LANDTAG STEIERMARK
XVII. GESETZGEBUNGSPERIODE


TOP 17

EZ/OZ 3156/5

Schriftlicher Bericht

Ausschuss: Bildung

Betreff:
Grazer Vorzeigeprojekt „Deutsch als Schulsprache“ auf die gesamte Steiermark ausweiten

 

zu:
EZ 3156/1, Grazer Vorzeigeprojekt „Deutsch als Schulsprache“ auf die gesamte Steiermark ausweiten (Selbstständiger Antrag von Abgeordneten (§ 21 GeoLT))

 

Der Ausschuss "Bildung" hat in seiner Sitzung am Dienstag, dem 10.09.2019 über den oben angeführten Gegenstand die Beratungen durchgeführt.

Mit Beschluss des Ausschusses für Bildung  vom 26.03.2019 wurde die Steiermärkische Landesregierung ersucht, eine Stellungnahme zum Antrag, Einl.Zahl 3156/1, abzugeben.

Aufgrund dieses Beschlusses erstattet die Steiermärkische Landesregierung folgende Stellungnahme:

„In der gesellschaftlichen Debatte über Flucht, Migration und Integration besteht ein breiter Konsens darüber, dass der Erwerb von Deutsch als Zweitsprache zu den wichtigsten Grundlagen für ein gutes Zusammenleben in unserem Land zählt.

Jede Empfehlung, Deutsch als Zweitsprache in der Schule zu fördern, darf aus menschenrechtlicher Perspektive nicht als Aufforderung für ein Verbot der Muttersprache missverstanden werden.

Es ist bekannt, dass in der gegenständlichen Angelegenheit unterschiedlichste Rechtsmeinungen vertreten werden und diesbezüglich auch gegenteilige Privatgutachten erstellt wurden.

„Deutsch als Schulsprache“ bzw. das Verbot anderer Sprachen als Deutsch an der Schule außerhalb der Unterrichtszeit, insbesondere in den Pausen, wird im Hinblick auf das Recht auf Achtung des Privat- und Familienleben gemäß Art. 8 Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) als verfassungsrechtlich bedenklich gehalten.

Gemäß § 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Deutsch ist gemäß § 16 Abs. 1 Schulunterrichtsgesetz (SchUG) lediglich als „Unterrichtssprache“ normiert. Dass auch außerhalb der Unterrichtszeit, also insbesondere in den Pausen, die Unterrichtssprache zu sprechen ist, ist bundesgesetzlich zu regeln.

Im Rahmen des § 44 SchUG, der die Gestaltung des Schullebens und Qualitätssicherung regelt, besteht für Schulen die Möglichkeit, in der Hausordnung schuleigene Verhaltensvereinbarungen festzulegen. Die Hausordnung jedoch darf nicht gegen andere Gesetze bzw. verfassungsgesetzliche Regelungen verstoßen.

Sollte eine Hausordnung mit einer solchen Sprachregelung trotzdem beschlossen werden, dürfte eine Lehrerin/ein Lehrer diese Regelung aus dienstrechtlicher Sicht nicht vollziehen, da sie/er rechtskonform zu handeln hat.

Die Erteilung des Unterrichts und die Führung der Aufsicht sind zwei wesentliche Pflichten von LehrerInnen. Ein solches Projekt würde die Pausen und somit die Pausenaufsicht betreffen.

Pausen sind Unterbrechungen des Unterrichts und dienen im Wesentlichen der Erholung bzw. geistigen und körperlichen Regeneration der SchülerInnen. Die diesbezüglichen „Regenerationsmaßnahmen“ fallen in die Privatsphäre der SchülerInnen. Ob, mit wem und in welcher Sprache SchülerInnen miteinander sprechen, ist als privat anzusehen. Ein etwaiger Eingriff in die Privatsphäre wäre an den Kriterien des Art. 8 Abs. 2 EMRK zu messen. Ein Eingriff erscheint im Hinblick auf die dortigen Kriterien „öffentliche Ruhe und Ordnung, Schutz der Gesundheit und der Moral und Schutz der Rechte und Freiheiten anderer“ lediglich im Hinblick auf das Verhalten der Schülerin/des Schülers erforderlich, weshalb, den genannten Kriterien entsprechend, Schülerinnen und Schülern gem. §§ 21, 43 und 44 SchUG nur Verhaltenspflichten an der Schule auferlegt werden, die natürlich auch in den Pausen gelten. Ein staatlicher Eingriff in den privaten Sprachengebrauch, insbesondere ein Sprachverbot, erscheint jedenfalls nicht zwingend zur Aufrechterhaltung der genannten Rechtsgüter notwendig.

Betrachtet man dieses Projekt aus dienstrechtlicher Sicht, sprechen folgende Gründe dagegen:

Die Aufsichtsverpflichtung ist in § 51 Abs. 3 SchUG geregelt:

„Der Lehrer hat nach der jeweiligen Diensteinteilung die Schüler in der Schule auch 15 Minuten vor Beginn des Unterrichtes, in den Unterrichtspausen - ausgenommen die zwischen dem Vormittags- und dem Nachmittagsunterricht liegende Zeit - und unmittelbar nach Beendigung des Unterrichtes beim Verlassen der Schule sowie bei allen Schulveranstaltungen und schulbezogenen Veranstaltungen innerhalb und außerhalb des Schulhauses zu beaufsichtigen, soweit dies nach dem Alter und der geistigen Reife der Schüler erforderlich ist.

Hiebei hat er insbesondere auf die körperliche Sicherheit und auf die Gesundheit der Schüler zu achten und Gefahren nach Kräften abzuwehren.“

Zusammenfassend wird festgehalten: Deutsch als gemeinsame Sprache ist die Grundlage für den Bildungserfolg – in schulischen wie in beruflichen Bereichen, sowie Schlüssel zur gesellschaftlichen Teilhabe. Der Spracherwerb findet nicht nur mit der gesetzlich festgelegten Unterrichtssprache Deutsch statt, sondern, wie von DirektorInnen bestätigt, als gemeinsamer Nenner in der Kommunikation auch in der Pause. Die Aufgabe des Bildungssystems ist es hierbei, die beste Unterstützung zu ermöglichen, um diesem Anspruch gerecht zu werden, jedoch nicht Assimilationsdruck auszuüben.

Es wird daher der

Antrag

gestellt:

Der Landtag wolle beschließen:

Der Bericht des Ausschusses für Bildung zum Antrag der Abgeordneten der FPÖ, EZ 3156/1 betreffend "Grazer Vorzeigeprojekt „Deutsch als Schulsprache“ auf die gesamte Steiermark ausweiten" wird zur Kenntnis genommen.

 

 

 

Der Obmann:
LTAbg. Mag.Dr. Wolfgang Dolesch