LANDTAG STEIERMARK
XVI. GESETZGEBUNGSPERIODE


EZ/OZ: 1784/1

Dringliche Anfrage (§ 68 GeoLT)

eingebracht am 18.03.2013, 13:06:56


Landtagsabgeordnete(r): Ingrid Lechner-Sonnek (Grüne), Lambert Schönleitner (Grüne), Sabine Jungwirth (Grüne)
Fraktion(en): Grüne
Zuständiger Ausschuss: -
Regierungsmitglied(er): Kristina Edlinger-Ploder (ÖVP)

Betreff:
Drei zentrale Fragen zur geplanten Privatisierung des LKH Graz West

Das von der Landesregierung geplante Projekt der Übergabe des LKH Graz West an die Barmherzigen Brüder Eggenberg war schon mehrmals Thema im Landtag Steiermark. Seit der ersten Bekanntgabe der Absicht ist nun ein Jahr vergangen. In dieser Zeit hat sich die Fülle der offenen Fragen massiv erhöht, Antworten sind fast zur Gänze ausgeblieben. Dies hat nicht nur mit der Kommunikationspolitik von Landesrätin Edlinger-Ploder zu tun, die ganz offensichtlich weder die betroffenen Beschäftigten der landeseigenen Krankenanstalt von sich aus informiert oder eingebunden hätte, oder von sich aus die Koordination mit den anderen von dieser Änderung betroffenen Häusern, wie etwa dem Uniklinikum, angestrebt hätte.

Nach dem von LH-Stv. Schützenhöfer geforderten Spitalsgipfel, an dem erstmals auch  Kritiker des Projektes an der Debatte teilnehmen konnten, wurden Arbeitsgruppen eingerichtet, in denen Vertreter der BHB und des Uniklinikums die einzelnen Fragen der Versorgung der Bevölkerung besprechen und Lösungen erarbeiten sollten. Über diese Gespräche wurden vom organisierenden Gesundheitsfonds jedoch keine Protokolle angefertigt. Von beiden Seiten bestätigte Ergebnisse liegen also nicht vor. Trotzdem wurde Landesrätin Edlinger-Ploder eine Zusammenfassung der Ergebnisse vorgelegt, die vom Gesundheitsfonds erstellt wurde. Diese Zusammenfassung ist jedoch auch nicht an die TeilnehmerInnen der Gespräche ergangen und daher vom Inhalt her unbekannt. Dem Vernehmen nach haben die Gespräche jedoch kaum Erfolge erzielen können. Nur ein kleiner Bruchteil der Fragen, die erörtert wurden, konnten zur beiderseitigen Zufriedenheit geklärt werden. Wie die Versorgung der Bevölkerung in Abstimmung aller involvierter Spitäler nach einer Übergabe des LKH Graz West an die BHB aussehen könnte, blieb also weitgehend unbeantwortet bzw. ungelöst.

Auch die arbeitsrechtliche Situation ist für den Fall der Übergabe von der Landesrätiin nicht beantwortet worden. Für die DienstnehmerInnen gilt das Arbeitsvertragsrechtsanpassungsgesetz (AVRAG) bzw. die Betriebsübergangsrichtlinie der EU, die sicherstellt, dass Arbeitsverhältnisse mit allen Rechten und Pflichten vom neuen Arbeitgeber übernommen werden müssen und ein ununterbrochenes Arbeitsverhältnis vorliegt. Insbesondere darf das Entgelt in Zusammenhang mit einem Betriebsübergang nicht gekürzt werden. Wegen eines Betriebsüberganges dürfen keine Kündigungen ausgesprochen werden. Auch das Einvernehmen mit den DienstnehmerInnen für eine Verschlechterung ihrer Lage bei einem Betriebsübergang wäre nicht gegeben: Die Beschäftigten haben zu weit über 90% mit beglaubigter Unterschrift ihre Zustimmung für einen Wechsel ausgeschlossen.

Auch die geplante Auftragsvergabe an die BHB wirft erhebliche rechtliche Probleme auf. Der Blick über die Grenzen zeigt, dass in Deutschland viele Spitäler privatisiert worden sind. Immer jedoch nach einer öffentlichen Ausschreibung. Es ist schließlich sicherzustellen, dass der beste Anbieter die Leistung erbringen wird. Die in der Steiermark angestrebte Lösung, sich zuerst den zukünftigen Erbringer  auszusuchen und dann erst die Leistung auszuhandeln setzt das Land in eine schlechte Position gegenüber dem Auftragnehmer. So ist vielleicht auch zu erklären, dass seit einem Jahr verhandelt wird, bisher jedoch keine Einigung über den Versorgungsauftrag der BHB im Falle einer Übernahme erzielt wurde.

Zudem ist diese Vorgangsweise äußerst ungewöhnlich, da so getan wird, als ob es kein Vergaberecht gäbe. Die Frage, ob ein Auftrag dieser Größenordnung direkt vergeben werden darf oder aber europaweit ausgeschrieben werden müßte, knüpft sich an die Frage des Risikotransfers: Übernimmt der Auftragnehmer das Risiko, also die Haftung und die Qualitätskontrolle, dann ist diese Leistung ziemlich sicher öffentlich auszuschreiben. Dann aber hätten alle Bewerber im EU-Raum, die potenziell zahlreich sind und sich mittlerweile zu neuen Monopolisten entwickeln, die Chance, mitzubieten und wir würden am Ende mit einem Betreiber "dasitzen", der gewinnorientiert arbeitet und seine Zentrale in einem anderen EU-Land sitzen hat. Das will wohl niemand! Wenn die Vergabe an die BHB jedoch direkt erfolgen sollte und mögliche Bewerber sich geschädigt fühlen, könnte eine entsprechende Klage die oben beschriebene Wirkung erzielen. Es wäre also ein Weg, auf dem man nicht mehr umkehren kann.

1. Warum ist Ihrer Ansicht nach bei der geplanten Privatisierung des LKH Graz West das Vergaberecht nicht anzuwenden? Mit welcher Begründung gehen Sie davon aus, dass Sie das LKH Graz West ohne vorhergehende Ausschreibung freihändig an die BHB übergeben könnten?
2. Ist Ihnen bewußt, dass im Zuge eines Betriebsüberganges an die BHB die Arbeitsverhältnisse vom neuen Arbeitgeber mit allen Rechten und Pflichten übernommen werden müssen und ununterbrochene Arbeitsverhältnisse vorliegen? Verfügen Sie über einschlägige Gutachten bzw. Studien zum Themenkomplex des Betriebsüberganges? Wenn ja mit welchen Ergebnissen?
3. Existieren Ergebnisse, wie die Versorgung der Bevölkerung in Abstimmung aller involvierter Spitäler nach einer Übergabe des LKH Graz West an die BHB aussehen könnte? Gibt es insbesondere ein Einvernehmen zwischen dem Universitätsklinikum, den BHB und dem Land? Wenn ja, wo und wie sind diese Ergebnisse festgehalten?


Unterschrift(en):
Ingrid Lechner-Sonnek (Grüne), Lambert Schönleitner (Grüne), Sabine Jungwirth (Grüne)