TOP 36
EZ/OZ 3688/2
Schriftlicher Bericht
Ausschuss: Infrastruktur
Betreff:
Radverkehrsoffensive Großraum Graz auf Basis der „Radnetzstudie steirischer Kernballungsraum“, Anteil des Landes: € 50.000.000,00
zu:
EZ 3688/1, Radverkehrsoffensive Großraum Graz auf Basis der „Radnetzstudie steirischer Kernballungsraum“, Anteil des Landes: € 50.000.000,00 (Regierungsvorlage)
Der Ausschuss "Infrastruktur" hat in seiner Sitzung am Dienstag, dem 12.11.2019 über den oben angeführten Gegenstand die Beratungen durchgeführt.
Die Leistungsfähigkeit des Straßennetzes im steirischen Kernballungsraum (Großraum Graz) stößt an seine Grenzen. Die bauliche Verdichtung des Grazer Stadtgebietes und der Umlandgemeinden prognostiziert bis 2030 einen weiteren Einwohnerzuwachs von bis zu 20% (ÖROK) und der verfügbare öffentliche Raum bietet kaum mehr Möglichkeiten, zusätzliche (KFZ-affine) Straßeninfrastrukturen zu schaffen. Der ungebrochene Urbanisierungstrend und das stetig steigende individuelle Mobilitätsbedürfnis (Personenkilometer/Jahr) lässt ohne Mobilitätsverhaltensänderung in naher Zukunft vermehrt Stillstand des motorisierten Individualverkehrs im Stadtgebiet erwarten. Eine Verlagerung des innerstädtischen Kurzstreckenverkehrs auf das Fahrrad (rund 40% der Wege der Pkw-LenkerInnen sind kürzer als 5 Kilometer, etwas mehr als 60% sind kürzer als 10 Kilometer) erhöht die Kapazität für alle Verkehrsteilnehmer.
Ebenfalls einen Paradigmenwechsel im Mobilitätsverhalten bedarf das Erreichen der nationalen Klimaziele (COP 21, EU-2030-Klima- und Energierahmen). Allein die Tatsache, dass im Grazer Stadtgebiet täglich rund 370.000 Wege von der Grazer Wohnbevölkerung mit dem PKW erledigt werden, zeigt aufgrund der kurzen Distanzen das Potential für die aktive Mobilität. Die Radverkehrsoffensive ist auch eine Maßnahme zur Senkung der Feinstaubbelastung im steirischen Zentralraum. Sie wird maßgeblich zur Verbesserung der Luft- und Lebensqualität.
Eine Steigerung der Verkehrsleistung im Großraum Graz verbunden mit einem weiterhin lebenswerten öffentlichen Raum für die Wohnbevölkerung bedarf eines attraktiven Angebotes für aktive Mobilität (Rad- und Fußverkehr). Wie die Erfolgsstory der steirischen S-Bahn eindrucksvoll bestätigt, steht das Mobilitätsverhalten und die Verkehrsmittelwahl im direkten Zusammenhang mit der Qualität eines bedarfsgerechten Mobilitätsangebotes. Die quantitative und qualitative Verbesserung des Radverkehrsangebotes ist daher ein intelligenter und menschengerechter Weg der Raum- und Mobilitätsplanung. Der Ausbau der Radfahr-Infrastruktur ist in Zeiten knapper werdender Budgets der effizienteste Weg, die Verkehrsinfrastruktur an zukünftige Mobilitätsbedürfnisse anzupassen. Die Kilometerkosten für Radwege betragen nur einen Bruchteil jener für Autostraßen und öffentlichen Verkehr.
Die Radverkehrsoffensive Großraum Graz verfolgt NICHT das Ziel, Autos aus der Stadt zu verbannen, sondern durch die Attraktivierung des Radfahrens soll die Wahl des Verkehrsmittels bewusster in Richtung smartere Mobilität erfolgen. Der motorisierte Individualverkehr hat ebenso wie der öffentliche Verkehr und das Fahrrad spezifische Vor- und Nachteile. Tatsächlich ist der Pkw innerstädtisch meist langsamer als Straßenbahn oder Fahrrad. Insgesamt ist eine möglichst intelligente und den Mobilitätsbedürfnissen der Menschen (und nicht am Platzbedarf von Fahrzeugen) orientierte Aufteilung des öffentlichen Raumes anzustreben. Die Radverkehrsoffensive Großraum Graz in Umsetzung der Radverkehrsstrategie 2025 soll als ehrgeiziges Ziel den Anteil des Fahrrades im innerstädtischen Verkehr (derzeit rund 19%) in zehn Jahren verdoppeln. Es soll eine Radverkehrsinfrastruktur realisiert werden, welche die Bevölkerung zu einem „sanften“ Mobilitätsverhalten (Verkehrsmittelwahl) wie in beispielhaften europäischen Ballungsräumen (Städten) bewegt.
Nachdem die Umsetzung dieser für die lokale, regionale und nationale Ebene wichtigen Ziele auch ein wichtiger Beitrag zu den Zielen der Europäischen Kommission ist, wird für den Ausbau der Radverkehrsinfrastruktur im Großraum Graz eine Kofinanzierung zwischen Bund, Land Steiermark und Stadt Graz angestrebt.
Auf Basis der „Radnetzstudie Steirischer Kernballungsraum“ (kategorisiertes Systemnetz) sind in der Stadt Graz folgende Maßnahmen vorgesehen:
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Radschnellrouten (A-Netz) als Langstrecken zwischen Graz und den Umgebungsgemeinden mit dem Planungsprinzip hoher Geschwindigkeit am gesamten Streckenzug, mit bevorrangten Knotenpunkten, direkter Linienführung, einer Projektierungsgeschwindigkeit von mind. 30 km/h und einer Querschnittsform, die überholen ermöglicht
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Mittelstrecken (B-Netz) zur flächigen Erschließung mit dem Planungsprinzip der Netzwirkung, die Linienführung erfolgt nach Erfordernis mit bevorrangten Knotenpunkten, Projektierungsgeschwindigkeit mind. 20 km/h und einer Querschnittsform für hohe Kapazitäten (z.B. Rad-Highways entlang der Mur für rasche Nord-Süd-Verbindungen)
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Kurzstrecken (C-Netz) zur ergänzenden Erschließung mit dem Planungsprinzip der Erschließung von Potentialen, Linienführung und Knotenpunkte nach Erfordernis und einer Projektierungsgeschwindigkeit von mind. 20 km/h
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Ober- und unterirdische Fahrrad-Garagen in der Innenstadt
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Videoüberwachte Fahrrad-Abstellplätze (insbesondere bei intermodalen Schnittstellen)
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Beleuchtungsanlagen und Sicherheitseinrichtungen für Radwege
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Radfahr-Leitsysteme
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Flächendeckende Ladeinfrastruktur für E-Bikes
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Bewusstseinsbildung und Öffentlichkeitsarbeit im Sinne der Radverkehrsstrategie
Kosten und Finanzierung:
Die Gesamtkosten der Radverkehrsoffensive Großraum Graz werden auf rund € 100.000.000,-- geschätzt. Das Land Steiermark fördert die vorgenannten Maßnahmen im Rahmen der Radverkehrsstrategie Steiermark 2025 im Ausmaß von maximal 50 %. Der Rest wird von der Stadt Graz finanziert.
Zur Umsetzung und Förderung der gegenständlichen Maßnahmen ist ein entsprechender Fördervertrag zwischen Land Steiermark und der Stadt Graz abzuschließen. Die Förderbeiträge des Landes werden entsprechend der vereinbarten Kostenanteile und den tatsächlich anfallenden Kosten abgerechnet.
Bei Planung und Umsetzung der gegenständlichen Projekte hat stets eine inhaltliche Abstimmung zwischen den Vertragspartnern zu erfolgen. Grundsätzlich müssen Projekte mit hoher Priorität (A- und B-Netz) und durchgängigen Achsen vorrangig umgesetzt werden.
Die Beitragsleistung des Landes ist als Förderung im Sinne der Rahmenrichtlinie des Landes Steiermark qualifiziert und wird im Fördercontrolling erfasst.
Die Zahlungen des Landes in der Höhe von maximal € 50.000.000,00 erfolgen in 10 Tranchen beginnend im Jahr 2021 entsprechend der tatsächlichen Abrechnung für die Planungs- und Bauleistungen.
Für die Zahlungen des Landes in den Jahren 2021 bis 2030 sind die erforderlichen Mittel in der Höhe von insgesamt max. € 50.000.000,00 (jährlich je € 5 Mio.) im aktuellen und in den folgenden Finanzrahmen unter Berücksichtigung der jeweils gültigen Fiskalregeln gemäß Österreichischem Stabilitätspakt 2012 im Globalbudget „Verkehr“ zusätzlich zu berücksichtigen.
Eine Kofinanzierung von Planungen bzw. Umsetzungsprojekten im Großraum Graz kann vorbehaltlich den Beschlüssen in den regionalen Gremien auch durch Mittel des Regionalressorts (Globalbudget „Landes- und Regionalentwicklung, Statistik und GIS) / Steiermärkisches Landes- und Regionalentwicklungsgesetz erfolgen.
Etwaige vom Bund oder der EU – wie z.B. Mittel des Programms EFRE (Stadtumlandkooperationen und urbane Wachstumsimpulse bzw. Nachfolgeprogramme) – bereit gestellte Finanzierungsmittel reduzieren die Anteile der beiden Vertragspartner (Stadt Graz und Land Steiermark) zu gleichen Teilen.
Der Abschluss des erforderlichen Finanzierungsvertrages ist als Vorhaben gemäß § 47 Landeshaushaltsgesetz zu werten. Das Einvernehmen mit dem Landesfinanzreferenten wurde hergestellt.
Es wird daher der
Antrag
gestellt:
Der Landtag wolle beschließen:
- Der Landtag Steiermark bekennt sich zur Radverkehrsoffensive Großraum Graz auf Basis der vom VCÖ prämierten „Radnetzstudie steirischer Kernballungsraum“.
- Die Abteilung 16, Verkehr und Landeshochbau, wird ermächtigt, für die beschriebenen Maßnahmen Zahlungen in der Höhe von bis zu € 50.000.000,00 an die Stadt Graz zu leisten.
- Für die Zahlungen des Landes in den Jahren 2021 bis 2030 sind die erforderlichen Mittel in der Höhe von insgesamt max. € 50.000.000,00 (jährlich je € 5 Mio.) im aktuellen und in den folgenden Finanzrahmen unter Berücksichtigung der jeweils gültigen Fiskalregeln gemäß Österreichischem Stabilitätspakt 2012 im Globalbudget „Verkehr“ zusätzlich zu berücksichtigen.
Der Obfraustellvertreter:
LTAbg. Armin Forstner, MPA