LANDTAG STEIERMARK
XVII. GESETZGEBUNGSPERIODE


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EZ/OZ 2371/5

Schriftlicher Bericht

Ausschuss: Europa

Betreff:
Neufassung der EU-Trinkwasserrichtlinie und Verdreifachung des Wasserpreises verhindern!

 

zu:
EZ 2371/1, Neufassung der EU-Trinkwasserrichtlinie und Verdreifachung des Wasserpreises verhindern! (Selbstständiger Antrag von Abgeordneten (§ 21 GeoLT))

 

Der Ausschuss "Europa" hat in seiner Sitzung am Dienstag, dem 11.09.2018 über den oben angeführten Gegenstand die Beratungen durchgeführt.

Mit Beschluss des Ausschusses für Europa vom 24.04.2018 wurde die Steiermärkische Landesregierung ersucht, eine Stellungnahme zum Antrag, Einl.Zahl 2371/1, betreffend „Neufassung der EU-Trinkwasserrichtlinie und Verdreifachung des Wasserpreises verhindern!“, abzugeben.

Aufgrund dieses Beschlusses erstattet die Steiermärkische Landesregierung folgende Stellungnahme:

„Einleitend sei angemerkt, dass es sich bei dem am 1. Februar 2018 von der Kommission vorgelegten „Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Qualität von Wasser für den menschlichen Gebrauch“ um den Vorschlag für eine Neufassung der derzeit noch geltenden Richtlinie 98/83/EG (in der Folge Trinkwasser-RL genannt) handelt. Die darin befindlichen 48 Parameter, die von den Versorgungsunternehmen getestet und erfasst werden müssen, wurden vor 20 Jahren festgelegt und orientieren sich an den damaligen Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation WHO.

Die Neufassung hat zum Ziel, die Qualitätsüberwachung von Trinkwasser an die Erkenntnisse der vergangenen 20 Jahre anzupassen und auf die Anliegen der ersten europäischen Bürgerinitiative „Right2Water“ einzugehen, die 1,8 Mio. Bürgerinnen und Bürger unterzeichnet haben. Mit 57.643 Unterschriften gab es dafür überdurchschnittlich viele Unterstützerinnen und Unterstützer aus Österreich, die sich u.a. für einen „universellen Zugang zu Wasser und sanitärer Grundversorgung“ ausgesprochen haben. Die Kommission hatte sich in ihrer Antwort auf Right2Water verpflichtet, die Trinkwasser-RL auf deren Effizienz und Leistungsfähigkeit einer Überprüfung zu unterziehen. Diese Evaluierung hat einen Verbesserungsbedarf in vier Bereichen aufgezeigt:

  • die Liste der Parameter, welche nicht mehr den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen und    Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation WHO entspricht,

  • das Fehlen eines risikobasierten Ansatzes,

  • mangelnde Transparenz und Zugang zu aktuellen Informationen für Verbraucherinnen und Verbraucher über die Qualität des Wassers sowie

  • die einheitliche Regelung von Materialien, die mit Trinkwasser in Berührung kommen.

Folgende Änderungen wurden von der Europäischen Kommission im Wesentlichen vorgeschlagen:

Die bisherigen Parameterwerte der Trinkwasser-RL beruhen auf alten Leitlinien der Weltgesundheitsorganisation, die in der Zwischenzeit überarbeitet wurden. Auf diese Leitlinien der WHO geht der jetzige Vorschlag der Kommission großteils ein, wobei jedoch teilweise in dem Vorschlag von den WHO Leitlinien abgewichen wird.

Fünf Parameter (Benzol, Zyanid, 1,2-Dichlorethan, Quecksilber, PAH) sollen aufgrund ihres geringen Vorkommens in Trinkwasser aus der Richtlinie gestrichen werden, könnten aber mittels nationaler Regeln beibehalten werden. Für Chlorat und Chlorit schlägt die Kommission einen deutlich strengeren Grenzwert als die WHO vor, da diese Stoffe die Jodaufnahme des Körpers behindern können. Vor allem bei Säuglingen und Kleinkindern bestehe die Gefahr einer Überexposition, so die Kommission. 40-60% der gesamten Chlorat-Aufnahme von Kindern sei auf Trinkwasser zurückzuführen. Bei beiden Stoffen handelt es sich v.a. um Nebenprodukte der Desinfektion. Perfluorierte Verbindungen kommen in Grundwasser vor, unter anderem infolge der Bodenkontamination durch Feuerlöschschäume, die sich in diese und andere Stoffe zersetzen. Sie können jedoch auch aus Quellen industrieller Umweltverschmutzung und von Produkten aus wasser- und fettabweisendem Material stammen. Einige dieser Verbindungen gelten als „sehr persistente und bioakkumulierbare Stoffe“. Es gibt bisher noch keinen europäischen Rechtsakt, der die gesamte Gruppe dieser Stoffe regelt. Die nun von der Europäischen Kommission vorgeschlagenen Grenzwerte liegen über jenen, welche die Vereinigten Staaten sowie Schweden bereits anwenden, weshalb diese von der Kommission in der Folgenabschätzung als „für problemlos realisierbar“ angesehen werden. Ebenfalls in die Parameterliste aufgenommen werden sollen laut dem vorliegenden Vorschlag drei Stoffe mit endokriner Wirkung. Für Chrom und Blei sollen die Parameterwerte nach einer Übergangszeit von zehn Jahren um die Hälfte gesenkt werden.

Neu hinzukommen soll eine Verpflichtung zur Durchführung von Gefahrenbewertungen von Wasserkörpern, die zur Entnahme von Trinkwasser genutzt werden. Der Vorschlag legt die Entnahmestellen, Gefahren und Verschmutzungsquellen sowie die Überwachungsparameter fest, die für die ermittelten Gefahren und Verschmutzungsquellen jeweils relevant sind. Je nach Ergebnis dieser Gefahrenbewertung können die Mitgliedstaaten dem Vorschlag zufolge entscheiden, wie sie vorgehen. Sie können demnach Versorgungsunternehmen von der weiteren Aufbereitung und/oder Überwachung freistellen oder diese zur weiteren Aufbereitung oder Überwachung verpflichten. Es könnten auch Präventionsmaßnahmen für den Schutz des Gebietes, in dem das Trinkwasser entnommen wird, angeordnet oder Schutzmaßnahmen direkt an der Verschmutzungsquelle gesetzt werden (Artikel 8 des Vorschlags). Die Verpflichtung von Versorgungsunternehmen, das Versorgungsrisiko zu bewerten, gibt es bereits seit 2015. Mit dem vorliegenden Vorschlag sollen nun technische Spezifikationen für die Anpassung der Überwachungshäufigkeit neu in die Trinkwasser-RL aufgenommen werden.  Ebenfalls neu hinzukommen soll die Verpflichtung zur Bewertung der Risiken in Hausinstallationen im Zusammenhang mit den verwendeten Materialien, die mit dem Trinkwasser in Berührung kommen sowie eine Überwachung von Blei und Legionella-Bakterien, von denen laut WHO das größte Gesundheitsrisiko ausgeht.

Um den Wünschen der Europäischen Bürgerinitiative „Right2Water“ zu entsprechen, schlägt die Europäische Kommission vor, eine Verpflichtung für die Mitgliedstaaten einzuführen um den Zugang zu und die Nutzung von Trinkwasser für bisher ausgegrenzte Bevölkerungsgruppen zu verbessern sowie online Zugang zu Informationen bereit zu stellen. Darüber hinaus sollen die Mitgliedstaaten die Nutzung von Leitungswasser in öffentlichen Gebäuden und Restaurants sowie über frei zugängliche Trinkwasseranlagen verbessern, um den Einsatz von Plastikflaschen zu reduzieren.

Die Anhänge des vorliegenden Kommissionsvorschlags sehen eine Regelung der Häufigkeiten der Überwachung der chemischen und mikrobiologischen Parameter vor, wobei die Überwachung der Schlüsselparameter konkret vorgegeben sind, während alle anderen Parameter abhängig von der Risikobewertung auch deutlich seltener überwacht werden können.

Folgende Kosten werden durch den nun vorliegenden Vorschlag von der Kommission erwartet:

In ihrer Folgenabschätzung geht die Europäische Kommission von zusätzlichen Kosten in Höhe von 5,9 bis 7,3 Mrd. Euro aus, die hauptsächlich an die Verbraucherinnen und Verbraucher weitergegeben würden. Durch die Maßnahmen würden sich die Ausgaben der privaten Haushalte für Wasserdienstleistungen von 0,73% auf bis zu 0,76% des durchschnittlichen Haushaltseinkommens erhöhen, so die Europäische Kommission. Die Mitgliedstaaten hätten jedoch einen Ermessensspielraum in Bezug auf die Gewährung von Subventionen. Die Verringerung des Verbrauchs von Wasser in Flaschen könne mit 600 Mio. Euro dazu beitragen, die Kosten der Haushalte zu kompensieren.

Erste Reaktionen auf den Kommissionsvorschlag:

Das Europäische Parlament hat Anfang März 2018 Michel Dantin (FR/EVP) zum Berichterstatter für diesen Vorschlag bestellt. Die Neufassung der Trinkwasser-RL soll noch in der laufenden Legislaturperiode vor Mai 2019 zum Abschluss gebracht werden. Michel Dantin betonte im Mai 2018 im Rahmen eines Parlamentshearings, dass er es nicht für zielführend halte, strengere Parameter als von der WHO empfohlen festzulegen. Er verwies auf die substantiellen Kosten für die Wasserversorger, die dadurch entstünden. Der EP-Berichterstatter vertritt die Ansicht, dass eine Liste von Parametern „zur Beobachtung“ zielführend sei um auf neue wissenschaftliche Erkenntnisse reagieren zu können. Nach seinen Vorstellungen sollten die Mitgliedstaaten für die Einhaltung der Normen der Wasserqualität verantwortlich bleiben. Sie sollten im Falle einer Überschreitung der Grenzwerte die dadurch ev. bestehenden Risiken für die menschliche Gesundheit beurteilen, da nicht jede Grenzwertüberschreitung zugleich ein potentielles Gesundheitsrisiko darstelle. Der von der Kommission vorgeschlagene risikobasierte Ansatz solle die Möglichkeiten der Versorgungsunternehmen entsprechend deren Größe berücksichtigen, weshalb Anpassungen für kleine und mittelgroße Versorgungsunternehmen notwendig seien. Bei den Hausinstallationen verweist der EP-Berichterstatter auf das Subsidiaritätsprinzip. Zu den Baumaterialien, die mit Trinkwasser in Berührung kommen, wünscht sich Michel Dantin eine harmonisierte Vorgehensweise und die Festlegung von minimalen Qualitätsnormen.

Der vorläufige Zeitplan des Europäischen Parlaments sieht die Abstimmung im Umweltausschuss für 10. September und die Abstimmung im Plenum im November 2018 vor.

Die bulgarische Präsidentschaft hat in der Ratsarbeitsgruppe den gesamten Text Artikel für Artikel zur Diskussion gestellt und am 25. Juni 2018 im Rat Umwelt in einer sog. Orientierungsaussprache behandelt. Die wichtigsten Anliegen der Mitgliedstaaten wurden von der Ratspräsidentschaft wie folgt zusammengefasst: Es bestehen Sorgen in Bezug auf den zu erwartenden Verwaltungsaufwand, die finanziellen Kosten, einen möglichen Anstieg der Prüfhäufigkeit und die über die WHO-Empfehlungen hinausgehenden strikteren Parameterwerte.

Der EU-Ausschuss des österreichischen Bundesrates hat am 13. März 2018 eine Subsidiaritätsrüge (begründete Stellungnahme) zur vorgeschlagenen Novellierung der Trinkwasser-RL ausgesprochen, auch wenn die Ziele der Revision durchaus befürwortet werden. Der Ausschuss vertritt die Auffassung, dass die Bestimmungen dem Prinzip der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit widersprechen. Die Systemänderung hin zu einem risikobasierten Ansatz wird als nicht sinnvoll erachtet, in Bezug auf die Informationspflichten gegenüber der Öffentlichkeit wird ein erhöhter Verwaltungsaufwand befürchtet.

Der deutsche Bundesrat hat am 27. April 2018 einen Beschluss zum vorliegenden Vorschlag verabschiedet. Die Intentionen der Neuordnung und das Schutzziel werden darin anerkannt und ebenso ausdrücklich unterstützt wie der risikobasierte Ansatz und die Verbesserung der Transparenz. Kritisiert wird, dass Abstand von klaren Zuständigkeitsregeln genommen wird und die Aufgaben der Gesundheitsvorsorge, des Umweltschutzes, der Gesundheitsämter, der Wasserversorger und deren Aufsichtsbehörden vermischt werden. Der deutsche Bundesrat zeigt sich besorgt, dass die Versorgungsunternehmen unverhältnismäßig belastet werden könnten, und fordert, dass unverhältnismäßige Regelungen und ausufernde Kosten sowie eine dadurch verursachte erhebliche Verteuerung des Trinkwassers vermieden werden.

Der Ausschuss der Regionen (AdR) hat in seiner 129. Plenartagung am 16. Mai 2018 eine Stellungnahme zur Überarbeitung der Trinkwasser-Richtlinie verabschiedet. Von österreichischen Mitgliedern im AdR wurden Änderungsanträge dahingehend eingebracht, dass die bereits jetzt bestehenden Regelungen ausreichende Verpflichtungen zur Gewässerzustandsüberwachung beinhalten, eine Systemänderung auf den risikobasierten Ansatz überschießend sei und keinen Zusatznutzen mit sich bringe. Darüber hinaus vertraten die österreichischen AdR-Mitglieder die Auffassung, dass angepasste Regeln für Kleinstversorgungsanlagen nicht durch Bestimmungen der Richtlinie erfasst werden sollten, sondern angepasste und maßgeschneiderte Regeln der Mitgliedstaaten dafür ausreichend seien.“

Es wird daher der

Antrag

gestellt:

Der Landtag wolle beschließen:

Der Bericht des Ausschusses für Europa zum Antrag, EZ 2371/1, „Neufassung der EU-Trinkwasserrichtlinie und Verdreifachung des Wasserpreises verhindern!“, der Abgeordneten der FPÖ wird zur Kenntnis genommen.

 

Der Obmann:
LTAbg. Lukas Schnitzer