EZ/OZ: 365/1
Selbstständiger Antrag von Abgeordneten (§ 21 GeoLT)
eingebracht am 30.10.2015, 09:05:28
Landtagsabgeordnete(r): LTAbg. Mag.Dr. Wolfgang Dolesch (SPÖ), LTAbg. Lukas Schnitzer (ÖVP), LTAbg. Claudia Klimt-Weithaler (KPÖ), LTAbg. Ing. Sabine Jungwirth (Grüne)
Fraktion(en): SPÖ, ÖVP, KPÖ, Grüne
Zuständiger Ausschuss: Bildung
Regierungsmitglied(er): Landesrätin Mag. Ursula Lackner
Betreff:
Bildungsangebote für nicht mehr schulpflichtige Jugendliche
Das österreichische (Pflicht)Schulsystem beinhaltet, basierend auf dem § 17 Schulpflichtgesetz für Kinder und Jugendliche, ein Schulrecht und gemäß § 1 Schulpflichtgesetz eine Schulpflicht für die Dauer von 9 Jahren; darüber hinaus besteht laut § 32 Abs. 2a Schulunterrichtsgesetz – unter bestimmten Voraussetzungen – die Möglichkeit eines freiwilligen zehnten und freiwilligen elften Schuljahres an Hauptschulen, Neuen Mittelschulen und Polytechnischen Schulen, um über die Absolvierung der Schulpflicht einen anerkannten Pflichtschulabschluss zu erreichen. Auf diese Weise kann das Fundament für weitere (Aus-)Bildungsmöglichkeiten – Lehre, berufsbildende mittlere und höhere Schulen etc. – geschaffen werden.
Für SchulabbrecherInnen, die keinen oder einen unzureichenden Schulabschluss vorweisen, gibt es – zumindest für jene, die erreicht werden – im Wesentlichen nur punktuelle Maßnahmen (Jobcoaching, punktuelle sozialräumliche Projekte, etc.).
Über die Zahl jener, die nicht erreicht werden, gibt es nur Schätzungen, da es in Österreich keine flächendeckende, zielgruppenübergreifende und evidenzbasierte Begleitstruktur gibt. Schätzungen über nicht in Ausbildung, aber auch nicht in Arbeitsverhältnissen oder in beruflicher Aus- bzw. Fortbildung befindliche Jugendliche oder junge Erwachsene – die sogenannten NEETs (not in education, employment or training) – bewegen sich laut Eurostat (Juni 2015) österreichweit bei rund 78.000. Für die Steiermark wird die Zahl laut dem Forschungsbericht „Jugendliche weder in Beschäftigung, Ausbildung noch in Training: Ein Bundesländervergleich in Österreich“ auf ca. 9.400 geschätzt. Dazu kommen einerseits eine wachsende Anzahl von nicht mehr schulpflichtigen begleiteten und unbegleiteten Jugendlichen auf der Flucht - alleine in der Steiermark waren dies zum Schulbeginn des Schuljahres 2015/16 rund 440 Jugendliche - sowie andererseits nicht mehr schulpflichtige EU-BürgerInnen sowie Drittstaatsangehörige, die laut Gesetzeslage im Pflichtschulsystem keine Bildungschancen erhalten.
Neben der Betrachtung der individuellen Schicksale Betroffener gilt es, die volkswirtschaftlichen, die sozialen und die demokratiepolitischen Folgen zu berücksichtigen. Einer Studie von Eurofound (NEETs Young people not in employment, education or training: characteristics, costs and policy responses in Europe) zu Folge betragen der Einkommensverlust und die damit verbundenen individuellen Transferzahlungen für Österreich pro NEET-Jugendlichen € 15.800,-- hinzu kommt ein geringeres soziales und politisches Engagement. Weiters stellt eine Studie von Bacher et al. aus dem Jahr 2010 fest: 1% Reduktion von frühen SchulabgängerInnen würde eine Steigerung des BIP-Wachstums von 0,2% ermöglichen.
Darüber hinaus konnte zwischen frühen SchulabgängerInnen und den daraus folgenden NEETs ein signifikanter Zusammenhang mit Erkrankungen, Arbeitslosigkeitserfahrung, früher Mutterschaft hergestellt werden.
Somit gilt es, sowohl aus bildungspolitischer und volkswirtschaftlicher als auch aus sozialer und demokratiepolitischer Sicht, Bildungschancen für ALLE Jugendlichen, unabhängig von Herkunft und Aufenthaltsstatus, zu sichern: Basisbildung, Anerkennung von erworbenen Bildungsabschlüssen, das Nachholen von Pflichtschulabschlüssen, „NEETs“ einen Wiedereinstieg in das Regelbildungs- und Ausbildungssystem zu ermöglichen und Bildungsabbrüche soweit wie möglich zu verhindern.
Die vorhandenen Potentiale der Jugendlichen sollen bestmöglich gefördert werden, damit Bildungsabschlüsse erzielt werden, um langfristig im beruflichen und sozialen Umfeld bestehen zu können.
Es wird daher der
Antrag
gestellt:
Der Landtag wolle beschließen:
Die Landesregierung wird aufgefordert, an die Bundesregierung mit der Forderung heranzutreten,
- ein Bildungsmodell für nicht mehr schulpflichtige Jugendliche zu entwickeln, das ein strukturiertes Bildungsangebot darstellt, an die Pflichtschule anschließt und sicherstellt, dass nicht mehr schulpflichtige Jugendliche – unabhängig von Herkunft, Aufenthaltsstatus etc. – ein Bildungsangebot vorfinden, das einen Wiedereinstieg in das Regelbildungs- und Ausbildungssystem ermöglichen soll, um durch ein differenziertes Angebot von Basisbildung, Alphabetisierung, Nachholen und Anerkennung von bereits erworbenen Schulabschlüssen, Sprachförderung, Festigung der grundsätzlichen Kulturtechniken etc. einen Bildungsabschluss zu erreichen sowie
- ein begleitendes Monitoring beginnend an der Pflichtschule einzurichten, das eine Erfassung der Bildungslaufbahn sicherstellt und hilft, Bildungsabbrüche zu vermeiden und gegebenenfalls mit geeigneten Maßnahmen entgegensteuert, um Jugendliche in Ausbildung zu bringen bzw. zu halten, bis sie einen Einstieg in den Arbeitsmarkt erreichen.
Unterschrift(en):
LTAbg. Mag.Dr. Wolfgang Dolesch (SPÖ), LTAbg. Lukas Schnitzer (ÖVP), LTAbg. Claudia Klimt-Weithaler (KPÖ), LTAbg. Ing. Sabine Jungwirth (Grüne)