LANDTAG STEIERMARK
XVII. GESETZGEBUNGSPERIODE


TOP N1

EZ/OZ 170/6

Schriftlicher Bericht

Ausschuss: Regionen

Betreff:
Selbstständiger Ausschussantrag gemäß § 22 GeoLT betreffend Novellierung des Baugesetzes betreffend vorübergehende Betreuungseinrichtungen

 

zu:
EZ 170/1, Vorübergehende Betreuungseinrichtungen für die Unterbringung von Flüchtlingen unter erleichterten bau- und raumordnungsrechtlichen Voraussetzungen (Selbständiger Antrag von Abgeordneten (§ 21 GeoLT))

Mit dem neu eingefügten § 21a betreffend vorübergehende Betreuungseinrichtungen zur Grundversorgung soll eine rasche und unkomplizierte Unterbringung von Flüchtlingen im Land Steiermark unter erleichterten bau- und raumordnungsrechtlichen Voraussetzungen ermöglicht werden. Damit soll gewährleistet werden, dass in Fällen einer Steigerung der Zahl der Asylsuchenden in Österreich die erforderlichen festen Betreuungseinrichtungen im Land Steiermark kurzfristig zur Verfügung gestellt werden können.

Zusätzlich soll die Errichtung und Nutzung von baulichen Anlagen für eine rasche vorübergehende, staatlich organsierte Unterbringung einer größeren Anzahl von Personen aus humanitären Gründen, wie z.B. bei einem Eintritt einer Naturkatastrophe oder bei Auftreten massiver Flüchtlingsströme aus Kriegsgebieten, ausschließlich für die Dauer des Bestehens des Erfordernisses der vorübergehenden Unterbringung, vom Geltungsbereich des Baugesetzes ausgenommen werden.

Mit Einführung der Sonderbestimmung des § 21a im Steiermärkischen Baugesetz sollen die vom Land Steiermark auf dem Gebiet der Grundversorgung übernommenen Verpflichtungen im Hinblick auf eine rasche, ordnungsgemäße und der Menschenwürde gerechten festen Unterbringung von Asylsuchenden erfüllt werden.

Mit dem formulierten Ausnahmetatbestand des § 3 Z. 9 des Baugesetzes soll möglichst zeitnah, vorübergehender und kurzfristiger Übergangswohnraum im Katastrophenfall oder auch eine vorübergehende Unterbringungsmöglichkeit für Flüchtlinge geschaffen werden, die weder der Grundversorgung des Bundes noch der des Landes unterliegen.

Die Novellierung berücksichtigt zwei Aspekte: Einerseits Sonderbestimmungen für die vorübergehenden Betreuungseinrichtungen zur Grundversorgung und andererseits einenen Ausnahmetatbestand vom Geltungsbereich des Baugesetzes für die Errichtung und Nutzung baulicher Anlagen zur vorübergehenden, staatlich organisierten Unterbringung einer größeren Anzahl von Personen aus humanitären Gründen, ausschließlich für die Dauer des Bestehens des Erfordernisses der vorübergehenden Unterbringung.

Die betroffene Gemeinde ist über diese Maßnahme auf geeignete Weise zu informieren.

Die Novellierung hat keine finanziellen Auswirkungen auf den Landeshaushalt und andere öffentliche Haushalte.

 

Zu den einzelnen Bestimmungen wird angemerkt:

Zu Z. 2 (§ 3 Z. 9):

Mit dem Ausnahmetatbestand des § 3 Z. 9 vom Geltungsbereich des Baugesetzes soll es ermöglicht werden, sehr schnell vorübergehenden Wohnraum zu schaffen oder bestehende Gebäude zur vorübergehenden Unterbringung einer größeren Anzahl von Personen zu nutzen, wenn infolge eines unerwarteten oder unabwendbaren Ereignisses durch Naturkatastrophen, wie Hochwasser, Murenabgänge, Erdbeben, Lawinen udgl. in größerem Umfang Wohngebäude zerstört oder vorübergehend unbewohnbar geworden sind. Es ist daher erforderlich, für die größere Anzahl betroffener Menschen während eines vorübergehenden Zeitraumes für den Wiederaufbau oder die Sanierung der von der Katastrophe beeinträchtigten Bausubstanz anderwertige Unterbringungen staatlich zu organisieren.

Ein weiterer humanitärer Grund zur staatlich organisierten Unterbringung einer größeren Anzahl von Personen wird in der derzeit anhaltenden Krisensituation der massiven Flüchtlingsströme aus den Kriegsgebieten gesehen. Eine große Anzahl von Flüchtlingen halten sich bislang auf Landesterritorium auf, sind jedoch (noch) nicht in der Grundversorgung des Bundes oder des Landes aufgenommen. Auch für diese größere Anzahl von Personen ist es daher aus humanitären Gründen unerlässlich, vorübergehend eine staatlich organisierte Unterbringungsmöglichkeit unter erleichterten Bedingungen zu schaffen.

Ausdrücklich hervorgehoben wird, dass für die vorübergehende Unterbringung von Personen, die zur Zielgruppe der Grundversorgung nach dem Steiermärkischen Betreuungsgesetz gehören, § 21a Anwendung findet.

Es ist daher evident, dass die Besorgung der Aufgaben nach § 3 Z. 9 im überörtlichen Interesse gelegen ist und aufgrund des zu bewältigenden Umfanges eine Ausnahme von den sonst im eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde zu vollziehende Regelungen gerechtfertigt ist. Die staatliche Organisation wird daher im Fall der derzeitigen Flüchtlingssituation vom Bund (Bundesministerium für Inneres) oder im Katastrophenfall vom Land Steiermark vorgenommen. Dies erfolgt auf Basis von Verträgen oder in Form eines behördlichen Einsatzes.

Fällt jedoch das Erfordernis der vorübergehenden Unterbringung weg, so ist der Ausnahmetatbestand nicht mehr anzuwenden, weshalb die Baubehörde veranlasst ist, gegebenenfalls die entsprechenden baupolizeilichen Maßnahmen anzuordnen. Da jedoch die Unterbringung der größeren Anzahl von Personen aus humanitären Gründen staatlich organisiert (Vertrag oder behördliche Anordnung) sein muss, ist eine missbräuliche Inanspruchnahme der vorgeschlagenen Erleichterung nicht zu befürchten. Die Beseitigung von baulichen Anlagen sowie die Wiederherstellung der ursprünglich baubehördlich bewilligten Nutzung haben durch den Objekt- bzw. Grundeigentümer zu erfolgen, wobei davon auszugehen ist, dass in den Verträgen entsprechende Regelungen (über die Dauer des Erfordernisses der vorübergehenden Unterbringungsmöglichkeit) enthalten sind.

Zu Z. 3 (§ 21 a) :

Im Abs. 1 wird der Begriff der Betreuungseinrichtungen zur Grundversorgung in Anlehnung an die Terminologie des § 2 des Steiermärkischen Betreuungsgesetzes definiert und damit gleichzeitig der Geltungsbereich dieser Sonderbestimmung festgelegt. Damit wird klargestellt, dass damit nur Betreuungseinrichtungen des Landes, somit Einrichtungen, die das Land selbst betreibt oder vom Land organisierte Unterkünfte (die der Aufsicht des Landes unterliegen und/oder vom Land beauftragte Einrichtungen) von dieser Sonderbestimmungen umfasst sind. Ausdrücklich davon nicht umfasst sind die in § 2 Z. 3 des Steiermärkischen Betreuungsgesetzes angeführten individuellen Unterkünfte, die von Fremden selbst gemietet werden.

Im Abs. 2 und Abs. 3 wird festgelegt, unter welchen Voraussetzungen und für welche Baumaßnahmen die Privilegierung wahrgenommen werden kann. Die sachliche Rechtfertigung für diese Erleichterung liegt im öffentlichen Interesse einer raschen und ordnungsgemäßen, lediglich temporären Unterbringung, vor allem in winterfesten Quartieren für Flüchtlinge. Demnach sollen bestimmte Bauvorhaben zur Schaffung von vorübergehenden Betreuungseinrichtungen zur Unterbringung von Personen, die zur Zielgruppe der Grundversorgung gehören, weder einer Baubewilligungspflicht, noch einer Bauanzeige unterliegen. Dabei sind auch die sonstigen baurechtlichen (Abstandsbestimmungen, Nachbarrechte, usw.) und raumordnungsrechtlichen Vorschriften (örtliches Entwicklungskonzept, Flächenwidmungsplan, Bebauungsplan) nicht anzuwenden.

Selbstverständlich besteht für die Schaffung von dauerhaften Betreuungseinrichtungen die Möglichkeit der Durchführung eines regulären Baubewilligungs- bzw. Anzeigeverfahrens unter der Voraussetzung der Einhaltung der vollständigen bau- und raumordnungsrechtlichen Vorschriften.

Bei den in Abs. 2 Z. 1 angeführten Umbaumaßnahmen bzw. Nutzungsänderungen an bestehenden baulichen Anlagen ist an den Einbau von Sanitäranlagen oder Küchen, aber auch an die Setzung von Trennwänden udgl. gedacht. Bei den Nutzungsänderungen sollen z.B. Industriehallen, Messehallen, Veranstaltungsstätten, Schulen, Heime, Kindergärten und sonstige bestehende Gebäude als Betreuungseinrichtungen rasch und einfach adaptiert werden können.

Bei den in Abs. 2 Z. 2 angeführten Neu- und Zubauten in Leichtbauweise, worunter auch Traglufthallen verstanden werden können, sowie Wohncontainer und sonstige Fertigteilbauten steht der zeitlich begrenzte Charakter dieser Bauvorhaben im Vordergrund, welche mit einem vertretbaren Aufwand errichtet, aber auch nach Außerkrafttreten diese Bestimmungen binnen einer Frist von einem Monat wieder leicht entfernt werden können. Unter „Leichtbauweise“ bzw. „Leichtbau“ versteht man vorgefertigte oder teilvorgefertigte Bauelemente (wie zB. Fertigteilhäuser aus hölzerner oder metallener Tragkonstruktion, Container), bei denen zumindest die Haupttragkonstruktionen aus stabförmigen Elementen bestehen. Die raumabschließenden Elemente sind als nichttragende Elemente ausgebildet.

Voraussetzung für die Freistellung von der Baubewilligungspflicht und der Bauanzeige dieser Maßnahmen ist jedoch, dass die Vorhaben im Bauland (die Widmungskonformität ist jedoch nicht maßgeblich), auf Verkehrsflächen oder im Freiland, jedoch hier nur in Sondernutzungsgebieten nach dem Steiermärkischen Raumordnungsgesetz erfolgen. Damit sollen die kurzfristig, auf Grund der angespannten Unterbringungssituation zu schaffenden Betreuungseinrichtungen möglichst im Einklang mit den bestehenden infrastrukturellen Gegebenheiten realisiert werden. So sind in den Baugebietskategorien die Ver- und Entsorgungsstrukturen,  die Verkehrserschließung und sonstigen infrastrukturellen Einrichtungen bereits vorhanden. Ebenso ist auf Verkehrsflächen, insbesondere auf Parkplätzen von Raststätten oder im Bereich von Handelsbetrieben regelmäßig auch von entsprechend vorhandenen Infrastrukturen auszugehen. Auf Sondernutzungsgebieten im Freiland, insbesondere auf Sportplätzen können entweder bereits vorhandene Gebäude vorläufig umgenutzt bzw. umgebaut werden, oder aber auch Wohncontainer oder sonstige Gebäude in Leichtbauweise errichtet werden. Keinesfalls zulässig sind jedoch – um mögliche nachteilige raumordnungsrechtliche Folgewirkungen hintanzuhalten – Bauvorhaben auf sonstigen Freilandgrundstücken des § 33 Steiermärkischen Raumordnungsgesetzes.

ImAbs. 4 wird klargestellt, dass für Bauvorhaben nach Abs. 2 nicht alle bautechnischen Erfordernisse (§ 43) in vollem Umfang erfüllt, sondern unter Berücksichtigung des Verwendungszweckes der Einrichtung Mindestanforderungen betreffend Festigkeit, Brandschutz, Hygiene und Nutzungssicherheit eingehalten werden müssen. Dazu hat die Landesregierung eine Verordnung zu erlassen.

Abs. 5 legt fest, dass die in Abs. 2 genannten Bauvorhaben vor ihrer Ausführung der Gemeinde schriftlich mitzuteilen sind. Durch die Mitteilung erhält die Gemeinde Kenntnis vom Bauvorhaben, wobei nicht nur der Ort, sondern auch eine planliche Darstellung im Maßstab 1:100 mit Grundrissen und Schnitten und eine kurze Beschreibung des Vorhabens sowie eine Bestätigung von dazu Befugten, wie zB. Bausachverständigen über die Einhaltung der mit Verordnung festgelegten Anforderungen.

Wird gegen die bau- und raumordnungsrechtlichen Vorschriften der Abs. 3 und 4 verstoßen, liegt ein vorschriftswidriger Bau gemäß § 41 Abs 1 Z. 3 iVm Abs. 3 vor.

Zu Z. 4 ( § 119o):

In der Übergangsbestimmung zur Novelle wird schließlich die Wiederherstellung des den bau- und raumordnungsrechtlichen Vorschriften entsprechenden Zustandes geregelt. Das heißt, dass nach Außerkrafttreten der Bestimmungen mit Ablauf des 31. Dezember 2017 binnen einer Frist von einem Monat die getätigten Bauvorhaben einer vorübergehenden Betreuungseinrichtung in den vormaligen Zustand zu versetzen, einer vormaligen Nutzung zuzuführen bzw. Neu- und Zubauten zur Gänze zu beseitigen sind, sofern für diese Bauten nicht eine nachträgliche Baubewilligung oder Baufreistellung unter Einhaltung aller bau- und raumordnungsrechtlichen  sowie bautechnischen Vorschriften erwirkt wird.

Zu Z. 5 ( § 120a):

In Abs. 19 wird das Inkrafttreten und das Außerkrafttreten dieser Novelle geregelt, wobei betreffend des Termines des Außerkrafttretens derzeit davon ausgegangen wird, dass damit dem momentanen Unterbringungsbedarf bis zum Ablauf des 31. Dezember 2017 entsprochen wird. Als Inkrafttretensdatum wird rückwirkend der 1. September 2015 vorgeschlagen, damit allfällig mittlerweile bereits erfolgte und erforderliche Unterbringungen von Flüchtlingen vom neu vorgesehenen § 3 Z. 9 mitumfasst sind.

Der Ausschuss "Regionen" hat in seiner Sitzung am Montag, dem 21.09.2015 über den oben angeführten Gegenstand die Beratungen durchgeführt.

Es wird daher der

 

Antrag

 

gestellt:

Der Landtag wolle beschließen:

Gesetz vom ....., mit dem das Steiermärkische Baugesetz geändert wird.

Der Landtag hat beschlossen:

(siehe angeschlossenen Gesetzestext)

 

Der Obmann:
LTAbg. Karl Petinger