LANDTAG STEIERMARK
XVII. GESETZGEBUNGSPERIODE


TOP 8

EZ/OZ 1522/5

Schriftlicher Bericht

Ausschuss: Gesundheit

Betreff:
Keine Verlagerung von medizinischen Leistungen zu Lasten der Bevölkerung

 

zu:
EZ 1522/1, Keine Verlagerung von medizinischen Leistungen zu Lasten der Bevölkerung (Selbstständiger Antrag von Abgeordneten (§ 21 GeoLT))

 

Der Ausschuss "Gesundheit" hat in seiner Sitzung am Dienstag, dem 27.06.2017 über den oben angeführten Gegenstand die Beratungen durchgeführt.

Mit Beschluss des Ausschusses für Gesundheit vom 04.04.2017 wurde die Steiermärkische Landesregierung ersucht, eine Stellungnahme zum Antrag, Einl.Zahl 1522/1, betreffend „Keine Verlagerung von medizinischen Leistungen zu Lasten der Bevölkerung“ abzugeben.

Aufgrund dieses Beschlusses erstattet die Steiermärkische Landesregierung folgende Stellungnahme:

„Die im Vorjahr in der Steiermark beschlossene Umsetzung der präoperativen Diagnostik in den Krankenanstalten hat für die Patientinnen und Patienten zahlreiche Vorteile:

  • Die Festlegung der erforderlichen Untersuchungen vor einer Operation wird von den Fachleuten getroffen, die die Patientinnen und Patienten unmittelbar vor, während und nach der Operation betreuen und die am besten wissen, was notwendig ist.

  • Sie erspart unnötige Wege, da alle Untersuchungen an einem Ort durchgeführt werden.

  • Die Zahl der – durch die Umsetzung der diesem Beschluss zugrundeliegenden evidenzbasierten Leitlinie – erforderlichen Untersuchungen ist deutlich geringer als die bisher übliche Praxis, damit entfallen Belastungen wie Strahlenbelastung bei Lungen-Röntgen oder die Belastung einer weiteren Blutabnahme.

  • Andererseits ist sichergestellt, dass basierend auf den Leitlinien indizierte Untersuchungen tatsächlich durchgeführt werden.

Nachdem in der Vergangenheit kein einheitlicher Untersuchungsstandard vorlag, variierten die Untersuchungen vor geplanten Operationen in Abhängigkeit von der aufgesuchten Ärztin bzw. vom aufgesuchten Arzt oder dem aufgesuchten Krankenhaus. Meistens wurden v.a. bei Personen älter als 40 Jahre zahlreiche Untersuchungen auch bei kleinen Operationen durchgeführt. Ebenso waren die Abläufe für die präoperative Diagnostik sehr unterschiedlich.

Die Fachleute sind sich jedoch einig und es ist wissenschaftlich belegt: Die vor einer Operation erforderlichen Untersuchungen hängen vom geplanten Eingriff und vom Gesundheitszustand der jeweiligen Patientin bzw. des jeweiligen Patienten ab. Die Erhebung der Vorgeschichte und die körperliche Untersuchung der Patientin bzw. des Patienten sind die Basis der präoperativen Diagnostik und stehen im Vordergrund. Ausschließlich vom kalendarischen Alter abhängige routinemäßige Untersuchungen, z.B. EKG ab 40 Jahre, Lungenröntgen ab 50 Jahre oder internistischer Fachbefund ab 40 Jahre, haben keinen Einfluss auf das Anästhesierisiko, den Operationsverlauf und das Operationsergebnis. Sie stellen eine unnötige Belastung für die Patientin bzw. den Patienten dar und verursachen unnötige Kosten.

Die Nachteile der traditionellen Praxis stellen sich zusammengefasst folgend dar:

  • Erhebung unnötiger Befunde zur Beurteilung des Operations- und Narkoserisikos: Erbringung medizinisch nicht angezeigter Befunde; Durchführung vieler Untersuchungen, die nicht von den Leitlinien gefordert werden; große Variabilität zwischen einzelnen Anbietern.

  • Unnötige Patientenwege: Patientinnen und Patienten werden z.B. vor einer geplanten Operation vom Krankenhaus zur Befunderhebung in den niedergelassenen Bereich und hier teilweise zu verschiedenen Ordinationen sowie Instituten verwiesen; im Vorfeld ist jedoch meist zumindest ein ambulanter Kontakt mit dem Krankenhaus erforderlich.

  • Doppel- und Mehrfachuntersuchungen: Befundung wird oftmals im stationären Bereich noch einmal durchgeführt, obwohl bereits im extramuralen Bereich Befunde erhoben wurden.

Die Österreichische Gesellschaft für Anästhesie und Intensivmedizin (ÖGARI) – als Vertreterin der Ärztegruppe, die Patientinnen und Patienten unmittelbar vor, während und nach einer Operation betreut – erarbeitete bereits im Jahr 2008 eine evidenzbasierte Leitlinie, die beschreibt, welche Untersuchungen in Abhängigkeit vom geplanten Eingriff und dem Gesundheitszustand der Patientin bzw. des Patienten vor einer geplanten Operation erforderlich sind. Mit Hilfe der Leitlinie werden die Untersuchungen für jede Patientin bzw. jeden Patienten von der Narkosefachärztin bzw. vom Narkosefacharzt individuell festgelegt, sodass die für die Patientensicherheit notwendigen Befunde tatsächlich erhoben und unnötige vermieden werden. Mit dieser Leitlinie erfolgt ein Paradigmenwechsel: Befunde werden auf die Erfordernisse der Patientinnen sowie Patienten und des Eingriffs abgestimmt und nicht mehr schematisch – wie bislang üblich – nach Alter erhoben. In den meisten Fällen bedeutet das, dass deutlich weniger Untersuchungen durchgeführt werden. Diese Leitlinie wurde mit allen relevanten Fachgesellschaften (Innere Medizin, Chirurgie, Radiologie, Laboratoriumsmedizin, Allgemeinmedizin) konsensuell verabschiedet.

Im Auftrag der Bundesgesundheitsagentur wurde im Jahr 2011 von der Gesundheit Österreich die „Bundesqualitätsleitlinie zur integrierten Versorgung von erwachsenen Patientinnen und Patienten für die präoperative Diagnostik bei elektiven Eingriffen (BQLL Präop)“ unter Einbeziehung von Fachexpertinnen und -experten sowie Bund, Ländern und Sozialversicherung erarbeitet. Die BQLL Präop stellt die Versorgungsprozesse dar und stützt sich medizinisch auf die ÖGARI-Leitlinie. Sie wurde im November 2011 von der Bundesgesundheitskommission beschlossen und zur Umsetzung empfohlen.

Auch im Bundes-Zielsteuerungsvertrag 2013-2016 wurden Ziele zu „Präoperative Diagnostik vor elektiven Eingriffen“ vereinbart.

Ein umfangreicher Abstimmungsprozess ist der Entscheidung zur Umsetzung der präoperativen Diagnostik in den Krankenanstalten in der Steiermark im November 2016 vorangegangen. Die Vertreterinnen und Vertreter der Anästhesiefachärztinnen und -ärzte plädierten eindringlich dafür, als Berufsgruppe, die die Patientinnen und Patienten perioperativ betreut, an Hand der Leitlinie die Entscheidung über die erforderlichen Befunde zu treffen. Dadurch wird das Risiko für Doppelbefundungen und Befundnachforderungen minimiert.

Die Entscheidung, die Untersuchungen intramural durchzuführen, kommt in erster Linie den Patientinnen und Patienten entgegen, die im Rahmen eines „One stop shops“ alle erforderlichen Befunde erheben lassen können. Dass dies von den Betroffenen sehr geschätzt wird, lässt sich aus Rückmeldungen von vergleichbaren Projekten in anderen Bundesländern schließen.

Die Verlagerung der präoperativen Diagnostik an den Ort der Operation und in die Hände der unmittelbar Betreuenden trägt jedoch nicht nur zur Steigerung der Patientenzufriedenheit, sondern auch der Qualität bei. Die Narkosärztinnen und -ärzte kennen die Risiken der einzelnen Eingriffe, können sich bei Bedarf im kurzen Weg mit den Operateuren absprechen und sind letztendlich auch für die getroffene Auswahl an Untersuchungen verantwortlich.

Bereits bisher wurden in der Steiermark viele präoperative Untersuchungen intramural durchgeführt. Durch die konsequente Anwendung der Leitlinie sollte die Anzahl der Untersuchungen pro Patientin bzw. Patient deutlich zurückgehen und damit die zusätzliche Belastung in den Spitalsambulanzen im Rahmen bleiben.

Niedergelassene Ärztinnen und Ärzte, die zunehmend insbesondere in der Allgemeinmedizin und im ländlichen Raum mit Nachwuchsproblemen kämpfen, sollten die Entlastung von diesen Aufgaben begrüßen. Somit können sie ihre knappen Ressourcen für ihre Kernaufgaben nutzen.

Bereits bisher wurde der Großteil der präoperativen Untersuchungen im Krankenhaus durchgeführt. Mit der Sozialversicherung wurde vereinbart, dass diese aufgrund der berechneten Leistungsverschiebung Zahlungen in der Höhe von € 2 Mio. jährlich an den Gesundheitsfonds Steiermark leistet. Diese werden vom Gesundheitsfonds zur Gänze an die Krankenanstalten weitergegeben.“

 

Es wird daher der

Antrag

gestellt:

Der Landtag wolle beschließen:

Der Bericht des Ausschusses für Gesundheit zum Antrag, EZ 1522/1, „Keine Verlagerung von medizinischen Leistungen zu Lasten der Bevölkerung“, der Abgeordneten der FPÖ wird zur Kenntnis genommen.

 

 

 

Die Obfraustellvertreterin:
LTAbg. Barbara Riener