LANDTAG STEIERMARK
XVII. GESETZGEBUNGSPERIODE


EZ/OZ: 192/1

Dringliche Anfrage (§ 68 GeoLT)

eingebracht am 31.08.2015, 15:59:50


Landtagsabgeordnete(r): LTAbg. Christian Cramer (FPÖ), LTAbg. Dipl.-Ing. Gerald Deutschmann (FPÖ), LTAbg. Herbert Kober (FPÖ), LTAbg. Anton Kogler (FPÖ), LTAbg. Mario Kunasek (FPÖ), Dritter Landtagspräsident Dr. Gerhard Kurzmann (FPÖ), LTAbg. Liane Moitzi (FPÖ), LTAbg. Andrea Michaela Schartel (FPÖ)
Fraktion(en): FPÖ
Regierungsmitglied(er): Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer

Betreff:
Verschärfung des Asylchaos durch das Bundesverfassungsgesetz

Begründung

Die Zahl der in Österreich gestellten Asylanträge ist im Jahr 2015 geradezu explodiert. Aus der Asylstatistik des Bundesministeriums für Inneres (BMI) geht hervor, dass von Jänner bis Juni 2015 insgesamt 28.311 Anträge gestellt wurden. Im Vorjahr waren es im selben Zeitraum lediglich 9.047. Das entspricht einer Steigerung von 212,93 Prozent. Im Jahr 2014 suchten in Österreich 28.027 Personen um Asyl an. In der Steiermark waren im Dezember 2014 noch 4.276 Asylwerber untergebracht. Mit August 2015 ist die Zahl der Flüchtlinge in unserem Bundesland bereits auf über 6.200 angewachsen, Tendenz steigend. Die Steiermark erfüllt mit 21.08.2015 die Unterbringungsquote zu knapp 90 Prozent. Das Innenministerium rechnet für dieses Jahr österreichweit mit über 80.000 Asylanträgen. Die Grundversorgung und die Unterbringung der Asylwerber verursachten 2014 in der Grünen Mark Kosten in der Höhe von EUR 27.100.000,--, die den ohnehin schon angespannten Landeshaushalt noch zusätzlich belasteten. (Quelle: Schriftliche Anfragebeantwortung durch LR Schrittwieser, Einl. Zahl 3258/2). Die Ausgaben für das Jahr 2015 werden, bedingt durch die massive Zunahme der Asylwerber, jedenfalls dramatisch ansteigen.

Die Steiermark hat nicht nur für die Grundversorgung und die Unterbringung zahlreicher Asylwerber zu sorgen sowie die immensen Kosten dafür zu tragen, sondern auch auch mit einer angespannten Sicherheitslage zu kämpfen. Bekanntlich geht von Asylwerberunterkünften ein beachtliches Sicherheitsrisiko aus, das die Bevölkerung zunehmend verunsichert. Über 200 Polizeieinsätze im Umfeld von steirischen Asylwerberheimen in den letzten Jahren und über 1.000 als Tatverdächtige ausgeforschte Asylwerber im Jahr 2014 machen das Gefährdungspotential, das von diesen Unterkünften ausgeht, deutlich.

Die zwischen dem Bund und den Ländern vereinbarte Unterbringungsquote lässt die absolute Zahl von in der Steiermark untergebrachten Asylwerbern kontinuierlich in die Höhe schnellen. Das Bundesverfassungsgesetz über die Unterbringung und Aufteilung von hilfs- und schutzbedürftigen Fremden sieht neben dem „Durchgriffsrecht“ in Art 2 einen sogenannten Gemeinderichtwert vor. So hat jede Gemeinde im Bedarfsfall die erforderliche Anzahl von Plätzen für die Unterbringung von hilfs- und schutzbedürftigen Fremden bereitzuhalten. Die Zahl soll jedenfalls 1,5 Prozent der Wohnbevölkerung betragen (Gemeinderichtwert). Viele Gemeinden haben aufgrund fehlender Immobilien im Gemeindeeigentum nicht die Möglichkeit, die geforderten Plätze bereitzustellen. Art 2 Abs 2 enthält eine Verordnungsermächtigung für den Bund. Es ist der Regierung in Zukunft möglich, den Richtwert von 1,5 Prozent pro Gemeinde nach Bedarf zu erhöhen, ohne dass es dazu der Zustimmung des Nationalrates, des Bundesrates, der Landtage oder Landesregierungen bedarf. Die Länder haben lediglich das Recht, Stellungnahmen abzugeben. Bei Ausreizen der Quote von 1,5 Prozent der Wohnbevölkerung würde das bedeuten, dass die Steiermark über 18.000 Asylwerber aufnehmen müsste.

Ländern und Gemeinden, die es verabsäumen, die vorgeschriebene Quote zu erfüllen, droht der zwangsweise Umbau bzw. Umwidmung von Liegenschaften zu Asylwerberunterkünften. Dieses sogenannte „Durchgriffsrecht“ bezieht sich nicht nur auf bundeseigene Liegenschaften, sondern auch auf Liegenschaften, die dem Bund zur Verfügung stehen. Zur Verfügung steht alles, was rechtlich erlaubt benutzt werden darf, somit auch angemietete Flächen. Der Bundesminister für Inneres kann ohne vorheriges Verfahren mittels Bescheid vorläufig entsprechende Schritte anordnen, wenn diesen überwiegende Interessen der Sicherheit, der Gesundheit und des Umweltschutzes nicht entgegenstehen. Gegen diesen Bescheid ist kein Rechtsmittel zulässig (Art 3 Abs 1), was einen massiven Eingriff in die Rechte der Anrainer solcher Immobilien darstellt. Es ist völlig unklar, wie die Parteistellung von Nachbarn betroffener Grundstücke im Bauverfahren bzw. deren Rechtschutzmöglichkeiten insgesamt aussehen.

Das Bundesverfassungsgesetz über die Unterbringung und Aufteilung von hilfs- und schutzbedürftigen Fremden greift auch erheblich in die Rechte der steirischen Gemeinden ein. Gem Art 118 Abs 3 Z 9 B-VG fällt die Besorgung der örtlichen Baupolizei sowie der örtlichen Raumplanung in den eigenen Wirkungsbereich der Gemeinden. Diese haben ein verfassungsgesetzlich gewährleistetes subjektives Recht auf Selbstverwaltung. Dieses wird verletzt, wenn der Gemeinde eine die Kriterien des eigenen Wirkungsbereichs erfüllende Aufgabe vorenthalten oder entzogen wird und diese einer staatlichen Behörde übertragen oder dem übertragenen Wirkungsbereich zugewiesen wird (vgl Öhlinger, Verfassungsrecht6, 556.). Der Bundeminister für Inneres ist laut dem Initiativantrag ermächtigt, die Nutzung und den Umbau bestehender Bauwerke oder die Aufstellung beweglicher Bauwerke anzuordnen. Somit werden der Gemeinde Kompetenzen des eigenen Wirkungsbereichs entzogen und dem Bund übertragen, was, wie oben ausgeführt, einen Verfassungsbruch darstellt.

Gem Art 2 Abs 3 des Bundesverfassungsgesetzes über die Unterbringung und Aufteilung von hilfs- und schutzbedürftigen Fremden können Gemeinden desselben politischen Bezirks Vereinbarungen über die Unterbringung und Aufteilung von Asylwerbern treffen. Eine nähere Beschreibung dieser Vereinbarung fehlt jedoch.

Anstatt für das Bundesverfassungsgesetz eine ordentliche Regierungsvorlage samt Begutachtungsfrist auf den Weg zu bringen, wurde ein Initiativantrag gegen die Bedenken einiger Landeshauptleute durchgepeitscht. Mit dieser Vorgehensweise wird der Konsultationsmechanismus, der vorsieht, dass Gesetzes- und Verordnungsentwürfe des Bundes oder eines Landes den betroffenen Gebietskörperschaften mit einer Aufstellung der finanziellen Auswirkungen zur Stellungnahme übermittelt werden, nicht ausgelöst, weil die Bundesregierung nicht mittels Regierungsvorlage agiert. Damit zeigt die Bundesregierung eindrucksvoll, dass ein breiter Konsens und eine nachhaltige Lösung der Asylproblematik offensichtlich nicht ihr Ziel ist. So tiefgreifende Maßnahmen durch die „parlamentarische Hintertür“ zu beschließen, ist demokratiepolitisch äußerst fragwürdig.

Laut einer vom Meinungsforschungsinstitut Unique durchgeführten und dem Nachrichtenmagazin „profil“ veröffentlichten Umfrage lehnen daher 62 Prozent der Bevölkerung diese drohende Zwangsaufnahme von Asylwerbern zu Recht klar ab. (Quelle: http://www.profil.at/oesterreich/umfrage-zwangsaufnahme-fluechtlingen-gemeinden-5809444).

Auch zahlreiche Landeshauptleute bzw. Landesräte äußerten sich über diese, ohne Anhörung der Länder und Gemeinden durchgepeitschten, tiefgreifenden Änderungen der Bundesverfassung durchaus kritisch.

Tirols Landeshauptmann Günther Platter sprach in diesem Zusammenhang von „einem doch massiven Eingriff in die Kompetenzen von Ländern und Gemeinden.“ (Quelle: http://kurier.at/politik/inland/asyl-niessl-zu-durchgriffsrecht-absolut-nicht-dafuer/147.644.916).

Es ist für Platter auch „nicht vorstellbar, dass der Bund bei „der Ansiedlung von Flüchtlingen auf das Einvernehmen mit den Gemeinden verzichtet.“ Klare Worte fand auch der Salzburger Landeshauptmann Wilfried Hauslauer, der einen „schweren Eingriff in die Verfassung“ monierte. Landeshauptmann Josef Pühringer meinte, „das Gesetz sei eine absolute Notmaßnahme“ und er werde „alles tun, damit es in Oberösterreich nicht zur Anwendung kommt.“ (Quelle: http://www.nachrichten.at/nachrichten/politik/innenpolitik/Murren-in-den-Laendern-ueber-Durchgriffsrecht-fuer-den-Bund;art385,1946684)

Burgenlands Landeshauptmann Hans Niessl (SPÖ) hat das geplante Bundesverfassungsgesetz über ein Durchgriffsrecht ebenfalls heftig kritisiert: „Da bin ich absolut nicht dafür“, erklärte Niessl gegenüber der APA. Skeptisch zeigte er sich etwa gegenüber Eingriffen in die Gemeindeautonomie und der im Entwurf festgeschriebenen Möglichkeit zur Unterbringung von bis zu 450 Asylwerbern in einer Gemeinde. (Quelle: http://kurier.at/politik/inland/asyl-niessl-zu-durchgriffsrecht-absolut-nicht-dafuer/147.644.916).

Der burgenländische Soziallandesrat Norbert Darabos zeigte sich ebenfalls „nicht zufrieden mit dem Durchgriffsrecht.“ Er kritisierte den „nicht fairen Umgang zwischen Bund und Ländern“ (Quelle: http://www.bvz.at/nachrichten/bgld/politik-bildung/Darabos-mit-Durchgriffsrecht-nicht-zufrieden;art79578,662192).

Der steirische Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer nahm das Durchgriffsrecht, im Gegensatz zu seinen Amtskollegen, ohne Protest zur Kenntnis (Quelle: http://steiermark.orf.at/news/stories/2727064/). Die Steirer hätten sich klare Worte in Richtung der Bundesregierung erwartet.

Ob bzw. welche konkreten Protestmaßnahmen der Landeshauptmann in Hinblick auf das Bundesverfassungsgesetz über die Unterbringung und Aufteilung von hilfs- und schutzbedürftigen Fremden gesetzt hat, entzieht sich der Kenntnis der Fragesteller. Unbekannt ist auch, ob bzw. wie die Gemeinden bei der Bereitstellung von Asylwerbwerunterkünften durch das Land unterstützt werden sollen.


Es wird daher folgende

Dringliche Anfrage

gestellt:

  1. Haben Sie gegen das Bundesverfassungsgesetz über die Unterbringung und Aufteilung von hilfs- und schutzbedürftigen Fremden protestiert?
  2. Wenn ja, in welcher Form und wann?
  3. Wenn nein, warum nicht?
  4. Würde man die Quote von 1,5 Prozent der Wohnbevölkerung ausreizen, müsste die Steiermark über 18.000 Asylwerber aufnehmen. Ist es aus Ihrer Sicht möglich, die notwendigen Unterkünfte bereitzustellen?
  5. Wenn ja, in welcher Form?
  6. Sprechen Sie sich für eine absolute Höchstzahl von Unterkunftsplätzen für Asylwerber in der Steiermark aus?
  7. Wenn ja, wie hoch ist diese Zahl?
  8. Wenn nein, warum nicht?
  9. Wie stehen Sie dazu, dass gem Art 3 Abs 1 des Bundesverfassungsgesetzes über die Unterbringung und Aufteilung von hilfs- und schutzbedürftigen Fremden Anrainern kein Rechtsmittel gegen zwangsweise Umbauten bzw. Umwidmungen zu Verfügung steht?
  10. Haben Sie diesbezüglich Kritik geäußert?
  11. Wenn ja, in welcher Form?
  12. Wenn nein, warum nicht?
  13. Wie stehen Sie als für Gemeinden zuständiges Mitglied der Landesregierung dazu, dass den Gemeinden Kompetenzen des eigenen Wirkungsbereichs entzogen und dem Bund übertragen werden, was einen massiven Eingriff in das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht der Kommunen auf Selbstverwaltung darstellt?
  14. Haben Sie diesbezüglich Kritik geäußert?
  15. Wenn ja, in welcher Form?
  16. Wenn nein, warum nicht?
  17. Gibt es schon konkrete Pläne, wie Gemeinden desselben politischen Bezirks Vereinbarungen über die Unterbringung und Aufteilung der Asylwerber treffen sollen?
  18. Wenn ja, wie stellen sich diese Pläne konkret dar?
  19. Sollen Gemeinden seitens des Landes bei diesen Verhandlungen unterstützt werden?
  20. Wenn ja, in welcher Form?
  21. Wenn nein, warum nicht?
  22. Wie stehen Sie als Landeshauptmann dazu, dass der Konsultationsmechanismus, der vorsieht, dass Gesetzes- und Verordnungsentwürfe des Bundes oder eines Landes den betroffenen Gebietskörperschaften mit einer Aufstellung der finanziellen Auswirkungen zur Stellungnahme übermittelt werden, nicht ausgelöst wurde, weil die Bundesregierung nicht mittels Regierungsvorlage agiert hat?
  23. Haben Sie diesbezüglich Kritik geäußert?
  24. Wenn ja, in welcher Form?
  25. Wenn nein, warum nicht?
  26. Sollen Gemeinden bei der Bereitstellung von Unterkünften durch das Land (zB mittels Bedarfszuweisungen) unterstützt werden?
  27. Wenn ja, in welcher Höhe und in welcher Form?
  28. Wenn nein, warum nicht?
  29. Sie erklärten im Rahmen einer Pressekonferenz, dass die Steiermark keine weiteren Großquartiere wolle und „den Weg der kleinen Unterkünfte“ gehen will. Wie soll verhindert werden, dass über das „Durchgriffsrecht“, Quartiere mit bis zu 450 Asylwerbern pro Liegenschaft in steirischen Gemeinden entstehen können?

Unterschrift(en):
LTAbg. Christian Cramer (FPÖ), LTAbg. Dipl.-Ing. Gerald Deutschmann (FPÖ), LTAbg. Herbert Kober (FPÖ), LTAbg. Anton Kogler (FPÖ), LTAbg. Mario Kunasek (FPÖ), Dritter Landtagspräsident Dr. Gerhard Kurzmann (FPÖ), LTAbg. Liane Moitzi (FPÖ), LTAbg. Andrea Michaela Schartel (FPÖ)