LANDTAG STEIERMARK
XVII. GESETZGEBUNGSPERIODE


EZ/OZ: 3724/1

Aktuelle Stunde (§ 71 GeoLT)

eingebracht am 15.11.2019, 13:16:20


Landtagsabgeordnete(r): LTAbg. Claudia Klimt-Weithaler (KPÖ), LTAbg. Dr. Werner Murgg (KPÖ)
Fraktion(en): KPÖ
Zuständiger Ausschuss: -
Regierungsmitglied(er): Landeshauptmann-Stv. Mag. Michael Schickhofer

Betreff:
Wohnen darf nicht arm machen – In der steirischen Wohnpolitik ist ein Richtungswechsel notwendig!

Seit Jahren steigen Mieten und Betriebskosten deutlich stärker als die Lohneinkommen.

Trotz allenthalben sichtbarer Bautätigkeit entspannt sich die Wohnungsproblematik für normalverdienende Menschen nicht – im Gegenteil! Durch fehlgeleitete Förderungspolitik des Landes (Stichwort „Assanierung“) werden mehrheitlich Wohnungen für den wachsenden Anlegermarkt errichtet. Die tatsächlichen Bedürfnisse der Wohnungssuchenden sind dabei bestenfalls sekundär.

Seit Beginn der 90er Jahre des vorigen Jahrhunderts wird in Österreich von ExpertInnen die Problematik am Mietwohnungsmarkt beschrieben. Der Österreichische Arbeiterkammertag und die Mietervereinigung forderten schon in der Bundeswohnenquete im Jahr 1991

  • die Wiedereinführung von klar definierten Mietzinsobergrenzen für ALLE Wohnungen,
  • unbefristete Hauptmieten als Standard und
  • dass das Recht auf Wohnen in der Verfassung verankert wird.

Nichts davon wurde bis heute umgesetzt.

Im Mittel beträgt der Mietpreis (inkl. Betriebskosten) bei Neuvermietungen derzeit in Graz bereits 11,50 Euro/m² (Immobilienpreisspiegel). Dabei gilt: Je kleiner die Wohnung, umso höher der Mietpreis! Und: Befristete Mietverhältnisse sind teurer als unbefristete!

Bei sozialen Mietwohnungen liegt der Bruttomietpreis bei 7,10 Euro/m².

Für eine 70-Quadratmeter-Wohnung ergibt sich somit eine Differenz von 308 Euro im Monat bzw. rund 3.700 Euro im Jahr!

Vor allem die gewinnorientierten privaten Wohnungsanbieter sind für die hohen Preissteigerungen verantwortlich. Von 2008 bis 2016 sind die privaten Hauptmietzinse um 35 Prozent gestiegen – bei einer allgemeinen Teuerung im gleichen Zeitraum von etwas über 14 Prozent (AK Wien, Mieten in Österreich und Wien, 2008 bis 2016, S. 4).

Etwa zwei Drittel aller Wohnungen werden mittlerweile von privaten Anbietern vermietet. Die dort vorherrschenden befristeten Verträge sowie die fehlenden Mietzinsobergrenzen sind der wesentlichste Kostentreiber bei Mietwohnungen. Denn sowohl bei der Vertragsverlängerung wie auch bei der Neuvergabe werden die Wohnungen zu deutlich höheren Kosten weitervermietet. Bei Neuvergaben fallen auch immer wieder die Einstiegskosten von Neuem an.

Die geltende rechtliche Situation bedingt, dass sich immer mehr Menschen das Wohnen aus eigener Kraft nicht mehr leisten können. Die öffentliche Hand muss mit Kautionsfonds, Wohnbeihilfe und Heizkostenzuschuss gegensteuern. In der Steiermark wurden aber gerade bei der Wohnunterstützung und beim Heizkostenzuschuss die Schrauben enger gedreht, sodass viele Menschen keinen Anspruch auf diese Hilfen mehr haben.

Die KPÖ hat sich in der vergangenen Periode mit vielen Initiativen dafür eingesetzt, dass die Subjektförderungen angehoben werden, um als erster Schritt die drückendsten Probleme zu lösen.

  • Heizkostenzuschuss für alle, die ihn brauchen, EZ 1184/3
  • Heizkostenzuschuss für alle, die ihn brauchen, EZ 2490/1
  • Heizkostenzuschuss für alle, die ihn brauchen, EZ 2686/6
  • Heizkostenzuschuss für alle, die ihn brauchen, EZ 2789/30
  • Energieabschaltungen vermeiden, EZ 2687/6
  • Dringend nötige Maßnahmen gegen die Verschlechterungen durch die Einführung der Wohnunterstützung, EZ 715/6
  • Wohnunterstützung für Alleinerziehende, EZ 2686/5
  • Rückkehr zu Wohnbeihilfe der Jahre 2006 bis 2011, EZ 1086/3
  • Rückkehr zu Wohnbeihilfe der Jahre 2006 bis 2011, EZ 1184/4  
  • Richtlinien für die Zuerkennung der Wohnunterstützung an Studierende, EZ 1184/2
  • Nachteile durch bisherige StWUG-Regelung rückwirkend ausgleichen, EZ 2498/6
  • Wohnen ist zu teuer: Fristverkürzung bei Wohnunterstützung, EZ 2372/1
  • Wohnbeihilfe erhöhen und wertsichern, EZ 298/11

SPÖ und ÖVP haben keinem dieser Anträge die Unterstützung gegeben bzw. durch die ressortverantwortliche SP-Landesrätin Kampus federführend die Verschlechterungen für die Mieterinnen und Mieter zu verantworten.

Langfristig muss der Wohnungsmarkt so entwickelt werden, dass sich die Menschen das Wohnen aus eigener Kraft leisten können. Die Interessen der Mieter und Mieterinnen müssen endlich wieder höher bewertet werden als die Interessen der Investoren. Mit der Abschaffung des klaren Kategoriemietzinses und der Einführung weitgehender Befristungsmöglichkeiten wurde der Mieterschutz aus den Angeln gehoben. Die Gewinne, die Immo-Unternehmen aus Mietzinseinnahmen und Immobilientransaktionen „erwirtschaften“, werden immer höher. Bezahlen müssen das die Mieterinnen und Mieter.

Das Richtwertsystem hat die Teuerung komplett aus dem Ruder laufen lassen. Über die Lagezuschläge fließt die massive Steigerung der Grundkosten am Markt direkt in den Mietzins ein. Durch die Unübersichtlichkeit der Zu- und Abschläge ist keinerlei Transparenz gegeben. Richtwertmieten entsprechen heute im Wesentlichen den Markmieten („Instrumente und Wirkungen der österreichischen Wohnpolitik“, WIFO).

An den Bund ist daher die Forderung zu richten, das Mietrechtsgesetz und eine wirksame Mietzinsbegrenzung auf alle Mietverhältnisse anwendbar zu machen. Es gibt keine sachlich gerechtfertigten Gründe, warum nur einzelne Mietverhältnisse vom MRG voll erfasst sind.

Befristete Mietverhältnisse sind einzudämmen. Einzig im Falle einer sachlichen Rechtfertigung (Eigenbedarf) soll die Befristung eines Mietvertrages zulässig sein.

Gerade der soziale und kommunale Wohnbau könnte ein Bollwerk gegen die allenthalben steigenden Preise sein. Doch im österreichweiten Vergleich liegt gerade Graz bei sozialen Mietwohnungen mit einem Anteil von 16 Prozent an letzter Stelle. In Linz sind 55 Prozent des Wohnbestandes Sozialwohnungen, in Wien 41 Prozent (Statistik Austria, GBV).

Wohnbaufördermittel werden derzeit auch an private Immobilienfirmen gewährt. Doch nach Wegfall der förderrechtlichen Mietzinsbegrenzung steigt bei den privaten Vermietern der Mietpreis in der Regel auf das Doppelte (rund 11,50 Euro) an.

Bei gemeinnützigen Vermietern wird die Nettomiete nach Darlehenstilgung hingegen auf derzeit 3,86 Euro/m² dauerhaft abgesenkt. Diese 3,86 Euro ermöglichen bereits die laufende Instandhaltung/Verbesserung und Ersatzinvestitionen. Alles darüber hinaus ist reine Rendite für die Vermieter.

Auf Landesebene hätte die Steiermark durchaus Handlungsspielraum. Das Land hätte etwa die Möglichkeit, die Gemeinden zur Festlegung von Widmungen für förderbaren Wohnbau gesetzlich zu ermächtigen. Wie eine solche Regelung ausgestaltet sein sollte, hat kürzlich Wien vorgezeigt.

Folgende Maßnahmen sind dringend notwendig:

  • Ausweitung des sozialen Wohnungsangebots (kommunal, gemeinnützig) in der Steiermark
  • Einweisungsrecht der Gemeinde in einem zu bestimmenden Anteil in geförderte Neubauwohnungen/Assanierungen als Fördervoraussetzung
  • Baulandreservierungen für geförderten/kommunalen Wohnbau, Widmungskategorie „Geförderter Wohnbau“
  • Sonderprogramm zur Errichtung von Gemeindewohnungen
  • Zweckbindung der Wohnbauförderungsmittel
  • Ausweitung des Kreises der Wohnbauförderungsbeitragspflichtigen auf Selbständige und Landwirte (die ja auch Wohnbauförderungsmittel beziehen können)
  • Rigorose Einschränkung befristeter Mietverträge
  • Klar festgelegte Mietzinsobergrenzen für alle Mietwohnungen
  • Abschaffung der Mehrwertsteuer auf Mieten
  • Maklerprovisionen sollen vom Vermieter (Auftraggeber) bezahlt werden

Die KPÖ hat in der vergangenen Gesetzgebungsperiode zahlreiche Initativen und Anfragen auf Landesebene eingebracht, um das Wohnen leistbar zu machen. Keinem der Anträge haben SPÖ oder ÖVP die Zustimmung gegeben:

  • Maklerprovisionen beschränken, EZ 262/1
  • Mehrwertsteuer auf Mieten abschaffen, EZ 3014/6
  • Kommunalen Wohnbau forcieren, EZ 3389/1
  • Wohnbauförderung durch Landesdarlehen, EZ 1688/1
  • Wohnen ist zu teuer: Zweckbindung des Wohnbauförderungsbeitrags, EZ 1997/1
  • Zweckentfremdung der Wohnbauförderung beenden (Assanierung), EZ 3638/3
  • Maßnahmen gegen massiv steigende Wohnkosten, EZ 2829/6
  • Maßnahmen zur Armutsverhinderung in der Steiermark, EZ 3286/3
  • Zugang zu leistbarem Wohnraum für alle gewährleisten, EZ 1293/6
  • Maßnahmen gegen Kinderarmut, EZ 602/7
  • Zweckbindung des Wohnbauförderungsbeitrags, EZ 1997/1

Wohnen ist ein Grundbedürfnis aller Menschen auf das niemand verzichten kann. Aufgrund der Besonderheiten des Wohnungsmarktes kommt das WIFO (in: „Instrumente und Wirkungen der österreichischen Wohnungspolitik“) zum Schluss, dass bei der Wohnraumversorgung von einem Marktversagen auszugehen ist. „Eine qualitative und quantitative Versorgung mit ausreichendem und leistbarem Wohnraum kann durch den freien Markt … nicht gewährleistet werden.“ 

Vor genau einhundert Jahren hat die Stadt Wien Antwort auf die Wohnungsfrage gegeben:

Neue Maßnahmen mußten gefunden werden, produktive Wohnungspolitik durch kommunale Eigenbautätigkeit und Bauförderung zu treiben, um durch prohibitive Wohnungspolitik des Mieterschutzes das Vertreiben der Mieter aus ihren Wohnungen durch ungerechtfertigte Kündigungen oder unerträgliche Zinssteigerungen seitens des Hausbesitzers hintanzuhalten, endlich um durch distributive Wohnungspolitik den vorhandenen Wohnungsvorrat durch Wohnungsanforderung und Wohnungszuweisung gerecht zu verteilen.“ (Verwaltungsbericht Wien 1919, S. 386).

Ohne politische und gesetzliche Maßnahmen, die in den von finanzstarken Investoren beherrschten Markt eingreifen, der sich immer höhere Renditen aus den Mieten erwartet, wird die Situation vieler Menschen in der Steiermark jedenfalls bald unerträglich prekär werden.

 

Die unterfertigten Abgeordneten verlangen gemäß § 71 Abs 1 GeoLT die Abhaltung einer Aktuellen Stunde zum oben angeführten Betreff.

 


Unterschrift(en):
LTAbg. Claudia Klimt-Weithaler (KPÖ), LTAbg. Dr. Werner Murgg (KPÖ)