LANDTAG STEIERMARK
XVI. GESETZGEBUNGSPERIODE


EZ/OZ 2286/2

Schriftlicher Bericht

Ausschuss: Umwelt

Betreff:
Ökologische Revitalisierung von Kleinwasserkraftwerken und Möglichkeiten multifunktionaler Nutzungen


zu:


  • 2286/1, Ökologische Revitalisierung von Kleinwasserkraftwerken und Möglichkeiten multifunktionaler Nutzungen (Selbstständiger Antrag)


Der Ausschuss "Umwelt" hat in seinen Sitzungen vom 05.11.2013 und 25.02.2014 über den oben angeführten Gegenstand die Beratungen durchgeführt.

Mit Beschluss des Ausschusses für Umwelt und Verkehr vom 05.11.2013 wurde die Steiermärkische Landesregierung ersucht eine Stellungnahme zum Antrag, Einl.Zahl 2286/1, abzugeben.

Aufgrund dieses Beschlusses erstattet die Steiermärkische Landesregierung folgende Stellungnahme:

Zum selbstständigen Antrag gemäß § 21 GeoLT der Landtagsabgeordneten Ing. Sabine Jungwirth, Lambert Schönleitner und Ingrid Lechner-Sonnek wird wie folgt Stellung genommen:

Die Landesregierung wird aufgefordert, eine Studie zu erstellen, um
1. das aktuelle Potenzial der ökologischen Revitalisierung von Kleinwasserkraft zu erheben, und
2. neue Konzepte insbesondere hinsichtlich einer multifunktionalen energetischen Nutzung von vorhandenen Trinkwasserversorgungsanlagen und Quellfassungen sowie von Speicherseen von Beschneiungsteichen zu entwickeln.

Zu Punkt 1.:
Die Revitalisierung bestehender Kleinwasserkraftwerke und somit die Optimierung des Wasserkraftpotentials ist ein generelles Anliegen der Wasserwirtschaft und ist auch im Nationalen Gewässerbewirtschaftungsplan (NGP 2009) in Pkt. 6.10.3. "Schutz ökologischer Gewässerstrecken unter zusätzliche Nutzung der Wasserkraft für Stromerzeugung" als eine weitere Kategorie vorgesehen, um die Ziele gemäß WRG § 30a und die verbindlichen Ziele für die Anteile von Energie aus erneuerbaren Quellen (RL 2009/28/EG) zu erreichen.

NGP 2009 (BMLFUW-UW.4.1.2/0011-I/4/2010):
Pkt. 6.10.3: Seite 200:
"Eine dritte Kategorie von Planungen kann mit Fokus auf Kleinwasserkraftanlagen erarbeitet werden. Jedenfalls soll die Höhe des Potentials, das durch Effizienz-steigerung (z.B. Austausch veralteter Kraftwerkskomponenten wie Turbinen) oder durch Revitalisierung bestehender Anlagen erreicht werden kann, in den Planungen berücksichtigt werden."

Seitens der Fachabteilung Energie und Wohnbau wurde dazu folgende Stellungnahme abgegeben:

Die Energiegewinnung aus Wasserkraft stellt in der Steiermark gemeinsam mit der energetischen Nutzung von Biomasse, den größten Anteil an erneuerbarer Energie. Rund 44 Prozent der in der Steiermark bereit gestellten erneuerbaren Energie zur Stromerzeugung stammen aus großen Wasserkraftwerken mit Engpassleistungen ab 10 MW, rund 12 Prozent aus rund 600 bewerteten Kleinwasserkraftwerken. Das Potenzial dieser Kleinwasserkraftanlagen ist nach einer Schätzung des Österreichischen Vereins Kleinwasserkraft zu 40 bis 45% ausgeschöpft.

Die Steiermark verfügt neben mittleren und großen Lauf- und Speicherkraftwerken über viele kleine, teilweise jedoch veraltete Anlagen (die Hälfte der bestehenden Kleinwasserkraftwerke ist älter als 40 Jahre). Einer Revitalisierung und Renovierung bereits existierender Kleinkraftwerke kommt deshalb eine besondere Bedeutung zu, weil dadurch die Stromproduktion dieser Anlagen erhöht wird und negative ökologische Auswirkungen vermieden werden bzw. die bestehende Situation - wie z.B. durch erhöhte Restwassermengen und Fischaufstiegshilfen - sogar verbessert werden kann.

In der Energiestrategie 2025 des Landes Steiermark ist die Ausarbeitung eines "Aktionsplan Wasserkraft" vorgesehen, mit Schwerpunktlegung auf einer Revitalisierung bestehender (Klein-) Wasserkraftwerke und gegebenenfalls - unter Beachtung von ökologischen Gegebenheiten und Erfordernissen - der Neuerrichtung einzelner größerer Anlagen. Aufbauend auf diesen Aktionsplan wurde von der Energie Steiermark und dem Land Steiermark eine Potenzialstudie finanziert bzw. erstellt, in der einzelne Wasserkörper unter Berücksichtigung ökologischer und anderer Einflussfaktoren auf ihre mögliche Eignung zur energetischen Nutzung untersucht wurden. Diese Studie beschränkte sich nicht explizit auf Kleinwasserkraftwerke.

In den letzten Jahren sind zahlreiche Kleinwasserkraftanlagen in der Steiermark (definitionsgemäß bis 10 MW Leistung) mit einer insgesamt installierten Leistung von
etwa 117 MW bereits revitalisiert worden, womit das technische Potenzial der Revitalisierungen im Bereich der Kleinwasserkraftanlagen nach einer Schätzung des österreichischen Vereins für Kleinwasserkraft etwa zur Hälfte ausgeschöpft ist. Ohne vorab eine präzise Schätzung der noch durch weitere Revitalisierungen lukrierbaren zusätzlichen Leistung abgeben zu können, kann doch festgehalten werden, dass die zu erwartende zusätzlich geleistete Arbeit - einen durchschnittlichen Mehrertrag von 15 Prozent vorausgesetzt (auch unter Berücksichtigung höherer Restwassermengen) - etwa 100 GWh bzw. 0,36 PJ kaum übersteigen kann. Dies berücksichtigt auch die bereits gewonnenen Erfahrungen aus mehreren Beratungsaktionen:

In zwei in den Jahren 2000 und 2004 gemeinsam von der Wirtschaftskammer Steiermark, dem LandesEnergieVerein und dem Land Steiermark durchgeführten Beratungsaktionen konnten über 100 BetreiberInnen von Kleinwasserkraftwerken über Möglichkeiten der Revitalisierung informiert werden. Im Rahmen der Beratungsaktion aus 2004 (33 durchgeführte und abgeschlossene Beratungen)
wurden 24 Revitalisierungen und 9 Neubauten realisiert, dank derer 33 GWh mehr Strom produziert werden und die Emission von 8.900 t CO2 reduziert werden konnten. Durch die Aktion ergab sich somit eine Steigerung von 3,6 % der Produktion.

Im Klimaschutzplan Steiermark wurde als eine der umzusetzenden Maßnahmen (M20.5.1) eine "Beratungsaktion und politische Willenserklärung entsprechend des in Arbeit befindlichen Aktionsplans" festgeschrieben: "Potenzielle Investoren vor allem im Bereich der Kleinwasserkraft müssen verstärkt beraten werden. Durch eine starke Intensivierung der Beratungsleistungen kann eine Steigerung von bis zu 94 GWh/a erreicht und ein Investitionsvolumen in der Höhe von 62 Mio. € ausgelöst werden (siehe auch Energiestrategie 2025\; Maßnahme 2.2: Road Map Wasserkraft)".

Deshalb wurde eine entsprechende Beratungsaktion für die Jahre 2013/2014 ins Leben gerufen.

Die Revitalisierung eines (Klein)Wasserkraftwerks ist aus der Sicht der Energieversorgung mit Erneuerbaren wünschenswert, hat aber auch viele Rahmenbedingungen zu berücksichtigen, die sich aus dem Natur- und Landschaftsschutz, ökologischen Vorgaben und nicht zuletzt den wirtschaftlichen Möglichkeiten (Investition, Erhaltung, Ökostromeinspeisung etc.) ergeben.

Im Rahmen dieser Beratungsaktion wird deshalb professionelle Hilfestellung angeboten, um eine entsprechende Entscheidung treffen zu können. Die Aktion wird vom Land Steiermark, Abt. 15, finanziert und vom Verein Kleinwasserkraftwerk Österreich (KÖ Wasserkraft Service GmbH) organisiert und abgewickelt. Die vorliegenden Zwischenergebnisse zum Ende des Jahres 2013 sind durchaus positiv zu sehen:

Im Jahr 2013 wurden insgesamt 47 Beratungsanträge bei der KÖ Wasserkraft Service GmbH eingereicht. 46 davon wurden vom Land Steiermark bewilligt, 4 vom Antragsteller nachträglich storniert. Für 27 Beratungen liegt der Endbericht vor, dabei handelt es sich um 19 technische Revitalisierungen und 6 mit besonderem ökologischen Schwerpunkt, insgesamt mit einer Leistung von 2.115 kW. Die Gesamtproduktion der bestehenden Kraftwerke beträgt dabei 11,5 GWh/a. 12 Kraftwerke haben eine Engpassleistung kleiner 100 kW (8 davon unter 50 kW). Die Beratungsaktion wird im Jahr 2014 fortgesetzt.

Für eine im gegenständlichen Antrag geforderte eigene Studie über die Revitalisierungsmöglichkeit von Kleinwasserkraftwerken müsste vor Beauftragung die Kosten/Nutzen-Relation in Bezug auf die zu erwartenden zusätzlichen Erkenntnisse geprüft werden.

In Entsprechung des Antrages wird kurzfristig abteilungsübergreifend die Notwendigkeit der Erstellung einer Studie über die Bewertung von Potentialen, die bei in der Steiermark bestehenden Anlagen durch Revitalisierungsmaßnahmen zusätzlich lukriert werden könnten, abgeklärt. Über die bisherigen Bewertungen hinausgehend könnte in einer solchen Studie die Frage der Umsetzbarkeit allfälliger Maßnahmen im Hinblick auf Zielzustandserreichung für betroffene Gewässerabschnitte geprüft werden.

Zu Punkt 2.:
Seitens der Fachabteilung Energie und Wohnbau wurde dazu folgende Stellungnahme abgegeben:

Das Potenzial der energetischen Nutzung von vorhandenen Trinkwasserversorgungsanlagen wurde bereits vor einigen Jahren in einem EU-Projekt (gemeinsam mit Frankreich, Portugal und der Schweiz) untersucht, wobei festgestellt werden konnte, dass es bereits zahlreiche Trinkwasseranlagen gibt, die auch energetisch genutzt werden. Angeführt sei hier die Trinkwasserversorgung von Graz, die über mehrere Trinkwasserkraftwerke geführt wird. Während der letzten Jahre sind in der Steiermark einzelne Fälle von Trinkwasser-Energiegewinnungsanlagen realisiert worden. Diese sind allerdings nicht mit normalen Wasserkraftanlagen vergleichbar, da die Trinkwasserversorgung selbst in keiner Weise negativ beeinflusst werden darf (Verschmutzung, Hygiene) und diese Vorgabe mit der üblicherweise in Wasserkraftanlagen genutzten Technologie nicht erreichbar ist. Speziell müssen zum Beispiel Dichtungen ausgeführt werden, um eine Verschmutzung des Trinkwassers (Schmiermittel, Öle in der Turbine) zuverlässig auszuschließen. Die Energieversorgung aus Trinkwasseranlagen ist deshalb a priori teurer als eine nach dem Stand der Technik errichteten, "normalen" Wasserkraftanlage. Zudem haben Trinkwasserkraftanlagen in der Regel kleine Leistungen, was die spezifischen Kosten weiter erhöht.
Eine Studie zur Erhebung aller potenziell energetisch nutzbaren Trinkwasserversorgungsanlagen wäre mit hohen Kosten verbunden und gäbe nur wenig Anlass für die Errichtung neuer Kraftwerke. Es erscheint jedoch zielführend, die Information über die Möglichkeit der energetischen Nutzung von Trinkwasserversorgungsanlagen zu verbessern und diese Maßnahme auch zu einem Bestandteil der oben angeführten laufenden Beratungsaktion zu machen. Dies wird im Jahr 2014 erfolgen.
Derzeit wird der Wasserversorgungsplan Steiermark aus dem Jahre 2002 aktualisiert. Die Aktualisierung erfolgt in Zusammenarbeit mit den Wasserversorgern in der Steiermark und wird dem Antrag folgend die weitere Nutzung von Trinkwasserversorgungsanlagen für Energiegewinnung thematisiert werden.

Zur Nutzung von Beschneiungsteichen (Speicherseen ist als Begriff eher nicht gebräuchlich) zur Stromerzeugung gibt es derzeit in der Steiermark noch keine fachlichen Expertisen und Aussagen zu sinnvoll realisierbaren Potentialen und wird vorerst von einem Konzept abgesehen. Seitens der Fachabteilung für Energie und Wohnbau wird auch hier als zielführend erachtet, bei Bedarf eine individuelle Information bzw. Beratung durchzuführen.

Es wird daher der

Antrag

gestellt:

Der Landtag wolle beschließen:

Der Bericht des Ausschusses für Umwelt zum Antrag, Einl.Zahl 2286/1, der Abgeordneten Ing. Sabine Jungwirth, Lambert Schönleitner und Ingrid Lechner-Sonnek betreffend "Ökologische Revitalisierung von Kleinwasserkraftwerken und Möglichkeiten multifunktionaler Nutzungen" wird zur Kenntnis genommen.