LANDTAG STEIERMARK
XVI. GESETZGEBUNGSPERIODE


EZ/OZ 1480/7

Schriftlicher Bericht

Ausschuss: Gemeinden

Betreff:
Die Funktion des Bürgermeisters von der des Amtsleiters in der GemO trennen


zu:


  • 1480/1, Die Funktion des Bürgermeisters von der des Amtsleiters in der GemO trennen (Selbstständiger Antrag)

Der Ausschuss "Gemeinden" hat in seinen Sitzungen vom 02.10.2012, 09.04.2013, 22.05.2013, 11.06.2013, 05.11.2013, 05.03.2014, 27.05.2014 und 11.11.2014 über den oben angeführten Gegenstand die Beratungen durchgeführt.

Mit dem Betreff "Unvereinbarkeit der Funktion eines leitenden Angestellten einer Gemeinde mit dem Bürgermeisteramt derselben Gemeinde" hat das Bundeskanzleramt-Verfassungsdienst am 26. Juli 2005 zu einer Anfrage des Bundeslandes Tirol folgende Stellungnahme abgegeben, die auch die Intentionen des vorliegenden Antrages umfasst:
 
"1.      Wie sich bereits der Stellungnahme des Verfassungsdienstes des Amtes der Tiroler Landesregierung entnehmen lässt, gibt es auf bundesgesetzlicher Ebene keine Regelung, die die Unvereinbarkeit der Ausübung des Amtes des Bürgermeisters einer Gemeinde mit der Tätigkeit als Gemeindesekretär vorsieht. Zwar bestimmt § 1 Z 2 des Unvereinbarkeitsgesetzes 1983 (UnvG), BGBl. Nr. 330, dass die Beschränkungen dieses Bundesgesetzes unter anderem für Bürgermeister gelten\; eine ausdrückliche Beschränkung für Bürgermeister findet sich aber lediglich in § 4 UnvG, dem zufolge Bürgermeister während ihrer Amtstätigkeit keine leitende Stellung in einer Aktiengesellschaft sowie in bestimmten Gesellschaften mit beschränkter Haftung, Sparkassen und Versicherungsanstalten auf Gegenseitigkeit einnehmen dürfen.
 
2.       Zur Frage, ob eine Unvereinbarkeit zwischen dem Amt des Bürgermeisters und der Stellung als leitender Angestellter (Gemeindesekretär) derselben Gemeinde landesgesetzlich vorgesehen werden kann, ist Folgendes festzuhalten:
 
2.1.    Durch Art. 19 Abs. 2 B‑VG wird die Kompetenz zur Normierung von Unvereinbarkeitsbestimmungen für die obersten Organe und für sonstige öffentliche Funktionäre (auch der Länder) grundsätzlich der Bundesgesetzgebung eingeräumt\; konkret wird die Bundesgesetzgebung ermächtigt, die Betätigung der genannten Organe in der Privatwirtschaft zu beschränken. Allerdings wird die Bundesgesetzgebung durch diese Ermächtigung nicht davon entbunden, allfällige grundrechtliche Schranken - wie insbesondere den Gleichheitsgrundsatz des Art. 7 B‑VG sowie die Erwerbsausübungsfreiheit gemäß Art. 6 StGG - zu beachten (so auch Wieser, in Korinek/Holoubek [Hrsg.], Bundesverfassungsrecht [1999], Art. 19/2 B‑VG, Rz 3 f\; aA Stolzlechner, Gedanken zur "wirtschaftlichen Inkompatibilität", ÖJZ 1981, 373 [379]).
 
2.2.    Die Verfassungsbestimmung des § 2 Abs. 5 UnvG sieht eine Ausnahme von der Kompetenznorm des Art. 19 Abs. 2 B‑VG vor, indem sie die Landesgesetzgebung ermächtigt, für die öffentlichen Funktionäre der Länder und Gemeinden (und somit auch für Bürgermeister) weitergehende - nämlich über die Bestimmungen des § 2 Abs. 1 bis 4 UnvG hinausgehende - Regelungen zu treffen. Gemäß Abs. 1 dieser Bestimmung dürfen bestimmte - im Einzelnen näher aufgezählte - Organe des Bundes und der Länder während ihrer Amtstätigkeit keinen Beruf mit Erwerbsabsicht ausüben\; § 2 Abs. 2 und 3 des UnvG beinhalten verfahrensrechtliche Regelungen über die Genehmigung der Ausübung eines Berufes durch einen parlamentarischen Unvereinbarkeitsausschuss\; Abs. 4 normiert, dass bestimmte Tätigkeiten wie etwa die Ausübung einer Funktion in einer politischen Partei keine Berufsausübung im Sinne des § 2 Abs. 1 UnvG darstellen. Landesgesetzliche Regelungen gemäß § 2 Abs. 5 UnvG dürfen sich somit nur auf die Normierung von Berufsausübungsschranken beziehen, nicht jedoch auf andere Bereiche des Unvereinbarkeitsgesetzes wie etwa das Verbot der Auftragsvergabe im Sinne des § 3 UnvG (siehe dazu Wieser, aaO, § 2 UnvG, Rz 16).
Da § 2 Abs. 5 UnvG eine Ausnahme von der grundsätzlichen Kompetenzbestimmung des Art. 19 Abs. 2 B‑VG darstellt (siehe dazu Wieser, aaO, Art. 19/2 B‑VG, Rz 2), ist davon auszugehen, dass die für die Bundesgesetzgebung im Zusammenhang mit der Ermächtigung des Art. 19 Abs. 2 B‑VG bestehenden Schranken auch für die landesgesetzlichen Regelungen gemäß § 2 Abs. 5 UnvG maßgeblich sind. Landesgesetzliche Unvereinbarkeitsbestimmungen gemäß § 2 Abs. 5 UnvG sind daher am Gleichheitsgrundsatz des Art. 7 B‑VG sowie an der Erwerbsausübungsfreiheit gemäß Art. 6 StGG zu messen.
2.3.    Der Schutzbereich der Erwerbsausübungsfreiheit erstreckt sich nach der Rechtsprechung des VfGH auch auf die Beschäftigung im öffentlichen Dienst (siehe zB VfSlg. 4501/1963, 7798/1976). Die Regelung des Art. 6 StGG steht ihrem Wortlaut nach unter einem bloß formellen Gesetzesvorbehalt ("Jeder Staatsbürger kann … unter den gesetzlichen Bedingungen jeden Erwerbszweig ausüben.") Der VfGH unterwirft gesetzliche Beschränkungen der Erwerbsausübungsfreiheit allerdings seit dem Erkenntnis VfSlg. 10.179/1984 einer Verhältnismäßigkeitsprüfung: Gesetzliche Beschränkungen der Erwerbsausübungsfreiheit sind demnach nur zulässig, wenn sie durch ein öffentliches Interesse geboten, zur Zielerreichung geeignet und adäquat und auch sonst sachlich zu rechtfertigen sind (vgl. VfSlg. 13.704/1994, 13.725/1994, 14.038/1995).
Die dem Unvereinbarkeitsrecht innewohnenden Zielsetzungen, wie die Vermeidung von Interessenkonflikten oder von Arbeitsüberlastung (siehe dazu Fiedler, Bedürfen die Regelungen über die wirtschaftliche Unvereinbarkeit einer Änderung? in Amt der NÖ Landesregierung [Hrsg.], Die Vereinbarkeit öffentlicher Ämter [1990] 47 f), sind jedenfalls als öffentliche Interessen anzusehen. Dafür spricht auch die Regelung des § 2 Abs. 2 UnvG, wonach der Unvereinbarkeitsausschuss bei der Entscheidung über die Genehmigung einer Berufsausübung auf die "Gewährleistung einer objektiven und unbeeinflussten Amtsführung" Bedacht zu nehmen hat.
Für die Beurteilung der Frage, welche Unvereinbarkeitsregelungen für Bürgermeister sachlich gerechtfertigt sind, ist zu prüfen, inwieweit die Funktion des Bürgermeisters die gleichzeitige Ausübung einer beruflichen Tätigkeit etwa aus Gründen der Arbeitsüberlastung sowie auf Grund der Gefahr einer Vermengung von gegenläufigen privaten und öffentlichen Interessen als nicht angemessen erscheinen lässt und inwieweit mit anderen - weniger strengen - Vorschriften (als dies ein Berufsausübungsverbot darstellt) das Auslangen gefunden werden kann. Hinsichtlich einer allfälligen Arbeitsüberlastung sind etwa Regelungen über die Dienstfreistellung als weniger strenge Bestimmungen denkbar, hinsichtlich einer allfälligen Interessenkollision die Normierung von Vertretungsregeln für den Fall der Befangenheit.
Zur Angemessenheit einer Beschränkung ist Folgendes zu bedenken: Das geltende Unvereinbarkeitsrecht unterwirft die obersten Verwaltungsorgane strengeren Regelungen als die Mitglieder von Vertretungskörpern, da letztere über geringere wirtschaftliche und politische Einflussmöglichkeiten verfügen und der mit der Ausübung eines Abgeordnetenmandates verbundene Arbeitsaufwand eine gleichzeitige Berufstätigkeit erlaubt (siehe dazu auch Wieser, aaO, Vorbemerkungen zum UnvG, Rz 2). Die Beschränkungen der Erwerbsausübungsfreiheit durch Unvereinbarkeitsregelungen sind demnach unterschiedlich ausgestaltet, je nachdem, wie groß die Gefahr einer Arbeitsüberlastung bzw. einer Interessenkollision ist. Angesichts der Tatsache, dass die Funktion des Bürgermeisters - zumindest bei einer Durchschnittsbetrachtung - hinsichtlich der damit verbundenen Arbeitsbelastung sowie den damit einhergehenden wirtschaftlichen und politischen Einflussmöglichkeiten nicht mit der Funktion als Regierungsmitglied vergleichbar ist, erscheint es aus sachlichen Erwägungen geboten, allfällige Unvereinbarkeitsregelungen für Bürgermeister an den entsprechenden Regelungen für Funktionäre auf Bundes- und Landesebene zu orientieren und jedenfalls nicht strenger auszugestalten.
Die derzeit geltenden Unvereinbarkeitsregelungen sehen auch für oberste Verwaltungsorgane kein absolutes Berufsverbot vor\; gemäß § 2 Abs. 2 und 3 UnvG kann die Ausübung eines Berufes vom zuständigen parlamentarischen Unvereinbarkeitsausschuss genehmigt werden. Darüber hinaus ist auf die Regelungen der Art. 59a und 95 Abs. 4 B‑VG hinzuweisen, denen zufolge öffentlich Bedienstete nicht von der Ausübung eines Abgeordnetenmandates ausgeschlossen sind, sondern Regelungen über eine Dienstfreistellung und eine Kürzung der Dienstbezüge getroffen werden. (Hinzuweisen ist allerdings auch auf die Verfassungsbestimmung des § 6a Abs. 2 UnvG, wonach der zuständige parlamentarische Unvereinbarkeitsausschuss einem Abgeordneten die Ausübung der dienstlichen Aufgaben im Rahmen eines Dienstverhältnisses zu einer Gebietskörperschaft untersagen kann, wenn eine objektive und unbeeinflusste Amtsführung nicht gewährleistet ist\; im Falle der Untersagung der Dienstausübung ist dem betroffenen Mitglied ein gleichwertiger Ersatzarbeitsplatz zuzuweisen.) Vor diesem Hintergrund wird ein absolutes Berufsausübungsverbot, das keine Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles ermöglicht, jedenfalls als unzulässig anzusehen sein.
Zu beachten ist schließlich, dass der VfGH Schranken, die den Zugang zu einer Erwerbsausübung behindern (im Vergleich zu bloßen Ausübungsbeschränkungen), als schweren Eingriff in die Erwerbsausübungsfreiheit ansieht\; derartige Regelungen müssen daher durch gewichtige Gründe gerechtfertigt werden (siehe dazu VfSlg. 11.558/1987\; weiters Berka, Die Grundrechte [1999] Rz 750).
2.4.    Auch wenn eine Unvereinbarkeitsregelung im Hinblick auf die Erwerbsausübungsfreiheit zulässig ist, sind aber die Vorgaben des Gleichheitsgrundsatzes - und für den vorliegenden Sachverhalt insbesondere das Gleichbehandlungsgebot betreffend die Ausübung politischer Rechte durch öffentlich Bedienstete gemäß Art. 7 Abs. 4 B‑VG - zu beachten. Wie auch in der Stellungnahme des Verfassungsdienstes des Amtes der Tiroler Landesregierung unter Bezugnahme auf das Erkenntnis des VfGH VfSlg. 1230/1929 ausgeführt wird, gehört zu den politischen Rechten im Sinne des Art. 7 Abs. 4 B‑VG auch das aktive und passive Wahlrecht zum Bürgermeister. Die Regelung des Art. 7 Abs. 4 B‑VG verbietet eine Diskriminierung von öffentlich Bediensteten gegenüber den übrigen Staatsbürgern\; es dürfen somit hinsichtlich der Ausübung der politischen Rechte keine besonderen Schranken normiert werden, die allein an die Stellung als öffentlich Bediensteter anknüpfen. Umgekehrt ergibt sich aus dieser Regelung aber kein Anspruch auf unbeschränkte Ausübung der politischen Rechte\; soweit zulässiger Weise Schranken für alle Staatsbürger bestehen, erfassen diese auch öffentlich Bedienstete (siehe dazu Kucsko-Stadlmayer, in Korinek/Holoubek [Hrsg.], Bundesverfassungsrecht, Art 7/4 B‑VG, Rz 13).
2.5.    Daraus ergibt sich, dass die Normierung einer expliziten Unvereinbarkeit zwischen dem Amt als Bürgermeister und der Tätigkeit als Gemeindesekretär jedenfalls als gleichheitswidrig anzusehen wäre. Inwieweit eine allgemein gefasste - am Regelungsmodell des § 2 UnvG orientierte - Unvereinbarkeitsregelung im Hinblick auf die Erwerbsausübungsfreiheit zulässig ist, wäre anhand der oben ausgeführten Kriterien im Einzelfall zu beurteilen."
 
Auf Basis dieser rechtlichen Beurteilung konnte der Unterausschuss mehrheitlich nicht der rechtlichen Umsetzung dieses Antrages folgen.


Es wird daher der

Antrag

gestellt:

Der Landtag wolle beschließen:

Der Bericht des Ausschusses für Gemeinde zum Antrag, Einl.Zahl 1480/1, der Abgeordneten Dipl.-Ing. Gunter Hadwiger, Anton Kogler, Dipl.-Ing. Gerald Deutschmann, Mag. Dr. Georg Mayer, MBL und Peter Samt betreffend Die Funktion des Bürgermeisters von der des Amtsleiters in der GemO trennen wird zur Kenntnis genommen.