EZ/OZ: 697/1
Schriftliche Anfrage an ein Mitglied der Landesregierung (§ 66 GeoLT)
eingebracht am 20.08.2020, 09:15:19
Landtagsabgeordnete(r): LTAbg. Sandra Krautwaschl (Grüne), LTAbg. Mag. Alexander Pinter (Grüne), LTAbg. Lambert Schönleitner (Grüne), LTAbg. Georg Schwarzl (Grüne), LTAbg. Veronika Nitsche, MBA (Grüne)
Fraktion(en): Grüne
Regierungsmitglied(er): Landesrat Johann Seitinger
Frist: 20.10.2020
Betreff:
Einsatz von Pestiziden nachhaltig reduzieren
Die in der Landwirtschaft umfassend eingesetzten Pestizide, auch Pflanzenschutzmittel genannt, bekämpfen Pflanzenschädlinge und reduzieren Unkraut. Doch ihre Verwendung ist mit Risiken verbunden, weil die meisten Pestizide Nebenwirkungen haben, die bei unsachgemäßem Einsatz Gesundheit und Umwelt schädigen können. Die Gesundheit von Mensch und Tier kann negativ beeinflusst werden. Leider äußert sich die Intensivierung der Landwirtschaft in vielfältigen nachteiligen Auswirkungen auf Mensch und Umwelt: Homogenisierung der Landschaft, Vergrößerung der einzelnen Ackerflächen und der damit verbundene Wegfall von Feldrainen und Gebüschen und eben der zunehmende Gebrauch von Mineraldünger und Pestiziden. Eine Folge ist auch der dramatische Rückgang der an die Landwirtschaft angepassten Flora und Fauna.
Derzeit sind in der EU nahezu 500 Pestizidwirkstoffe zur Verwendung zugelassen. Die Zahl der im Handel erhältlichen Pestizidformulierungen ist um einiges höher, da Pestizide in Form von unterschiedlich zusammengesetzten („formulierten“) Produkten verkauft werden. Die Datenlage ist unsicher, da in Österreich nur jene Mengen zentral erfasst werden, die verkauft werden. Wieviel davon auf unseren Feldern landet, weiß niemand. Zwar sind LandwirtInnen verpflichtet, die Ausbringung zu dokumentieren, aber eine Verpflichtung, diese Aufzeichnungen zu übermitteln, ist nicht vorgesehen.
Die Verordnung (EG) Nr. 1185/2009 vom 25. November 2009 verpflichtet die Mitgliedstaaten, Daten über den Absatz und die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln zu erheben und an die Europäische Kommission zu übermitteln. Die Mitgliedstaaten müssen diese Daten veröffentlichen, um der Öffentlichkeit Informationen bereitzustellen. Dafür ist aber eine systematische Erfassung, Auswertung und Verfügbarkeit sicherzustellen.
Die AGES (Österreichische Agentur für Ernährungssicherheit) wickelte im Auftrag des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft (BMLFUW) und der Bundesländer ein Projekt zur erstmaligen Auswertung der in der Landwirtschaft verwendeten Mengen von Pestiziden (2010 – 2014) ab. Dabei wurden die Mengen auf Basis einer Teilerhebung von Aufzeichnungen auf Erhebungsbetrieben (508 Erhebungsbetriebe mit einer Erhebungsfläche von 11.500 ha) sowie aus Daten aus den Saatgutzertifizierungsverfahren des Bundesamtes für Ernährungssicherheit (Quelle Anfragebeantwortung einer Anfrage der Grünen EZ/OZ: 1853/3, XVII. Gesetzgebungsperiode). Die LandesagrarreferentInnen-Konferenz beschloss im Juni 2017, die AGES ebenfalls mit dem Folgeprojekt für den Zeitraum 2015 – 2019 zu beauftragen.
Allerdings wurde/wird nur das erstmalige Inverkehrbringen in Österreich erhoben. Aus diesen Zahlen ist nicht ablesbar, welche Mengen an Pflanzenschutzmitteln zum Einsatz kommen bzw. im Handel und nach dem Verkauf in der Praxis (in der Landwirtschaft und außerlandwirtschaftlich) gelagert werden. Die Verwendung von Pflanzenschutzmitteln außerhalb der Landwirtschaft - u.a. in kommunalen Grünanlagen, auf Verkehrs- und Freizeitflächen sowie im Haus- und Kleingartenbereich – waren ebenfalls nicht Teil der Erhebung.
Aus einem neuen Bericht des Europäischen Rechnungshofs geht hervor, dass die EU-Maßnahmen wilden Bestäubern keinen Schutz geboten haben. Die Biodiversitätsstrategie für das Jahr 2020 blieb im Hinblick auf die Verhinderung ihres Rückgangs weitgehend wirkungslos. Der Rechnungshof kritisierte auch, dass im Rahmen der aktuellen EU-Rechtsvorschriften über Pestizide keine geeigneten Maßnahmen zum Schutz wilder Bestäuber bereitgestellt werden können. So wurde es Mitgliedstaaten ermöglicht, weiterhin Pestizide einzusetzen, von denen angenommen wird, dass sie für massive Verluste von Honigbienen verantwortlich sind. So wurden beispielsweise zwischen 2013 und 2019 206 Notfallzulassungen für die Verwendung von drei Neonicotinoiden (Imidacloprid, Thiamethoxam und Clothianidin) erteilt, obwohl ihre Verwendung seit 2013 beschränkt wurde und ihre Verwendung im Freien seit 2018 streng verboten ist. Quelle: https://www.eu-umweltbuero.at/inhalt/biodiversitaetsstrategie-der-eu-weitgehend-wirkungslos?ref=
Es wird daher folgende
Schriftliche Anfrage
gestellt:
1. Welche Strategien verfolgt die Landesregierung, um den Pestizideinsatz zu verringern?
2. Verfügen Sie über Daten, die die Verwendung von Pestiziden außerhalb der Landwirtschaft (kommunale Grünanlagen, Verkehrs- bzw. Freizeitflächen, Haus- und Kleingartenbereich) darstellen?
3. Wie oft und in welcher Form kontrolliert die zuständige Behörde die Aufzeichnungen über die Verwendung von sog. Pflanzenschutzmitteln in der Landwirtschaft?
4. Wieviele steirische Betriebe wurden als Erhebungsbetriebe für die Datenerhebung der landwirtschaftlichen Verwendung von Pestiziden durch die AGES für den Zeitraum 2015 – 2019 ausgewählt? Wie werden diese Betriebe ausgewählt und wer trifft die Auswahl?
5. Liegen bereits Ergebnisse für den Zeitraum 2015 – 2019 vor, und wie hat sich die Menge der in der Landwirtschaft verwendeten Pestizide im Vergleich zum Zeitraum 2010 – 2014 verändert?
6. Wurden für das Jahr 2020 Anträge auf Notfallzulassung für sog. Pflanzenschutzmittel mit den Wirkstoffen Imidacloprid, Thiamethoxam und Clothianidinim gestellt und von der Landesregierung bestätigt bzw. vom BAES genehmigt? Wenn ja, für wieviele Betriebe?
7. Was ergaben die Kontrollen bezüglich des Anbaus von insektizid gebeiztem Zuckerrübensaatgut im Jahr 2019?
8. Was ergab das durchzuführende Bienenmonitoring betreffend den Anbau von insektizid gebeiztem Zuckerrübensaatgut?
9. Im Rahmen eines Strategieprozesses wurde „u.a. dringend angeregt, die Forschung und die Entwicklung alternativer Pflanzenschutzmaßnahmen im Sinne der Ökologie und des nachhaltigen Bodenschutzes massiv voranzutreiben.“ Und weiter: „Es besteht auch die Bereitschaft, Forschungsprojekte zur Suche nach alternativen Bekämpfungsmöglichkeiten aus Landesmitteln zu unterstützen (z.B. im Rahmen der Bund-Bundesländer-Kooperation)“ Quelle: Anfragebeantwortung EZ/OZ 3221/2, XVII. Gesetzgebungsperiode. Wurden die Forschung und die Entwicklung alternativer Pflanzenschutzmaßnahmen im Sinne der Ökologie und des nachhaltigen Bodenschutzes massiv vorangetrieben? Wenn ja, wie konkret?
10. Konnte der Anteil der biologisch bewirtschafteten Flächen in der Steiermark gemäß dem steirischen Bio-Aktionsprogramm erhöht werden? Wenn ja, in welchem Ausmaß?
Unterschrift(en):
LTAbg. Sandra Krautwaschl (Grüne), LTAbg. Mag. Alexander Pinter (Grüne), LTAbg. Lambert Schönleitner (Grüne), LTAbg. Georg Schwarzl (Grüne), LTAbg. Veronika Nitsche, MBA (Grüne)