LANDTAG STEIERMARK
XVI. GESETZGEBUNGSPERIODE


EZ/OZ: 2866/1

Dringliche Anfrage (§ 68 GeoLT)

eingebracht am 25.06.2014, 13:00:00


Landtagsabgeordnete(r): Sabine Jungwirth (Grüne), Ingrid Lechner-Sonnek (Grüne), Lambert Schönleitner (Grüne)
Fraktion(en): Grüne
Zuständiger Ausschuss: -
Regierungsmitglied(er): Siegfried Schrittwieser

Betreff:
Unterbringung und Betreuung von UMF in der Steiermark

In der Steiermark wurden und werden unbegleitete minderjährige Flüchtlinge (UMF) vor allem in  Großquartieren gewinnorientierter Betreiber untergebracht.

Nach Jahren des Wegschauens in Bezug auf die Unterbringungsbedingungen wurde im Februar 2014 von LHStv. Schrittwieser eine Rahmenrichtlinie erlassen, die einheitliche Mindeststandards für die Betreuung und Unterbringung von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen festlegt.
 
Die wesentlichsten Problemfelder im Bereich der Unterbringung und Betreuung von UMF bleiben jedoch nach wie vor erhalten:
 
- Die zwei größten Quartiere für UMF werden immer noch von privaten BetreiberInnen geführt, die keinerlei fachliche Qualifikation haben.

- Die Maximalzahl für die Belegung der UMF-Quartiere wurde in der Richtlinie 2014 mit 40 Jugendlichen festgelegt, was vergleichsweise aber immer noch relativ große Quartiere in der UMF-Unterbringung sind.

In der Kinder- und Jugendhilfe wurde beispielsweise bereits in den 70er Jahren von Großquartieren abgerückt. Es braucht eine kleinstrukturierte Betreuung der Jugendlichen im Sinne der Kinder- und Jugendhilfe, deren Standard bei Gruppen von acht bis zwölf liegt.  Aus sozialpädagogischer Sicht ist es nicht vertretbar, bis zu 40 Jugendliche in einem Quartier unterzubringen. Laut StBetrG können außerdem auch Wohngruppen eingerichtet werden. Leider wird diese  Möglichkeit von der Landesregierung nicht genutzt.

Die Steiermark ist somit noch immer das einzige Bundesland in dem private, gewinnorientierte Betreiber ohne jegliche fachliche Qualifikation UMF-Quartiere führen. Trotz freier Kapazitäten in Quartieren gemeinnütziger Organisationen waren die Quartiere privater Betreiber oftmals völlig überfüllt.

Die Eröffnung von zwei Quartieren für Jugendliche in zwei direkt aneinander angrenzenden Gebäuden ist aus sozialpädagogischer Sicht nicht vertretbar und auch nicht mit der Anzahl von UMF in der Steiermark  zu begründen.

Die Quartierbetreiber sind für sämtliche Abläufe innerhalb der Einrichtung sowie das Personalmanagement verantwortlich. Gerade für diese Bereiche ist fachliches Know-How und Führungskompetenz einer sozialpädagogischen Einrichtung von besonderer Bedeutung. Im Gegensatz zu privat geführten Quartieren gibt es in jenen der NGOs und gemeinnützigen Organisationen einen höheren Betreuungsschlüssel. Außerdem können NGOs für ihre Arbeit auf breite Netzwerke zurückgreifen, die die Qualität der Unterbringung und Versorgung steigern. Zusätzlich investieren NGOs und gemeinnützige Organisationen mehr in die Fortbildung ihrer MitarbeiterInnen, was gerade im Bereich der Betreuung von UMF wesentlich für die Qualität der pädagogischen Arbeit ist.

Im Jahr 2005 entschied der Oberste Gerichtshof, dass die Grundversorgung für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge keinesfalls die Obsorge ersetzen kann. Das bedeutet, dass die Kinder- und Jugendhilfe aktiv ihre Verantwortung wahrnehmen und die Jugendlichen im Sinne einer Ersatz-Elternschaft betreuen muss. In der Steiermark ist die Jugendwohlfahrt im Gegensatz zu anderen Bundesländern nicht für die Eröffnung und Schließung von Quartieren für UMF zuständig, sondern  das Referat Flüchtlingswesen, das aber keinerlei Kompetenzen im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe hat.

Trotz oftmalig erfolgter Hinweise hat die Landesregierung lange untätig zugeschaut, wie Jugendliche ohne adäquate Betreuung in Großquartieren leben. Gerade junge AsylwerberInnen, die ohne Eltern nach Europa kommen, brauchen eine intensive Betreuung. Viele von Ihnen sind traumatisiert und brauchen besondere Unterstützung, um sich in der neuen Lebenssituation zu Recht zu finden. Das nicht Wahrnehmen der Obsorge und die schlechten Unterbringungsbedingungen in den Privatquartieren haben immer wieder Konsequenzen: Manche UMF verlassen die Quartiere und leben auf der Straße. In der Folge und der Notsituation geschuldet, in der sie sich befinden, kommen sie zum Teil in Kontakt mit der um den Grazer Volksgarten angesiedelten Drogenszene.

An Stelle einer menschenrechtskonformen Unterstützung und Förderung ihrer Fähigkeiten und Talente werden junge Menschen daran gehindert, ihre Zukunft aktiv und gestaltend zu entwickeln.

Selbst der Grazer Bürgermeister hat mittlerweile erkannt, dass die Situation im Grazer Volksgarten mit den Großquartieren zusammenhängt und nicht mit Polizeieinsätzen und Bestrafungsmethoden gelöst werden kann. Zudem fordert er zurecht, dass AsylwerberInnen der Zugang zum Arbeitsmarkt ermöglicht werden muss, um den Betroffenen Perspektiven für eine menschenwürdige Zukunft zu geben.

1. Warum werden in der Steiermark - im Gegensatz zu allen anderen Bundesländern - private, gewinnorientierte Betreiber mit der Unterbringung und Betreuung von UMF betraut?
2. Wieso wurden und werden trotz freier Kapazitäten in den UMF-Quartieren der Caritas und der Diakonie die Quartiere privater Betreiber stärker belegt? Sehen Sie einen Vorteil bei der Unterbringung von Jugendlichen in diesen Quartieren?
3. Große Häuser entsprechen  in der Kinder- und Jugendhilfe schon lange nicht mehr pädagogischen Standards. Warum gelten diese Standards nicht für minderjährige Flüchtlinge ohne Eltern?
4. Welchen pädagogischen Mehrwert sehen Sie darin, Jugendliche mit besonderen Schwierigkeiten im Falle der Versetzung in Großquartiere für Erwachsene ohne besonderes sozialpädagogisches Personal in die Peripherie zu verlegen?
5. Haben Sie vor, an der derzeitigen Situation etwas zu ändern? Wenn ja was?


Unterschrift(en):
Sabine Jungwirth (Grüne), Ingrid Lechner-Sonnek (Grüne), Lambert Schönleitner (Grüne)