EZ/OZ: 1500/1
Schriftliche Anfrage an ein Mitglied der Landesregierung (§ 66 GeoLT)
eingebracht am 18.06.2021, 07:38:20
Landtagsabgeordnete(r): LTAbg. Sandra Krautwaschl (Grüne), LTAbg. Lambert Schönleitner (Grüne), LTAbg. Dipl.-Ing.(FH) Lara Köck (Grüne), LTAbg. Georg Schwarzl (Grüne), LTAbg. Veronika Nitsche, MBA (Grüne), LTAbg. Mag. Alexander Pinter (Grüne)
Fraktion(en): Grüne
Regierungsmitglied(er): Landesrätin Mag. Ursula Lackner
Frist: 18.08.2021
Betreff:
Vertragsverletzungsverfahren Aarhus
Im Mahnschreiben vom 10. Juli 2015 kommt die Europäische Kommission zur Auffassung, dass die Republik Österreich ihre Verpflichtung aus Artikel 9 Absatz 3 des Übereinkommens von Århus nicht ausreichend erfüllt hat, da sie insbesondere Nichtregierungsorganisationen keine Klagebefugnis einräumt, um vorgenommene Handlungen oder Unterlassungen in Umweltverfahren zu rügen. Daher forderte die Kommission Verbesserungen bei den Vorschriften über den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten.
Nach einem Urteil des EU-Gerichtshofs in einer ähnlichen Rechtssache im Jahr 2017 begann Österreich, das Übereinkommen von Aarhus in seine nationalen Rechtsvorschriften zur Umsetzung des EU-Umweltrechts aufzunehmen. In der Steiermark wurde im Oktober 2019 das geänderte Gesetz über Einrichtungen zum Schutze der Umwelt kundgemacht, das die Änderung in Bezug auf die Aarhus Konvention zum Inhalt hatte.
Im Juni 2021 meldete sich die EU Kommission zum laufenden Vertragsverletzungsverfahren zum Übereinkommen von Aarhus zu Wort: „Die Kommission fordert Österreich auf, die Anforderungen des Übereinkommens über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten (Übereinkommen von Aarhus) ordnungsgemäß umzusetzen.“ .... „Obwohl die von Österreich in den Jahren 2018 bis 2020 ergriffenen Maßnahmen einen Schritt in die richtige Richtung darstellen, hat die Kommission eine Reihe von noch verbleibenden und zusätzlichen Mängeln festgestellt. Insbesondere stellen die österreichischen Rechtsvorschriften in einigen wichtigen Fällen nicht sicher, dass die Öffentlichkeit Zugang zu einer gerichtlichen Überprüfung von Entscheidungen hat, die möglicherweise gegen das Umweltrecht verstoßen. Darüber hinaus ist die gerichtliche Überprüfung auf Einzelentscheidungen beschränkt und bezieht sich nicht auf Verwaltungsakte mit Verordnungscharakter. Ferner haben Einzelpersonen in vielen Fällen keinerlei Klagebefugnis.“ Vertragsverletzungsverfahren im Juni: wichtigste Beschlüsse (europa.eu)
Im Bericht der Steiermärkischen Landesregierung an den Landtag Steiermark über die "Entwicklungen in der Europäischen Union" betreffend das zweite Halbjahr 2020 ist allerdings zum Aarhus-Vertragsverletzungsverfahren Nr. 2014/4111 auf Seite 26 zu lesen: „Auf Länderebene wurde die Umsetzung in der Steiermark bereits im Gesetz über Einrichtungen zum Schutz der Umwelt vollständig umgesetzt.“
Offensichtlich ist die Aarhus Konvention aber nicht ausreichend umgesetzt, die EU Kommission betreibt das Vertragsverletzungsverfahren weiter und hat ein „ergänzendes Aufforderungsschreiben“ an Österreich gerichtet. Es sind nun zwei Monate Zeit, um auf das Schreiben zu antworten und die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen. Andernfalls kann die Kommission beschließen, eine mit Gründen versehene Stellungnahme zu übermitteln. Das heißt auch, es können Strafzahlungen auf die Steiermark zukommen, weil entgegen der Bedenken von Umweltschutzorganisationen und der Grünen eine unzureichende Umsetzung beschlossen wurde. Und dies 20 Jahre nach der Unterzeichnung der Konvention!
Aktuell gibt es ebenso VwGH-Erkenntnisse (Niederösterreich VwGH 16.2.2021, Ra 2019/10/0148 und 9.3.2021, Ra 2019/10/0094-11; Kärnten 22.3.2021, Ra 2020/10/0036), die sich mit den Aarhus-Anpassungsbestimmungen auseinandersetzen. Konkret ging es u.a. darum, dass Bescheide durch Umweltschutzorganisationen länger als ein Jahr rückwirkend anfechtbar sind. In einem etwas länger zurückliegenden Erkenntnis argumentiert der VwGH mit dem Inkrafttreten der Grundrechtecharta 2009. Das heißt, anerkannte Umweltorganisationen können als übergangene Parteien auch Jahre zurückliegende Naturschutzgenehmigungen anfechten. Da auch in der Steiermark die Rückwirkungsfrist mit einem Jahr begrenzt wurde, sind auch diese Bestimmungen zu sanieren und an das Europarecht anzupassen.
Es wird daher folgende
Schriftliche Anfrage
gestellt:
1. In welchem Ausmaß ist das Bundesland Steiermark vom Vertragsverletzungsverfahren zu Aarhus (ergänzendes Aufforderungsschreiben der EU Kommission) betroffen (bitte um volltextliche Übermittlung der betreffenden Textstellen) bzw. welche Beanstandungen hat die Kommission in Bezug auf die Steiermark geltend gemacht?
2. Wann wurde die Landesregierung über das ergänzende Aufforderungsschreiben informiert und lag eine Vorabfassung vor? Wenn ja, seit wann?
3. Wie bewertet die Landesregierung die aktuellen VwGH-Erkenntnisse, vor dem Hintergrund, dass auch die Steiermark nur eine einjährige Rückwirkungsfrist im Gesetz über Einrichtungen zum Schutz der Umwelt festgelegt hat?
4. Wann wir die Landesregierung eine Regierungsvorlage zur Novellierung des Gesetzes über Einrichtungen zum Schutz der Umwelt vorlegen, um die Aarhus-Konvention in der Steiermark tatsächlich vollständig umzusetzen?
5. Welche Änderungen müssen aufgrund der durch die EU Kommission angeführten Mängel konkret vorgenommen werden?
Unterschrift(en):
LTAbg. Sandra Krautwaschl (Grüne), LTAbg. Lambert Schönleitner (Grüne), LTAbg. Dipl.-Ing.(FH) Lara Köck (Grüne), LTAbg. Georg Schwarzl (Grüne), LTAbg. Veronika Nitsche, MBA (Grüne), LTAbg. Mag. Alexander Pinter (Grüne)