EZ/OZ: 3277/1
Dringliche Anfrage (§ 68 GeoLT)
eingebracht am 24.04.2019, 14:40:26
Landtagsabgeordnete(r): LTAbg. Mag. Stefan Hermann (FPÖ), LTAbg. Christian Cramer (FPÖ), LTAbg. Dipl.-Ing. Gerald Deutschmann (FPÖ), LTAbg. Erich Hafner (FPÖ), LTAbg. Herbert Kober (FPÖ), LTAbg. Anton Kogler (FPÖ), LTAbg. Helga Kügerl (FPÖ), LTAbg. Arnd Meißl (FPÖ), Dritter Landtagspräsident Dr. Gerhard Kurzmann (FPÖ), LTAbg. Liane Moitzi (FPÖ), LTAbg. Albert Royer (FPÖ), LTAbg. Dipl.-Ing. Hedwig Staller (FPÖ), LTAbg. Marco Triller, BA MSc (FPÖ), LTAbg. Günter Wagner (FPÖ)
Fraktion(en): FPÖ
Regierungsmitglied(er): Landesrat Mag. Christopher Drexler
Betreff:
Erster Stresstest für neuen Ärzte-Bereitschaftsdienst offenbart umgehenden Handlungsbedarf
Mit 1. April dieses Jahres erfuhr der ärztliche Bereitschaftsdienst in der Steiermark eine gänzliche Neuaufstellung, im Zuge derer die Anzahl der Sprengel von 92 auf 24 reduziert wurde. Auf der Internetseite des Gesundheitsfonds Steiermark wird dieser Schritt damit gerechtfertigt, dass die Dienste in der Vergangenheit nicht mehr zur Gänze besetzt werden konnten, was auch zunehmend zu persönlichen Überlastungen einzelner Ärzte geführt habe. Darüber hinaus sei die Inanspruchnahme der Bereitschaftsdienste außerhalb der Ordinationszeiten nur zu einem geringen Ausmaß gegeben gewesen.
Die Neuregelung des Bereitschaftsdienstes solle künftig eine verbesserte Versorgung der Bevölkerung gewährleisten. Ein wesentliches Element des neuen Systems sei dabei das steiermarkweite Gesundheitstelefon, welches als zentrale Anlaufstelle für alle medizinischen Anliegen diene. Im Unterschied zum alten System sind alle zur selbständigen Berufsausübung berechtigten Ärzte für Allgemeinmedizin dazu berechtigt, in den Regionen ihrer Wahl am Bereitschaftsdienst teilzunehmen.
Zusammengefasst stellen sich laut den Verantwortlichen die Vorteile des neuen Bereitschaftsdienstes wie folgt dar:
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Grundsätzlich freiwillige Teilnahme
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Größerer Pool an Ärzten aufgrund erweitertem Teilnehmerkreis
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Mehr Ruhezeiten für teilnehmende Ärzte
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Deutlich höheres Honorar pro Stunde bei gleichzeitig geringeren Dienstzeiten
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Eine zeitnahe wöchentliche Auszahlung
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Visiten werden nur bei akutem Bedarf übermittelt
(Quelle: http://www.gesundheitsversorgung-steiermark.at/themen/bereitschaftsdienst)
Es steht außer Frage, dass das alte System in vielen steirischen Regionen nur mehr eine Scheinversorgung bot, da viele Dienste aufgrund fehlender Ärzte einfach unbesetzt geblieben sind. Zudem schreckten in der Vergangenheit viele junge Mediziner vor der Annahme einer Kassenarztstelle zurück, da sie sich nicht zu Bereitschaftsdiensten zwangsverpflichten lassen wollten. Eine Neuaufstellung war daher prinzipiell erforderlich. Nichtsdestotrotz darf nicht außer Acht gelassen werden, dass die Neugestaltung des Ärzte-Bereitschaftsdienstes im Vorfeld auch Bedenken auslöste. Ein Kritikpunkt der diensthabenden Mediziner betraf etwa die viel größeren Versorgungssprengel, die potentiell mehr Patienten und längere Fahrtstrecken zur Folge haben. Auch bemängelten einige Bezirke im Vorfeld, dass sie im alten System eine äußerst gute Abdeckung hatten und auf die unterschiedlichen regionalen Voraussetzungen und Ansprüche kaum eingegangen wurde.
Einige Wochen nach der Einführung des neuen Bereitschaftsdienstes gibt es nun die ersten Zwischenbilanzen in den steirischen Bezirken, die bestenfalls als durchwachsen bezeichnet werden können, wie auch eine umfassende Berichterstattung der „Kleinen Zeitung“ vom 20. April dieses Jahres offenbarte. Vorsichtig optimistisch zeigten sich gegenüber dem Printmedium die Ärzte in Bruck-Mürzzuschlag und Hartberg-Fürstenfeld, wobei jedoch die weiten Distanzen kritisiert wurden. In Leibnitz und Murtal sei es laut den befragten Medizinern noch zu früh für eine Bilanz, da viele Ärzte noch zuwarten würden. Auch in Weiz sei die Beteiligung am neuen System bisher noch recht überschaubar.
Auffallend negativ äußerte sich laut der „Kleinen Zeitung“ beispielsweise der Bezirksärztevertreter Bernhard Kowatsch zur Situation in der Südoststeiermark: „Es bestehe kein Interesse bei den Ärzten, mitzumachen. […] Die Voraussetzungen, wie sich die Ärzte konstruktive Arbeit vorstellen, seien nicht gegeben. Nach Ostern gibt es ein Gespräch mit dem Gesundheitsfonds.“ Ebenfalls kritisch zeigte man sich im Bezirk Leoben, wo im dort gelegenen Sprengel 7 nur 30 Prozent der Dienste besetzt werden konnten. Bezirksärztesprecher Martin Pauer macht dafür die Freiwilligkeit und unattraktive Rahmenbedingungen der Dienste verantwortlich. Besonders hart fiel das erste Fazit zum neuen Bereitschaftsdienst im Bezirk Liezen aus. Laut dem bekannten Schladminger Mediziner Georg Fritsch sei die Abdeckung von 100 auf 21 Prozent gesunken. Das System sei falsch aufgesetzt worden.
Bedenken am neuen Modell kommen auch aus der Bevölkerung. So berichtete die Murtaler Regionalausgabe der „Kleinen Zeitung“ am 24. April 2019 über folgendes Erlebnis, das einer Fohnsdorferin am Karsamstag widerfahren war: „[…] Ihr vierjähriger Sohn bekam Fieber und klagte über starke Ohrenschmerzen. ‚Also habe ich das Gesundheitstelefon angerufen.‘ Nach ‚ewigem Läuten‘ meldet sich ein Mitarbeiter des Roten Kreuzes – ‚und sagt, dass die Wartezeit aktuell mindestens zwei Stunden beträgt, bis sich am Gesundheitstelefon jemand meldet‘, ist die Mutter schockiert. Sie verweist am Telefon auf die starken Ohrenschmerzen des Kindes. ‚Da sagte mir der Mann, er habe keine Zeit, es könne ein akuter Notfall hereinkommen, während wir hier telefonieren.‘
Die besorgte Mutter bekommt die Telefonnummer der nächsten diensthabenden Ärztin, sieben Kilometer entfernt. Dort läuft allerdings nur der Anrufbeantworter mit der Ansage, dass die Ordination ab 1. April am Wochenende nicht mehr besetzt ist. Verzweifelt wendet sich die Frau schließlich an das LKH Leoben. Sie ist nicht die einzige: ‚Im Krankenhaus hat man mir gesagt, dass ich schon die siebente Anruferin aus der Region sei.‘ Schließlich fährt die Fohnsdorferin mit ihrem fiebernden Sohn ins rund 45 Kilometer entfernte Spital – ‚was hätte ich sonst tun sollen? Bis Montag kann mein Kind nicht warten‘. Im Krankenhaus bekommt der Bub Antibiotika und ist bereits auf dem Weg der Besserung. ‚Für mich ist das neue Gesundheitstelefon ein Witz‘, ist die Mutter allerdings nach wie vor empört. […]“
Der von Ärzteschaft und Patienten geäußerten Kritik schlossen sich auch zahlreiche Vertreter der Gemeindepolitik an, wie etwa der Präsident des Gemeindeforums Steiermark Otmar Hiebaum. Dieser bemängelte in der April-Ausgabe der „Hartmannsdorfer Nachrichten“, dass in vielen Bereichen der Steiermark, wie etwa in der Gemeinde Markt Hartmannsdorf, „großteils funktionierende Bereitschaftsmodelle ohne Information an die Gemeinden einfach außer Kraft gesetzt und durch etwas ‚Neues‘, jedoch nicht Funktionierendes ersetzt“ wurden. Laut Hiebaum seien alle Beteiligten aufgefordert, „ein funktionierendes Bereitschaftssystem zu entwickeln“. Eines sei für den Präsidenten des Gemeindeforums Steiermark nun klar: „Dieses Experiment wurde trotz Warnung durchgedrückt. Die Leidtragenden sind die Kranken und hilfsbedürftigen Bürger in den Regionen der Steiermark!“
Die von Medizinern und Patienten aufgezeigten Schwachpunkte beziehungsweise die Vorwürfe von Gemeindepolitikern, wonach diese nicht entsprechend über die Neuaufsetzung des Ärzte-Bereitschaftsdienstes informiert worden waren, müssen jedenfalls ernst genommen werden. In diesem Zusammenhang wird es jedenfalls zu wenig sein, darauf zu verweisen, dass es sich bei den aufgezeigten Problemen lediglich um Kinderkrankheiten des neuen Modells handelt, die sich in den kommenden Monaten und Jahren schon irgendwie legen werden. Vielmehr gilt es für die zuständigen Verantwortungsträger, umgehend entsprechende Maßnahmen zu ergreifen beziehungsweise Adaptierungen vorzunehmen, um die neue Systematik zum Wohle der steirischen Patienten weiterzuentwickeln. Schließlich stehen nach den Osterfeiertagen in den kommenden Wochen bereits die nächsten verlängerten Wochenenden an, an denen jedenfalls eine adäquate Gesundheitsversorgung für alle Steirer sichergestellt sein muss.
Es wird daher folgende
Dringliche Anfrage
gestellt:
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Wie viele Ärzte haben sich in den jeweiligen Bezirken bisher in das neue Bereitschaftsdienst-System eingemeldet und wie viele von ihnen haben bisher tatsächlich Dienste übernommen?
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Wie viele Ärzte müssten in den jeweiligen Bezirken eingemeldet sein, damit eine durchgehende Besetzung in sämtlichen Sprengeln mit hoher Wahrscheinlichkeit sichergestellt werden kann?
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Wie stellte sich die durchschnittliche Besetzung des neuen Bereitschaftsdienstes in den jeweiligen Sprengel seit dessen Einführung Anfang April dieses Jahres bisher dar?
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In welchen Sprengeln war der neue Bereitschaftsdienst am Karsamstag durchgehend besetzt?
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In welchen Sprengeln war der neue Bereitschaftsdienst am Ostersonntag durchgehend besetzt?
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In welchen Sprengeln war der neue Bereitschaftsdienst am Ostermontag durchgehend besetzt?
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Wie lange mussten Anrufer beim Gesundheitstelefon seit Einführung des neuen Systems durchschnittlich warten, um abseits von Notfällen eine entsprechende Beratung zu erhalten?
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Wie lange dauerte die anschließende Beratung durch die Mitarbeiter des Gesundheitstelefons durchschnittlich?
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In wie viel Prozent aller Fälle erwies sich diese Beratung als ausreichend, wie viel Prozent wurden an einen diensthabenden Arzt verwiesen, wie viel Prozent wurden durch das Rote Kreuz versorgt bzw. an Spitalsambulanzen verwiesen?
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Wie lange mussten Anrufer beim Gesundheitstelefon an den Osterfeiertagen durchschnittlich warten, um abseits von Notfällen eine entsprechende Beratung zu erhalten?
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Welche Kritikpunkte bzw. Verbesserungsvorschläge seitens der Ärzteschaft hinsichtlich des neuen Bereitschaftsdienst sind Ihnen bekannt?
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Welche Kritikpunkte bzw. Verbesserungsvorschläge seitens der Patienten hinsichtlich des neuen Bereitschaftsdienst sind Ihnen bekannt?
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Welche Maßnahmen bzw. Adaptierungen sind angedacht, um mehr Ärzte für den neuen Bereitschaftsdienst zu gewinnen bzw. um die Besetzungsrate in den einzelnen Sprengeln zu erhöhen und wann werden diese Maßnahmen bzw. Adaptierungen umgesetzt?
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Welche Maßnahmen bzw. Adaptierungen sind angedacht, um die Wartezeiten für Anrufer beim Gesundheitstelefon insbesondere an Wochenenden und Feiertagen zu verkürzen und wann werden diese Maßnahmen bzw. Adaptierungen umgesetzt?
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Was entgegnen Sie der Kritik des Präsidenten des Gemeindeforums Steiermark Otmar Hiebaum, wonach großteils funktionierende Bereitschaftsmodelle ohne Information an die Gemeinden einfach außer Kraft gesetzt wurden?
Unterschrift(en):
LTAbg. Mag. Stefan Hermann (FPÖ), LTAbg. Christian Cramer (FPÖ), LTAbg. Dipl.-Ing. Gerald Deutschmann (FPÖ), LTAbg. Erich Hafner (FPÖ), LTAbg. Herbert Kober (FPÖ), LTAbg. Anton Kogler (FPÖ), LTAbg. Helga Kügerl (FPÖ), LTAbg. Arnd Meißl (FPÖ), Dritter Landtagspräsident Dr. Gerhard Kurzmann (FPÖ), LTAbg. Liane Moitzi (FPÖ), LTAbg. Albert Royer (FPÖ), LTAbg. Dipl.-Ing. Hedwig Staller (FPÖ), LTAbg. Marco Triller, BA MSc (FPÖ), LTAbg. Günter Wagner (FPÖ)