EZ/OZ: 601/1
Selbstständiger Antrag von Abgeordneten (§ 21 GeoLT)
eingebracht am 12.02.2016, 13:01:02
Landtagsabgeordnete(r): LTAbg. Ing. Sabine Jungwirth (Grüne), LTAbg. Sandra Krautwaschl (Grüne), LTAbg. Lambert Schönleitner (Grüne)
Fraktion(en): Grüne
Zuständiger Ausschuss: Soziales
Regierungsmitglied(er): Landesrätin Mag. Doris Kampus
Betreff:
Stärkung des zweiten Arbeitsmarktes
Gemeinnützige, arbeitsmarktpolitische Unternehmen in Österreich leisten einen unverzichtbaren Beitrag für die Beschäftigungspolitik in Österreich und in der Steiermark.
arbeit plus (vormals: Bundesdachverband für Soziale Unternehmen, bdv austria) ist seit nunmehr 30 Jahren das Netzwerk gemeinnütziger, arbeitsmarktpolitischer Unternehmen in Österreich mit ca. 200 Mitgliedsbetrieben. Soziale Unternehmen haben den Anspruch, gleichzeitig wirtschaftlich erfolgreich zu sein und einen sozialen Integrationsauftrag durch qualitätsvolle und existenzsichernde Beschäftigung und Beratung zu erfüllen. Zudem wollen sie einen nachhaltigen Beitrag zu einem ressourcenschonenden und ökologischen Gleichgewicht leisten.
Soziale Unternehmen fördern Menschen, die auf dem Arbeitsmarkt benachteiligt sind, durch Beschäftigung, Beratung und Qualifizierung beim Einstieg oder Wiedereinstieg in das Erwerbsleben. Sie bringen soziale Innovation in die Unternehmenskultur ein und kooperieren mit anderen Unternehmen. Mit social profit sollen positive Kreisläufe in einem sozial und ökologisch nachhaltigen Wirtschaftsleben etabliert werden, das Frauen und Männern gleichermaßen Verwirklichungs- und Teilhabechancen am Erwerbsarbeitsmarkt ermöglicht. Die Angebote richten sich an unterschiedliche Gruppen, etwa langzeitbeschäftigungslose Personen, Menschen mit Beeinträchtigungen, Mädchen und Frauen, Jugendliche, ältere Menschen, MigrantInnen, Personen mit Suchterkrankungen oder Haftentlassene. Für den arbeitsmarktintegrativen Auftrag erhalten Soziale Unternehmen öffentliche Förderungen.
Soziale Unternehmen bieten einen Entwicklungsrahmen auf Zeit. Sie unterstützten dabei, bestehende Probleme im persönlichen Umfeld (Wohnungssuche, Schulden, Suchterkrankung, familiäre Schwierigkeiten etc.) zu lösen und vermitteln praxisorientiertes Wissen, was besonders Menschen mit niedrigem Bildungsstand zugute kommt.
Die Sozialen Unternehmen Österreichs vertreten folgende arbeitsmarktpolitischen Positionen (http://www.arbeitplus.at/netzwerk-sozialer-unternehmen/positionspapier/):
- Längerfristige und dauerhaft geförderte Arbeitsplätze für benachteiligte Menschen
arbeit plus setzt sich für die Schaffung von längerfristigen und dauerhaft geförderten Arbeitsplätzen ein. Menschen, für die aufgrund der aktuellen Rahmenbedingungen eine Stelle auf dem Regelarbeitsmarkt (noch) nicht realistisch scheint, erhalten die Chance auf eine existenzsichernde und sinnstiftende Beschäftigung.
- Ressortübergreifende Förderung eines geschlechtergerechten Arbeitsmarktes
arbeit plus setzt sich für ressortübergreifende, politische Maßnahmen zur Förderung der Chancengleichheit von Frauen und Männern und zur Verbesserung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie ein. Zudem befürworten wir eine geschlechtergerechte Arbeitsmarktpolitik, die die ökonomische Eigenständigkeit von Frauen fördert und weiblichen Biographien besser entspricht.
- Partizipation für arbeitssuchende Menschen statt „Generalverdacht“
arbeit plus setzt sich für mehr Partizipation ein. Gesellschaft und Politik dürfen arbeitssuchenden Menschen nicht (im Sinne eines „Generalverdachts“) mangelnde Arbeitswilligkeit unterstellen. Die Regierung soll die Zumutbarkeits- und Verfügbarkeitsbestimmungen entschärfen und die Mitbestimmung Arbeitssuchender stärken. Die Vermittlung auf befristete Stellen in Sozialen Unternehmen darf nur im Einvernehmen mit den Betroffenen erfolgen. Soziale Unternehmen sollen die Mitbestimmung ihrer Beschäftigten ebenfalls fördern.
- Modernere und flexiblere Rahmenbedingungen für Soziale Unternehmen
arbeit plus setzt sich für modernere und flexiblere Rahmenbedingungen für Soziale Unternehmen ein, um deren unternehmerische Freiheit auszuweiten, etwa durch flexiblere Verweildauern (= Dauer der befristeten Beschäftigung) der MitarbeiterInnen und eine gesetzlich festgeschriebene Finanzierung.
- Qualitätsvolle und nachhaltige Arbeitsmarktpolitik im Sinne der Menschen
arbeit plus setzt sich für eine Arbeitsmarktpolitik ein, die langfristige und nachhaltige Ziele verfolgt. Im Zentrum stehen die Bedürfnisse und Fähigkeiten der arbeitssuchenden Menschen. Damit dies möglich wird, ist eine Aufstockung der Ressourcen im AMS notwendig. Ziele wie Qualifizierung oder Stabilisierung der Menschen müssen in den Vordergrund rücken.
- Bildungsoffensive für Menschen mit niedriger schulischer Bildung
arbeit plus wünscht sich von der österreichischen Bundesregierung eine Qualifizierungsoffensive für Menschen mit geringer Schulbildung durch gezielte, modulare und niederschwellige Angebote.
- Umverteilung von Arbeit: Schaffung von Arbeitsplätzen durch Arbeitszeitverkürzung
arbeit plus macht sich stark für eine generelle Arbeitszeitverkürzung, in einem ersten Schritt auf eine 35-Stunden-Woche (bei vollem Lohnausgleich für untere und mittlere Einkommen), sowie für eine höhere Besteuerung von Überstunden (bei gleichzeitiger Entlastung des Faktors Arbeit).
- Öffentliche Vergabe als politisches Instrument wahrnehmen
arbeit plus ersucht die Bundesregierung, den Spielraum bei der Umsetzung der europäischen „Vergaberichtlinie“ voll auszunutzen: Bund, Länder und Gemeinden sollen dazu verpflichtet werden, beim Einkauf von Gütern und Dienstleistungen politische Ziele (z.B. Umweltfreundlichkeit, Beschäftigung langzeitarbeitsloser Menschen oder Frauenförderung) zu berücksichtigen. Weil Soziale Dienstleistungen die Teilhabe an wichtigen Grundbedürfnissen (Gesundheit, Wohnen etc.) sicherstellen, sollen sie weitgehend aus dem Vergaberecht ausgenommen bleiben.
Die 200 gemeinnützigen Mitgliedsunternehmen beschäftigen pro Jahr ca. 40.000 Menschen mit einer befristeten Stelle, um sie auf den Einstieg oder Wiedereinstieg in das Erwerbsleben vorzubereiten.
Es gibt neun Landesnetzwerke - in der Steiermark die Beschäftigungsbetriebe Steiermark (bbs). Im steirischen Netzwerk werden 22 gemeinnützige Beschäftigungsprojekte (GBP) und sozialökonomische Betriebe (SÖB) in allen steirischen Bezirken an 50 Standorten vereint. Das Angebot richtet sich an langzeitbeschäftigungslose Personen, Jugendliche, Personen 50+, Flüchtlinge, Wiedereinsteigerinnen, Menschen mit Behinderung und sozialbetreuungsintensive Personen.
Diese vom Arbeitsmarkt besonders benachteiligten Personen erhalten in einem zeitlich befristeten Dienstverhältnis (zwischen drei Monaten und einem Jahr) die Möglichkeit, berufliche Qualifikationen zu erwerben und gleichzeitig soziale und persönliche Arbeitshemmnisse abzubauen. Ziel ist es, die Transitarbeitskräfte durch intensive Betreuung auf den Wiedereintritt in den ersten Arbeitsmarkt vorzubereiten und in diesen zu reintegrieren. Insgesamt bietet das bbs Netzwerk rund 1.400 Transitarbeitsplätze mit rund 3.300 Transitdienstverhältnissen (zeitlich befristete Dienstverhältnisse) pro Jahr. Zudem arbeiten insgesamt rund 300 Schlüsselkräfte in diesen Betrieben. Die Tätigkeitsfelder liegen im Verkauf, in Re Use, Handwerk, Facility, Landschaftspflege, Büro und Produktion.
Bei den Transitarbeitskräften steigt die Gruppe der Personen über 50 Jahre stark an. Mehr als die Hälfte verfügt lediglich über einen Pflichtschulabschluss, nur ca. ein Drittel hat eine Lehre absolviert. Die durchschnittliche Arbeitslosigkeit vor dem Eintritt in ein Transitdienstverhältnis beträgt etwas mehr als zweieinhalb Jahre.
Das Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz gab jüngst die Arbeitsmarktdaten ifür den Jänner 2016 bekannt:
Ende Jänner 2016 hat die Arbeitslosigkeit die Zahl von 424.989 vorgemerkten Personen erreicht. Damit beträgt die aktuelle Arbeitslosenquote gemäß EUROSTAT 5,8 Prozent, das bedeutet einen Anstieg um 0,2 Prozentpunkte gegenüber dem Vorjahreswert.
An Personen waren das 18.750 bzw. 4,6 Prozent mehr als ein Jahr zuvor. Inklusive der Schulungsteilnahmen sind das 490.246 Personen, das bedeutet eine Zunahme gegenüber dem Vorjahr um 17.707 oder 3,7 Prozent.
Auch in der Steiermark verzeichnete die Arbeitsmarktstatistik eine Steigerung in der Arbeitslosigkeit insgesamt, vor allem unter Älteren (bei gleichzeitigem Rückgang unter Jüngeren). Ende Jänner waren 58.035 Personen arbeitslos vorgemerkt, 15.474 davon waren älter als 50 Jahre. Von den insgesamt 1.745 zusätzlichen Arbeitslosen im Jänner 2016 waren 1.599 über 50 Jahre alt. Aus folgenden Branchen kommen zurzeit immer mehr Arbeitslose: Reinigung, Tiefbau Büro/Verwaltung, Einzelhandel, Gastronomie. 7.395 Personen unter 25 waren Ende Jänner 2016 arbeitslos, damit waren es um 260 weniger als im Jänner 2015, vor allem die Altersgruppe 20 bis 24 schafft den Wiedereinstieg im Moment etwas leichter.
Es scheint nur mehr eine Frage der Zeit, bis in Österreich die Zahl von 500.000 arbeitssuchenden Personen erreicht wird. Daher muss auf allen Ebenen mit einer aktiven Arbeitsmarktpolitik gegengesteuert werden.
Hauptprobleme des Arbeitsmarktes sind der zunehmende Abbau bzw. das zunehmende Verschwinden von Arbeitsplätzen mit geringer Qualifikation, wie etwa im Reinigungsbereich. Gerade auch die öffentliche Hand hat in diesem Sektor massiv Arbeitsplätze abgebaut. Personen mit geringen Qualifikationen und mit zunehmendem Lebensalter sind für den ersten Arbeitsmarkt immer schwerer vermittelbar. Es findet auch ein starker Verdrängungswettbewerb durch qualifizierte Arbeitskräfte im HilfsarbeiterInnenbereich statt. Mehr als die Hälfte der Personen, die länger als ein Jahr arbeitssuchend sind, sind nur niedrig qualifiziert - mit stark steigender Tendenz.
Eine weitere besondere Herausforderung ist die Integration von Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt. Bei geringen Qualifikationen, mangelhaften Sprachkenntnissen und kulturellen Unterschieden müssen persönliche Arbeitshemnisse abgebaut und Chancen für die Integration eröffnet werden.
Eine weitere Gruppe, bei denen die Arbeitslosigkeit stark steigt, sind Personen mit physischen und psychischen Beeinträchtigungen, da der Zugang zur Invalididätspension eingeschränkt wurde.
In all diesen Bereichen braucht es verstärkte Maßnahmen im zweiten Arbeitsmarkt, um für diese Personen Chancen zu eröffnen. Zudem braucht es bei öffentlichen Auftragsvergaben rechtliche Rahmenbedingungen, Strategien und Strukturen für den Zugang von gemeinnützigen Beschäftigungsprojekten und sozialökonomischen Betriebe, welche benachteiligte Personengruppen beschäftigen bzw. Arbeitsplätze für diese schaffen.
Bei den Transitdienstverhältnissen ist auch mehr Flexibilität erforderlich: Durchlässigere Strukturen und Stufenmodelle sollen die Integration in den Arbeitsmarkt erleichtern von fallweiser, über Transit- zur dauerhaften Beschäftigung.
Es wird daher der
Antrag
gestellt:
Der Landtag wolle beschließen:
Die Landesregierung wird aufgefordert, ein Maßnahmenpaket zur Stärkung des zweiten Arbeitsmarktes zu erarbeiten und dem Landtag vorzulegen.
Unterschrift(en):
LTAbg. Ing. Sabine Jungwirth (Grüne), LTAbg. Sandra Krautwaschl (Grüne), LTAbg. Lambert Schönleitner (Grüne)