EZ/OZ: 195/1
Dringliche Anfrage (§ 68 GeoLT)
eingebracht am 01.09.2015, 14:39:27
Landtagsabgeordnete(r): LTAbg. Hannes Amesbauer, BA (FPÖ), LTAbg. Marco Triller, BA MSc (FPÖ)
Fraktion(en): FPÖ
Zuständiger Ausschuss: -
Regierungsmitglied(er): Landesrat Mag. Christopher Drexler
Betreff:
Auswirkungen des Flüchtlingsstroms auf das steirische Gesundheitswesen
Infolge der fatalen Entwicklungen im Nahen Osten bzw. in vielen Teilen Afrikas bricht seit Monaten eine nicht enden wollende Flüchtlingswelle auf Österreich herein. Im Vergleich zum Vorjahr hat sich in der ersten Jahreshälfte 2015 die Anzahl der Asylwerber mehr als verdreifacht. Es gilt zu befürchten, dass sich dieser Multiplikator – bedingt vor allem durch den Flüchtlingsansturm im Sommer 2015 – noch wesentlich erhöhen wird.
Es steht folglich außer Frage, dass seitens der Politik akuter Handlungsbedarf besteht. Doch anstatt echte Lösungsansätze zu entwickeln, hört man seitens der rot-schwarzen Bundesregierung lediglich Ausreden, Beschwichtigungen und von koalitionsinternen Streitereien. Das zuletzt ausgearbeitete „Bundesverfassungsgesetz über die Unterbringung und Aufteilung von hilfs- und schutzbedürftigen Fremden“ ist Zeugnis der Hilflosigkeit, die in den Reihen von ÖVP, SPÖ und Grünen vorherrscht.
Dieses Unvermögen führt zu einer zunehmenden Verschärfung der Lage in den einzelnen Bundesländern. Sprach das Innenministerium im Mai noch von „bis zu 50.000 Flüchtlingen“, so wurde diese Zahl Woche für Woche nach oben revidiert. Mittlerweile geht man von 80.000 Asylwerbern im Jahr 2015 aus – Änderungen vorbehalten. Neben den budgetären, sozialen und demografischen Belastungen, die mit diesem unkontrollierten Flüchtlingsstrom zwangsläufig einhergehen, stellen die aktuellen Entwicklungen auch für unser steirisches Gesundheitswesen mannigfaltige Probleme dar:
1. Zusätzliche finanzielle Belastungen:
Bekanntermaßen wird die Betreuung und Grundversorgung von Asylwerbern und anderen hilfsbedürftigen Fremden in Österreich durch die Grundversorgungsvereinbarung – Art 15a B-VG (BGBl. Nr. I 80/2004) geregelt. Ziel der Vereinbarung ist die bundesweite Vereinheitlichung der Gewährleistung der vorübergehenden Grundversorgung für hilfs- und schutzbedürftige Fremde, die im Bundesgebiet im Rahmen der bestehenden verfassungsrechtlichen Kompetenzbereiche aufhältig sind. Art 6 Abs 1 leg cit regelt den Umfang der Grundversorgung für Flüchtlinge und umfasst bezüglich der medizinischen Versorgungsleistungen:
Die Durchführung einer medizinischen Untersuchung im Bedarfsfall bei der Erstaufnahme nach den Vorgaben der gesundheitsbehördlichen Aufsicht
Die Sicherung der Krankenversorgung im Sinne des ASVG durch Bezahlung der Krankenversicherungsbeiträge
Die Gewährung allenfalls darüber hinausgehender notwendiger, durch die Krankenversicherung nicht abgedeckter Leistungen nach Einzelfallprüfung
Maßnahmen für pflegebedürftige Personen
Die Gesamtkosten, die in Durchführung der Maßnahmen der Grundversorgungsvereinbarung entstehen, werden gem Art 10 Abs 1 leg cit zwischen Bund und Ländern im Verhältnis 60/40 aufgeteilt. Dauert ein Asylverfahren länger als zwölf Monate, so trägt der Bund die Kosten der Grundversorgung zu 100 Prozent (Art 11 Abs 4 leg cit).
Das Bundesverfassungsgesetz über die Unterbringung und Aufteilung von hilfs- und schutzbedürftigen Fremden würde die Anzahl der sich in der Steiermark befindlichen Asylwerber auf über 18.000 anschwellen lassen. Alle infolge zusätzlich anfallenden Krankenversicherungszahlungen und Maßnahmen für pflegebedürftige Flüchtlinge müssen zu 40 Prozent vom Land Steiermark finanziert werden. Es ist mehr als fraglich, ob diese Ausgaben vom aktuellen Budget ohne die Aufnahme weiterer Schulden gedeckt werden können.
Eine Abänderung des Kostentragungsverhältnisses zwischen Bund und Ländern ist jedoch keine Lösung, da dies lediglich eine Verlagerung der Aufwendungen bedeuten würde. Es besteht vielmehr dringender Handlungsbedarf den Leistungskatalog der Grundversorgung zu reformieren. So sollten Asylwerber nicht von Anfang an Anspruch auf eine volle Krankenversorgung im Sinne des ASVG erhalten, sondern die medizinische Versorgung zunächst auf Grundleistungen beschränkt werden, wie es etwa auch das deutsche Asylbewerberleistungsgesetz vorsieht.
Nach § 4 leg cit werden in den ersten 15 Monaten medizinische Versorgungsleistungen an Asylwerber nur bei akuter Krankheit bzw. akutem Behandlungsbedarf und bei schmerzhafter Krankheit erbracht. Leistungen für sonstige Behandlungen „können“ nach § 6 leg cit als Ermessensleistungen gewährt werden, soweit dies „zur Sicherung der Gesundheit unerlässlich“ ist.
Ähnliche Einschränkungen der medizinischen Leistungen für Asylwerber gibt es auch in anderen EU-Staaten und sollten auch in Österreich eingeführt werden.
2. Strukturelle Probleme:
Neben den finanziellen Belastungen würde die Aufnahme von über 18.000 Asylwerbern in der Steiermark auch zu großen strukturellen Problemen bei der medizinischen Versorgung führen. So stellt sich die Frage, wo all diese Menschen im Krankheitsfall medizinisch betreut werden sollen. Da nur wenige der verbliebenen Hausärzte noch weitere Patienten aufnehmen können, werden die meisten Asylwerber wohl vorrangig auf die steirischen Krankenanstalten ausweichen müssen. Doch gerade durch die Strukturreformen der letzten Jahre ist der intramurale Bereich für die massenhafte Versorgung ambulanter Patienten nicht mehr ausgestattet. Das medizinische Personal der steirischen Krankenhäuser ist aufgrund der Einsparungen bereits jetzt schon völlig überlastet. Wenn man dann noch hunderte Asylwerber behandeln muss, ist das völlige Chaos vorprogrammiert.
Auch die heimische Bevölkerung wird durch den Flüchtlingsansturm zusätzlichen Belastungen ausgesetzt. Schließlich werden durch die Versorgung der Asylwerber die Wartezeiten in den Krankenanstalten und bei den Hausärzten wesentlich verlängert. Dies zeigt sich etwa am Beispiel des Flüchtlingsgroßquartiers in Spital am Semmering. So berichtet die „Kleine Zeitung online“ am 04.08.2015 von Beschwerden seitens der Bevölkerung: „`Die Ambulanz am LKH Mürzzuschlag ist völlig überfüllt, dass man als Einheimische stundenlang warten muss`, ärgerte sich eine Patientin des Mürzer LKH. Auch bei den praktischen Ärzten soll der Andrang spürbar zugenommen haben.“
Zudem stellt sich die Frage, wie die auf die ganze Steiermark verteilten Flüchtlinge zu den Krankenhäusern bzw. den jeweiligen Hausärzten in den Nachbargemeinden transportiert werden sollen.
3. Gefahr potenzieller Epidemien:
In einem Schreiben vom 03.08.2015 informierte das Bundesministerium für Gesundheit über Schistosoma haematobium Infektionen in Südkorsika und Läuserückfallfieber in den Niederlanden. Konkret hatte das Schreiben folgenden Inhalt:
„Schistosoma haematobium Infektionen in Südkorsika
Am 7. Mai 2014 meldete das Französische Gesundheitsministerium Schistosomiasis-Fälle mit der wahrscheinlichen Infektionsquelle in Südkorsika (siehe BMG-20812/0019-III/4/2014 vom 09.05.2014 und BMG-20812/0031-III/4/2014 vom 20.06.2014).
Per 25.03.2015 wurden insgesamt 110 Fälle urogenitaler Schistosamiasis (Bilharziose) gemeldet, wobei 62% der Fälle zwischen 2011 und 2013 im Süden Korsikas eine Exposition im Fluss Cavu/Cavo hatten. Keine der Personen hatte eine Exposition in einem für Schistosoma spp. bekannten endemischen Gebiet (Afrika, Madagaskar, Mittlerer Osten).
Da die Erkrankung häufig eine lange Inkubationszeit hat und typischerweise oligosymptomatisch verläuft, sollte bei (Mikro-)Hämaturie und Reiseanamnese mit entsprechender Exposition in Südkorsika (retrospektive bis 2011) Bilharziose in die Differentialdiagnose miteingezogen werden.
Läuserückfallfieber in den Niederlanden
Am 07. und 09.07.2015 meldete das Holländische Gesundheitsministerium zwei Läuserückfallfieber-Fälle bei Asylsuchenden aus Eritrea.
Das Läuserückfallfieber wird durch den Erreger, Borrelia recurrentis, verursacht, der von Körperläusen übertragen wird. Die Erkrankung ist endemisch in Äthiopien, Sudan und Somalia. Läusebefall hängt mit niedrigem sozialökonomischen Status, Überbelegung und schlechter Körperhygiene zusammen.
Das Auftreten von Rückfallfieber bei Asylsuchenden aus Eritrea kommt nicht unerwartet; weitere importierte Fälle können in der EU bei anderen Migranten vorkommen, vor allem wenn diese mit Migranten aus endemischen Gebieten zusammen reisen.“
Wie einem weiteren Schreiben des Bundesministeriums für Gesundheit vom 05.08.2015 zu entnehmen ist, wurden 2015 von drei EU-Ländern (Dänemark, Schweden und Deutschland) bereits acht Fälle von Hautdiphtherie bei Flüchtlingen gemeldet, in Spanien verstarb ein Kind an Diphtherie. Österreich verzeichnete 2014 erstmals seit 20 Jahren wieder einen Fall von Hautdiphtherie und einen Fall von Wunddiphtherieverzeichnet.
Die Schreiben des Bundesministeriums für Gesundheit belegen eindeutig, dass die aktuellen Entwicklungen auch die Gefahr der Einschleppung von in Europa eigentlich längst ausgestorbenen Krankheiten mit sich bringen. Zusätzlich zu den sicherheitstechnischen Problemen, die Asyl-Massenquartiere ohnehin schon in sich bergen, kommt somit auch das Risiko des Ausbruches von potentiellen Epidemien hinzu.
Es wird daher folgende
Dringliche Anfrage
gestellt:
- Welche Kosten sind dem Land Steiermark im Jahr 2015 bisher – im Vergleich zum Vorjahr – durch Krankenversicherungszahlungen für Asylwerber erwachsen?
- Welche Kosten sind dem Land Steiermark in den Jahren 2010 bis 2013 durch Krankenversicherungszahlungen für Asylwerber erwachsen?
- Welche Kosten sind dem Land Steiermark im Jahr 2015 bisher – im Vergleich zum Vorjahr – durch die Gewährung darüber hinausgehender notwendiger, durch die Krankenversicherung nicht abgedeckter Leistungen für Asylwerber erwachsen?
- Welche Kosten sind dem Land Steiermark in den Jahren 2010 bis 2013 durch die Gewährung darüber hinausgehender notwendiger, durch die Krankenversicherung nicht abgedeckter Leistungen für Asylwerber erwachsen?
- Welche Kosten sind dem Land Steiermark im Jahr 2015 bisher – im Vergleich zum Vorjahr – durch Maßnahmen für pflegebedürftige Asylwerber erwachsen?
- Welche Kosten sind dem Land Steiermark in den Jahren 2010 bis 2013 durch Maßnahmen für pflegebedürftige Asylwerber erwachsen?
- Sind die beschriebenen Kosten durch das aktuelle Budget gedeckt oder müssen neue Schulden aufgenommen werden?
- Werden im nächsten Budget entsprechende Rücklagen gebildet werden?
- Gibt es Überlegungen seitens der Landesregierung, die Bundesregierung zu ersuchen, den Umfang der derzeit von der Grundversorgung für Flüchtlinge gedeckten medizinischen Versorgungsleistungen auf medizinische Grundleistungen zu beschränken (wie es bereits in anderen EU-Ländern der Fall ist)?
- Falls nein, warum nicht?
- Welche Maßnahmen werden bzw. wurden bereits ergriffen, um die steirischen Krankenanstalten von der ambulanten Behandlung zusätzlicher Asylwerber zu entlasten?
- Welche Maßnahmen werden bzw. wurden bereits ergriffen, um das Personal der steirischen Krankenanstalten in dieser Thematik zu unterstützen?
- Wurden seitens des Personals der steirischen Krankenanstalten Fälle gemeldet, wonach es vermehrt zu Behandlungsproblemen infolge von Verständigungsproblemen gekommen ist?
- Welche zusätzlichen Kosten werden dem Land Steiermark durch die Verteilung von bis zu 18.000 Asylwerber auf die gesamte Steiermark infolge der erschwerten strukturellen medizinischen Versorgung (zB durch zusätzliche Krankentransporte von Asylwerbern zu praktischen Ärzten) erwachsen?
- Wurden im Jahr 2015 in der Steiermark bereits Fälle von „tropischen Krankheiten“ (zB Schistosamiasis, Läuserückfallfieber oder Diphtherie) unter Asylwerbern gemeldet?
- Wenn ja, wann und welche?
- Wurden in den vergangenen 10 Jahren in der Steiermark bereits Fälle von „tropischen Krankheiten“ (zB Schistosamiasis, Läuserückfallfieber oder Diphtherie) unter Asylwerbern gemeldet?
- Wenn ja, wann und welche?
- Welche Präventionsmaßnahmen werden bzw. wurden bereits getroffen, um den Gefahren von potentiellen Epidemien – vor allem in Asyl-Massenquartieren – vorzubeugen?
Unterschrift(en):
LTAbg. Hannes Amesbauer, BA (FPÖ), LTAbg. Marco Triller, BA MSc (FPÖ)