteren Fachkräften der Gemeinden
- Unterstützung und Begleitung von BürgerInnenbeteiligungsveranstaltungen, Erarbeitung von Leitbildern für die "neuen" Gemeinden (bei Bedarf mit Unterstützung der Landentwicklung Steiermark oder externen Dienstleistern)
- Punktuelle Begleitungen von Gemeinden durch externe ExpertInnen zu ausgewählten Fragestellungen, die nicht durch landesinterne ExpertInnen bearbeitet werden können (z.B. Organisationsentwicklung, steuerrechtliche Fragen, etc.)
- Nutzung der Homepage www.gemeindestrukturreform.steiermark.at als Informationsplattform
Die vorliegende neue Gemeindestruktur der Steiermark wird den betroffenen steirischen Gemeinden zur Stellungnahme übermittelt. Des Weiteren wird diese den Dienststellen des Landes, der Bundesregierung sowie den Sozialpartnern zur Kenntnisnahme und allfälligen Äußerung übermittelt.
Rechtliche Umsetzung
Bis 30.06.2013 sollen die Gemeinderatsbeschlüsse für eine freiwillige Vereinigung an die Steiermärkische Landesregierung übermittelt werden. Anschließend erfolgt die Genehmigung der freiwilligen Vereinigung durch die Landesregierung:
- Einzelbeschlüsse der Landesregierung über jede freiwillige Vereinigung
- Festlegung des Gemeindenamens
- Kundmachung
Die Reformfondsmittel können ab dem Zeitpunkt der Kundmachung abgerufen werden.
Für die Zeit nach der Vereinigung der Gemeinden zu einer neuen Gemeinde bis zur Angelobung des/der neu gewählten BürgermeisterIn durch den Bezirkshauptmann / die Bezirkshauptfrau hat die Steiermärkische Landesregierung einen Regierungskommissär zu bestellen, der die laufenden und unaufschiebbaren Geschäfte wahrzunehmen hat.
Sollte die vorliegende Gemeindestruktur nicht durch übereinstimmende freiwillige Gemeinderatsbeschlüsse zur Gänze umgesetzt werden können, so werden ergänzend dazu im 1. Halbjahr 2014 erforderliche landesgesetzliche Grundlagen geschaffen.
Neben der bereits vollzogenen Novellierung der Gemeindeordnung sind Anpassungen weiterer Materiengesetze und verschiedener Verordnungen erforderlich. Zum Beispiel ist bei Änderungen der Grenzen des politischen Bezirkes aufgrund der notwendigen Änderung des Gerichtssprengels eine Verordnung der Bundesregierung mit Zustimmung der Landesregierung notwendig.
III. Vorlage der neuen Gemeindestruktur der Steiermark
Auf Basis der Ziele und Kriterien des Leitbildes zur Gemeindestrukturreform, der Vielzahl an Gesprächen sowie unter Berücksichtigung der von den Gemeinden gefassten Grundsatzbeschlüsse und Stellungnahmen wurde die vorliegende Gemeindestruktur erarbeitet. Den freiwillig eingebrachten Vorschlägen der Gemeinden wurde dabei besondere Bedeutung beigemessen.
Nach Analyse, Würdigung und Abwägung der übermittelten Informationen ergeben sich aus Sicht des Landes folgende Vorteile:
- Abgestimmte raumordnungs- und verkehrspolitische Maßnahmen
Die derzeitigen kommunalen Verwaltungsgrenzen stimmen insbesondere aufgrund der erhöhten Mobilität nicht mehr mit den realen Lebens- und Wirtschaftsstrukturen der BürgerInnen und Betriebe überein. Die Strukturreform soll den Gemeinden entsprechende raumordnungs- und verkehrspolitische Maßnahmen ermöglichen, die eine bessere Nutzung der vorhandenen Fläche für den Siedlungsraum und für die wirtschaftliche Entwicklung zum Vorteil der Bürgerinnen und Bürger gewährleisten. Wichtige auf die Zukunft ausgerichtete Vorhaben, wie z.B. die Ausweisung von Bauland oder von gewerblich genutzten Flächen, müssen in größeren (regionalen) Kontexten gelöst werden. Bisher nur schwer zu koordinierende Entwicklungspolitiken, wie die Siedlungsentwicklung, die Verkehrsplanung, die überörtliche Infrastruktur-, Wirtschafts- und Standortpolitik werden deutlich einfacher.
- Verbesserte Koordination der Infrastrukturausstattung - Sicherung der Auslastung
Die 539 steirischen Gemeinden sind infrastrukturell sehr gut ausgestattet und verfügen gemeinsam über mehrere tausend hochbauliche Einrichtungen für die verschiedenen kommunalen Aufgaben. In den letzten Jahren wurden hohe Summen öffentlicher Mittel in kommunale Bauten investiert. Diese Einrichtungen stellen einen großen Wertbestand dar, andererseits stehen dadurch aber auch beträchtliche Reinvestitionskosten an und damit verbunden große finanzielle Herausforderungen.
- Stärkung der finanziellen Leistungskraft - Heben von Einsparungspotenzialen
Bei der Analyse von Gemeindevereinigungen zeigt sich erhebliches Einsparungspotenzial, ohne dass dies Auswirkungen auf die Angebote an die BürgerInnen nach sich ziehen würde. Dabei wurden u.a. Einsparungspotenziale in den Kategorien Gemeindeämter, Personal, Gemeindevertretungsorgane, Fuhrpark und Bauhof sowie Materialeinkauf aufgezeigt. Viele dieser Einsparungsmöglichkeiten werden erst nach und nach im Zuge der Realisierung von Gemeindevereinigungen wirksam werden. Personaleinsparungen werden sich z.B. erst im Zuge von Pensionierungen und natürlichen Fluktuationen ergeben. Einsparungen bei der Ausstattung und der Infrastruktur sind dagegen vielfach auch kurzfristig möglich (z.B. können Maschinen und Immobilien gemeinsam effizienter genutzt werden). Jede der realisierten Einsparungen leistet einen Beitrag zur Entschärfung der gegenwärtigen Haushaltssituation in den Gemeinden, wobei es den Gemeinden dabei frei steht zu entscheiden, ob sie die Effizienzgewinne zur Qualitätssteigerung oder zur Haushaltskonsolidierung einsetzen wollen.
- Rechtssicherheit und Professionalität der Verwaltung
Insbesonders kleine Gemeinden stoßen in speziellen Materien (Abgaben, Raumplanung, Baurecht, ÖStP 2012, etc.) zunehmend an Grenzen und müssen ob der Komplexität der Rechtsmaterien auf externe Sachverständige zurückgreifen. In kleinen Gemeinden gibt es in der Verwaltung oft nur eine/n Gemeindebedienstete/n, der/die im Urlaubs- oder Krankheitsfall keine Vertretung hat. Die Strukturreform soll eine professionelle Verwaltung mit der Möglichkeit der Spezialisierung von Bediensteten in den einzelnen Verwaltungsgebieten sowie eine vernünftige Vertretungsregelung der AmtsleiterInnen ermöglichen. Mit einer höheren EinwohnerInnenzahl nehmen die Fallzahlen zu, so dass auch die Routine bei der Behandlung von Rechtsfällen steigt oder auch juristisch geschultes Personal eingestellt werden kann. In größeren Einheiten erhöht sich somit der Professionalisierungsgrad der Verwaltung. Soweit durch Professionalisierung auch die Rechtsrichtigkeit von Verwaltungsmaßnahmen erhöht wird, ist das nicht nur ein Gewinn für die GemeindebürgerInnen, sondern kann auch zu einer Entlastung der Aufsichtsbehörden des Landes führen.
- Geringerer Koordinationsaufwand zwischen den Verwaltungsebenen
Die hohe Anzahl von Gemeinden führt auch zu einem hohen Koordinations- und Verwaltungsaufwand zwischen den Ebenen Gemeinde, Bezirk und Landesverwaltung (z.B. Flächenwidmungspläne, Örtliche Entwicklungskonzepte, Aufsichtsverfahren, Prüfungen der Rechnungsabschlüsse, etc.). Der Koordinationsaufwand Gemeinde - Bezirkshauptmannschaften - Landesstellen verringert sich und die damit verbundenen Synergieeffekte leisten auch bei Landesverwaltung/Bezirkshauptmannschaften einen Beitrag zur Verwaltungsreform.
Neben den oben erwähnten Vorteilen bietet die Schaffung größerer Einheiten für die BürgerInnen zusätzlich die Chance zu höherer Qualität der Leistungen, indem Einsparungsrenditen für eine Verbesserung des Angebotes der Gemeinden genutzt werden können. Teilweise wird dies allein schon deshalb möglich, weil durch die Vereinigung Leistungen anderer Gemeinden nun für alle zugänglich werden, bzw. nach und nach größere und hochwertigere Ersatzinvestitionen möglich werden. Manche Leistungen werden für die BürgerInnen erst im Verbund möglich: typische Beispiele sind etwa die Nachmittagsbetreuung oder die Minimierung von Schließtagen in Kindergärten.
Beschreibung der neuen Gemeindestruktur
Ab 2015 wird die Anzahl der Gemeinden der Steiermark 285 betragen. Diese neue Struktur bedingt auch eine wesentliche Veränderung der Gruppierung der Gemeinden nach Größenklassen. Gab es bisher noch 77 Gemeinden mit weniger als 500 EinwohnerInnen, so sind es in der neuen Struktur nur noch 2 Gemeinden. Anstelle von 200 Gemeinden unter 1.000 EinwohnerInnen gibt es in Zukunft nur mehr 16 Gemeinden unter 1.000 EinwohnerInnen. Lagen 2010 noch 32% aller österreichischen Gemeinden unter 1.000 EinwohnerInnen in der Steiermark, so verringert sich dieser Prozentsatz mit der neuen Gemeindestruktur auf 3,6%. Hingegen steigt die Zahl der Gemeinden mit über 10.000 EinwohnerInnen von 5 auf 15.
Die durchschnittliche EinwohnerInnenzahl einer österreichischen Gemeinde (ohne die Bundeshauptstadt Wien) betrug im Jahr 2010 2.840 EinwohnerInnen, jene einer steirischen Gemeinde (ohne die Landeshauptstadt Graz) betrug 1.754. Durch die vorliegende Gemeindestruktur erhöht sich die durchschnittliche EinwohnerInnenzahl einer steirischen Gemeinde auf 3.342.
Beiliegende Vorlage "Die neue Gemeindestruktur der Steiermark" stellt einen integrierten Bestandteil des Regierungssitzungsantrages dar.
Beschluss der Steiermärkischen Landesregierung vom 24. Jänner 2013.
Der Bericht der Steiermärkischen Landesregierung, betreffend Prozessablauf und Vorlage der neuen Gemeindestruktur der Steiermark, wird zur Kenntnis genommen.