EZ/OZ: 2576/1
Dringliche Anfrage (§ 68 GeoLT)
eingebracht am 26.02.2014, 15:00:02
Landtagsabgeordnete(r): Hannes Amesbauer (FPÖ), Gunter Hadwiger (FPÖ), Peter Samt (FPÖ), Georg Mayer (FPÖ)
Fraktion(en): FPÖ
Zuständiger Ausschuss: -
Regierungsmitglied(er): Franz Voves
Betreff:
Franz Voves: "Eine Gesellschaft, die Betteln als einzige Einkommensoption akzeptiert, ist in meinen Augen eine unmenschliche Gesellschaft."
Nachdem der Verfassungsgerichtshof im Jänner 2013 die am 15. Februar 2011 vom Landtag Steiermark mit dem Stimmen von SPÖ, ÖVP und FPÖ beschlossene "Novelle des Steiermärkischen Landes-Sicherheitsgesetzes" (EZ Einl.Zahl 217/1) als verfassungswidrig aufgehoben hatte, ist der Tatendrang der Landesregierung, die herrschende Bettelproblematik in steirischen Städten, insbesondere der Landeshauptstadt Graz, einer Lösung zuzuführen, in den Hintergrund gerückt. Aktuell fehlt es an klaren gesetzlichen Regelungen - für deren Umsetzung SPÖ und ÖVP mehr Reformkontrahenten denn Reformpartner sind.
Am damit einhergehenden Stillstand leiden vor allem Wirtschaftstreibende, Gastwirte sowie Geschäftstreibende im Tourismusbereich. Denn durch aggressives und passives Betteln wird der Eindruck erweckt, dass die Steiermark ein Land der sozialen Kälte sei, in dem Menschen betteln müssen, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Betteln wird hierbei von manchen Gruppierungen als Einkommensquelle positiv verklärt, dabei wird freilich übersehen, dass es sich oftmals lediglich um ein "Geschäft mit der Armut" handelt, das von slowakischen bzw. rumänischen Hintermännern geschickt eingefädelt wird. Aufgrund des guten Sozialnetzes in der Steiermark muss hierzulande niemand betteln gehen, um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten, denn die öffentliche Hand (insbesondere das Land Steiermark und die Stadt Graz) fördert mit mehreren Millionen Euro jährlich Sozialeinrichtungen, die bedürftige Menschen mit dem Lebensnotwendigsten versorgen.
Allein die Vinzenzgemeinschaft betreibt, dank finanzieller Unterstützung von Stadt und Land, zahlreiche Einrichtungen im Großraum Graz, dazu zählen:
- "Haus Rosalie", "Frauen- und Männerasyl", "Vinzitel" - hier bekommen Hilfsbedürftige zu jeder Uhrzeit rasch und kostenlos einen warmen Schlafplatz.
- "Vinzinest", "Vinzidorf", "Vinzischutz für Frauen" - bedürftige Menschen erhalten hier kostenlos Verköstigung, Schlafplätze, Waschmöglichkeiten sowie medizinische Versorgung.
- "VinziLife" - bietet Frauen kostenlos psychologische Betreuung an.
- "Vinzimed" - hier erhalten Bedürftige kostenlos eine medizinische Erst- und Basisversorgung sowie Betreuung durch ehrenamtliche Mitarbeiter.
- "Vinzibus" - jeden Abend verteilt dieser kostenlos an drei Plätzen in Graz belegte Brote und warmen Tee an Hilfsbedürftige.
- "Vinzi Help" - Einrichtung in der Frauen kostenlos rechtlich und finanziell unterstützt werden.
Zusätzlich bietet auch die Caritas mit betreuten Notschlafstellen bedürftigen Menschen unbürokratisch und kostenlos Hilfe in Notsituationen an, dazu gehören:
- "Arche 38", "Haus Elisabeth", "Ressidorf", "Schlupfhaus für Jugendliche" - in diesen Einrichtungen erhalten bedürftige Menschen kostenlos eine Basisversorgung. Diese umfasst ein Schlafmöglichkeit, Verköstigung, Sanitäreinrichtungen (Dusche, Waschmaschine) sowie die Nutzung von Telefon und Internet.
- "Marienstüberl" (Keplerstraße in Graz) - hier erhalten bedürftige Menschen von 9 bis 17 Uhr kostenlos ein Mittagessen, zubereitet von der Grazer Zentralküche.
- "Marienambulanz" - hier erhalten bedürftige Menschen ohne Versicherung kostenlos eine ärztliche Betreuung.
- "Aloisianum" - eine stationäre Einrichtung für alkoholsüchtige, obdachlose Männer und Frauen.
Angesichts der Fülle an sozialen Einrichtungen, die bedürftige Menschen kostenlos mit dem Lebensnotwendigsten versorgen, wird augenscheinlich, dass im Großraum Graz kein Mensch betteln gehen muss, um seine Grundbedürfnisse zu decken.
In seiner Grundsatzentscheidung vom 10. Jänner 2013 hielt der Verfassungsgerichtshof fest, dass lediglich Bettelverbote ohne Ausnahmen verfassungswidrig sind. Bettelverbote hingegen, die bloß bestimmte Erscheinungsformen des Bettelns unter Strafe stellen, wie beispielsweise aggressives Betteln, Betteln mit Kindern, gewerbsmäßiges Betteln, sind hingegen sehr wohl verfassungskonform. Die Konsequenzen des gescheiterten Bettelverbotes sind immanent: So stieg die Anzahl der "aggressiv" bettelnden Menschen in den letzten Wochen und Monaten deutlich an: Es wird kein Halt gemacht vor Gastgärten, Imbissständen, öffentlichen Verkehrsmitteln, Geschäftseingängen und Kreuzungen, wo Bettler während roter Ampelphasen von Auto zu Auto gehen.
Für die verantwortlichen Grazer Stadtpolitiker hat sich durch die Aufhebung des Bettelverbots "die Situation in der Grazer Innenstadt nicht verbessert, sondern zuletzt sogar verschärft". Konkret heißt es in einer vom Grazer Gemeinderat am 14. November 2013 beschlossenen Petition an das Land Steiermark:
"Die Häufung von Beschwerden in jüngster Vergangenheit bezieht sich auf das Anhalten von Passanten sowie das Klopfen bzw. Schlagen mit dem Stock auf anhaltende Fahrzeuge. Auch aus den Bezirken werden vermehrt Vorfälle gemeldet: Besonders auffällig war die Situation rund um den Allerheiligentag auf einigen Grazer Friedhöfen, wo bettelnde Menschen für Verstimmung und Unmut sorgten. Sogar bei Begräbnissen vor den Friedhöfen wurde zuletzt gebettelt, was mitunter für empörte Reaktionen bei Trauernden sorgte."
Medienberichten zufolge wurden von der Polizei allein im Oktober 2013 an die 50 Anzeigen diesbezüglich aufgenommen. Für die Mehrheit der Grazer Gemeinderatsmitglieder steht daher außer Zweifel, dass "der momentane Status des uneingeschränkten und aggressiven Bettelns für viele Grazerinnen und Grazer, aber auch Gäste in der Stadt unbefriedigend ist."
Der Gemeinderat der Landeshauptstadt Graz forderte in seiner an das Land gerichteten Petition Landeshauptmann Franz Voves auf, eine internationale Tagung (Enquete) zum Thema "menschenrechtskonforme Lösungsstrategien im Umgang mit bettelnden Menschen" zu initiieren und auf "politischer Ebene Lösungen programmorientiert auszuarbeiten." Die Bereitschaft des Landeshauptmannes, dem Mehrheitswillen des Grazer Gemeinderates in Frage des Bettelverbotes Rechnung zu tragen, bedarf daher einer Stellungnahme.
1. Wie beurteilen Sie als ressortzuständiges Regierungsmitglied die Situation hinsichtlich des Bettelwesens in der Steiermark?
2. Welche Maßnahmen haben Sie seit Bekanntgabe des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes vom 10. Jänner 2013 zur Lösung der Bettelproblematik gesetzt?
3. Was gedenken Sie gegen die vom Gemeinderat der Stadt Graz monierte merkliche Steigerung von aggressivem Betteln zu unternehmen?
4. Befürworten Sie die von der Stadt Graz in der Petition vom 14. November 2013 dargelegte Forderung zur Einführung von Bettelzonen, wonach Betteln nach bestimmten Vorgaben überwacht bzw. auch reglementiert werden kann?
5. Werden Sie die von der Stadt Graz benötigten gesetzlichen Grundlagen zur Einführung von Bettelzonen im Rahmen einer entsprechenden Regierungsvorlage dem Landtag zur Beschlussfassung vorlegen?
6. Wenn nein, warum nicht?
7. Wenn ja, bis wann darf mit einer entsprechenden Regierungsvorlage gerechnet werden?
8. Werden Sie die gesetzlichen Grundlagen für die Einführung eines zeitlich begrenzten Bettelverbotes in der Zeit von 8 bis 22 Uhr im Zuge einer entsprechenden Regierungsvorlage dem Landtag zur Beschlussfassung vorlegen?
9. Wenn nein, warum nicht?
10. Wenn ja, bis wann darf mit einer entsprechenden Regierungsvorlage gerechnet werden?
11. Werden Sie die gesetzlichen Grundlagen für das, von Ihrer Partei einst befürwortete, sektorale Bettelverbot im Zuge einer entsprechenden Regierungsvorlage dem Landtag zur Beschlussfassung vorlegen?
12. Wenn nein, warum nicht?
13. Wenn ja, bis wann darf mit einer entsprechenden Regierungsvorlage gerechnet werden?
14. Werden derzeit vom Land Steiermark Hilfsmaßnahmen vor Ort in Roma-Siedlungen finanziert?
15. Wenn ja, welche und in welchem finanziellen Ausmaß?
16. Welche Organisationen werden in welcher finanziellen Höhe dabei gefördert?
17. Zu welcher Abnahme der Zahl der Bettler hierzulande haben die in der Vergangenheit vom Steuerzahler finanzierten Hilfsmaßnahmen vor Ort geführt?
18. Werden Sie gemäß der von der Stadt Graz beschlossenen Petition als subsidiär zuständiges Regierungsmitglied für internationale Zusammenarbeit und Entwicklungszusammenarbeit, eine internationale Tagung zum Thema "menschenrechtskonforme Lösungsstrategien im Umgang mit bettelnden Menschen" ausrichten und, wie vom Gemeinderat der Stadt Graz gefordert, auf "internationaler bzw. zwischenstaatlicher politischer Ebene Lösungen programmorientiert ausarbeiten"?
19. Wenn nein, warum nicht?
20. Wenn ja, welche Schritte wurden dahingehend bereits von Ihnen unternommen?
21. Welche "programmorientierten Lösungen" können Ihrerseits dazu dem Landtag präsentiert werden?
Unterschrift(en):
Hannes Amesbauer (FPÖ), Gunter Hadwiger (FPÖ), Peter Samt (FPÖ), Georg Mayer (FPÖ)